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EUROPA/218: EU-Richtlinien zur Verschärfung des Asylrechts mißbraucht


Pressemitteilung vom 14. März 2007

Gesetzentwurf zum Zuwanderungsgesetz:

Umsetzung von EU-Richtlinien wird zur Verschärfung des Asylrechts missbraucht!


Als flüchtlingsfeindlich, rückwärtsgewandt und integrationshemmend hat ein breites Bündnis von flüchtlingspolitisch tätigen Organisationen den Gesetzentwurf zur "Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU" gewertet. Die Bundesregierung will den Entwurf in Kürze verabschieden. Die Organisationen fordern die Regierung auf, den Gesetzentwurf nicht anzunehmen und zur Überarbeitung an das Bundesinnenministerium zurückzuverweisen.

Die öffentliche Diskussion konzentriert sich fast ausschließlich auf die Bleiberechtsregelung. Sie übersieht, dass Deutschland die gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen im Flüchtlingsrecht gar nicht, nur unvollständig oder mangelhaft umsetzen will. Gleichzeitig enthält der Gesetzentwurf Rechtsänderungen, die in keinem Zusammenhang mit dem Europarecht stehen. So wird die Umsetzung für Verschärfungen des Asylrechts missbraucht, etwa für die Einführung einer "Zurückweisungshaft".

Nach EU-Recht müssten Menschen, die vor "willkürlicher Gewalt" im Rahmen von bewaffneten Konflikten nach Deutschland geflohen sind, künftig einen Abschiebungsschutz erhalten. Der Gesetzentwurf enthält aber den Begriff der "willkürlichen Gewalt" nicht. Die Schutzbedürftigen sollen keinen individuellen Schutzanspruch einklagen können, sondern sind auf Abschiebungsstopps der Bundesländer angewiesen. Die Länder drängen jedoch auf Abschiebung - selbst nach Afghanistan und in den Irak. Tausenden Betroffenen droht damit die Abschiebung in Kriegs- und Krisengebiete.

EU-Staaten sollen künftig Asylsuchende zurückweisen dürfen, wenn der Verdacht besteht, dass ein anderer EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig sei. Gegen eine solche Zuständigkeits- entscheidung soll es grundsätzlich keinen Eil-Rechtsschutz mehr geben. Damit können Abschiebungen in andere EU-Staaten nicht verhindert werden, selbst wenn sie inhuman oder rechtswidrig sind. Asylsuchende sollen so lange in Haft bleiben, bis die Zuständigkeit geklärt ist. Eine derartige "Zurückweisungshaft" verletzt internationale Standards, nach denen Flüchtlinge während des Asylverfahrens generell nicht in Haft genommen werden sollen.

Große Teile des europäischen Flüchtlingsrechts sollen gar nicht in den Gesetzestext übernommen werden. Die Verbesserungen für religiös Verfolgte oder Kriegsdienstverweigerer sind im Gesetzentwurf nicht ausdrücklich erwähnt. Stattdessen plant die Bundesregierung einen bloßen Verweis auf die EU-Richtlinie zum Flüchtlingsschutz. Die Verbände kritisieren dies als ungereimt und mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Richtlinien begründen unmittelbare Rechtspositionen für die Begünstigten und sind deswegen vollständig umzusetzen.

Das Ehegattennachzugsalter soll nach dem Gesetzentwurf auf 18 Jahre festgesetzt werden. Zudem müssen künftig Deutschkenntnisse schon vor Einreise erworben und nachgewiesen werden. Die geforderten Sprachkenntnisse werden dazu führen, dass für die meisten Betroffenen der Ehegattennachzug erst einmal versperrt wird. Denn nur in den wenigsten Herkunftsländern sind Deutschkurse ohne weiteres zugänglich. Zumeist werden entsprechende Sprachkurse nur in den Hauptstädten angeboten und sind für Bewohner entlegener Ortschaften praktisch nicht erreichbar. Sollten diese Vorschriften Gesetzeskraft erlangen, würden die deutschen Vorschriften über den Ehegattennachzug voraussichtlich nicht nur als gemeinschaftsrechtswidrig einzustufen sein. Es dürften darüber hinaus in vielen Fällen verfassungswidrige Folgen eintreten.

Die gemeinsame Stellungnahme wird von folgenden Organisationen getragen:

- amnesty international Deutschland,

- Arbeiterwohlfahrt, Bundesverband e.V.

- PRO ASYL, Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge

- Deutscher Caritasverband e.V.

- Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband

- Diakonisches Werk der EKD

- Neue Richtervereinigung

- Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen AnwaltVerein

- Die Rechtsberaterkonferenz der mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zusammenarbeitenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

Die 11-seitige juristische Stellungnahme sowie eine vierseitige Kurzfassung können über die angegebenen Kontaktadressen bezogen werden


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Quelle:
Gemeinsame Pressemitteilung von amnesty international,
PRO ASYL, Deutscher Caritasverband, und Diakonisches Werk der EKD
vom 14. März 2007
amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach 58 01 61, 10411 Berlin,
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de

PRO ASYL,
Telefon 069/234054,
Internet: proasyl@proasyl.de

Deutscher Caritasverband, Pressestelle
Telefon: 030/28444742
Internet: pressestelle@caritas.de

Diakonisches Werk der EKD, Pressestelle
Barbara-Maria Vahl
Telefon: 030/83001130
Internet: vahl@diakonie.de

PRO ASYL, Telefon 069/234054,
Internet: proasyl@proasyl.de

Deutscher Caritasverband, Pressestelle
Telefon: 030/28444742
Internet: pressestelle@caritas.de

Diakonisches Werk der EKD, Pressestelle
Barbara-Maria Vahl
Telefon: 030/83001130
Internet: vahl@diakonie.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2007