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EUROPA/216: Die zentralasiatischen Länder sind begehrte Partner der EU


amnesty journal 2/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte


Begehrte Partner
Unter der deutschen Ratspräsidentschaft will die EU ihre Strategie gegenüber den zentralasiatischen Ländern neu definieren.

Von Tanja Gey

Bereits 2005 hat die deutsche Bundesregierung verkündet, unter ihrer Ratspräsidentschaft würden die Beziehungen der Europäischen Union zu Zentralasien ganz oben auf der Agenda platziert. Eine neue EU- Zentralasienstrategie solle das Resultat der angekündigten Bemühungen sein.

Die Region Zentralasien umfasst Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Kasachstan; fünf in politischer sowie wirtschaftlicher Hinsicht sehr unterschiedliche Staaten. Für die Europäische Union ist Zentralasien eine strategisch wichtige Region, für Deutschland auch deshalb, weil sich im usbekischen Termez der für die Versorgung des Militäreinsatzes in Afghanistan wichtige Militärstützpunkt befindet.

Der Reichtum an Energieressourcen in Zentralasien macht die Region darüber hinaus für die EU zu einem begehrten Handelspartner. Neben politischen und wirtschaftlichen Unterschieden sind die Menschenrechtsdefizite dieser Staaten sehr verschieden, wenngleich eine Gemeinsamkeit bleibt: Alle Staaten sind für die Missachtung der Menschenrechte bekannt.

Besonders besorgniserregend ist die Lage in der bevölkerungsreichsten zentralasiatischen Republik Usbekistan. Nach dem Massaker von Andischan im Mai 2005 reagierte die EU mit Sanktionen, als Usbekistan sich weigerte, eine unabhängige internationale Untersuchung der Geschehnisse zuzulassen. Eine unabhängige Untersuchung gibt es jedoch bis heute nicht; ein unter der finnischen EU-Präsidentschaft zwischen der EU und Usbekistan geführtes Expertengespräch könnte der Beginn eines Untersuchungsprozesses sein, darf jedoch keinesfalls als Ausrede verwendet werden, um das Thema Andischan zu den Akten zu legen.

Leider ist zu beobachten, dass die EU es in ihren Außenbeziehungen mit den Menschenrechten nicht so genau nimmt, wenn sie andere Interessen in dem jeweiligen Drittstaat verfolgt. Menschenrechte dürfen jedoch nicht zur Verhandlungsmasse in den EU-Außenbeziehungen werden. Die EU muss daher bei der Erarbeitung der neuen Zentralasienstrategie die Menschenrechte konkret in dieser verankern. Dies bedeutet, dass die individuelle Menschenrechtslage jedes zentralasiatischen Landes in der Strategie berücksichtigt werden muss.

So müssen der Schutz von Menschenrechtsverteidigern und die Freilassung gewaltloser politischer Gefangener ein Bestandteil der Strategie für Usbekistan und Turkmenistan sein. Meinungs- und Pressefreiheit sind in der Region stark eingeschränkt: Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden verhaftet und in unfairen Gerichtsverfahren zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt oder in die Psychiatrie eingewiesen.

Wegen der weit verbreiteten Folterpraxis in der Region ist es unerlässlich, dass die EU in der Strategie die Einhaltung des Übereinkommens gegen die Folter überwacht. Sehr wahrscheinlich führte Folter und Misshandlung in fast allen Staaten der Region zu Todesfällen in Haft.

Nicht zuletzt muss die Todesstrafe in den Ländern dieser Region bekämpft werden. Usbekistan ist der letzte Staat, der noch hinrichtet. Daher muss sich die EU für ein Moratorium einsetzen, bis die angekündigte Abschaffung der Todesstrafe 2008 wirksam wird. Die anderen Staaten haben ein Moratorium verhängt, Turkmenistan hat die Todesstrafe bereits 1999 abgeschafft.

Die Autorin ist EU-Referentin der deutschen ai-Sektion.


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PRESSEFREIHEIT IM EXIL

Freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit sind in allen Ländern Zentralasiens eingeschränkt, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. Kirgisistan beherbergt die größte Zahl unabhängiger Medienorganisationen. In Kasachstan beschweren sich regierungsunabhängige Medien über Drangsalierungen durch Behörden. In Usbekistan und Turkmenistan werden Dissidenten, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten verhaftet und nach unfairen Gerichtsverfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Oder sie werden alternativ zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen oder ins interne Exil verbannt. Beleidigung des Präsidenten ist in allen Ländern ein Straftatbestand. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2006 von "Reporter ohne Grenzen" belegt Turkmenistan den vorletzten Patz von insgesamt 168 Ländern, Usbekistan liegt auf Platz 158.

Weitere Informationen unter www.amnesty.de/eu


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Quelle:
amnesty journal, Februar 2007, S. 15
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2007