Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

EUROPA/226: Gipfeltreffen zwischen der EU und den USA - Mehr Druck (ai journal)


amnesty journal 4/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte

Mehr Druck

Von Tanja Gey


Am 30. April findet das Gipfeltreffen zwischen der EU und den USA statt. Für die EU bietet sich kaum eine bessere Gelegenheit, die USA in Menschenrechtsfragen unter Druck zu setzen.


*


John Spiro aus Ohio, USA, wurde im Jahr 1984 zum Tode verurteilt. Er soll zwei Jahre zuvor Betty Jane Mottinger entführt und ermordet haben. John Spiro bestreitet die Tat; physische oder forensische Beweismittel für seine Schuld liegen nicht vor. Seit 2005 ist der Hinrichtungstermin drei Mal verschoben worden, zuletzt auf den 17. April 2007, nur knapp zwei Wochen bevor sich die Vertreter der Europäische Union und der USA bei ihrem jährlichen Gipfel treffen. Im Hinblick auf die Todesstrafe könnten die Auffassungen der Teilnehmer des Gipfels unterschiedlicher nicht sein.

Die EU-Mitgliedsstaaten setzen sich seit 1998 verstärkt für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein: So haben alle Mitgliedsstaaten das 6. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtscharta ratifiziert, auch ist die Abschaffung der Todesstrafe eine Voraussetzung für die Aufnahme in die Europäische Union. In den Beziehungen zu Drittstaaten sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Leitlinien gegen die Todesstrafe anzuwenden.

Außerdem fordert die EU innerhalb der Vereinten Nationen diejenigen Länder, in denen die Todesstrafe noch existiert, regelmäßig auf, allmählich die Anzahl der mit Todesstrafe belegten Straftaten zu begrenzen und ein Moratorium für Hinrichtungen zu erlassen.

In den USA hingegen jährte sich die Wiedereinführung der Todesstrafe im vergangenen Januar zum 30. Mal. In diesen drei Jahrzehnten wurden mehr als 1.060 Männer und Frauen hingerichtet. Ein Ende ist nicht in Sicht. Im selben Zeitraum haben ungefähr 70 Staaten weltweit die Todesstrafe abgeschafft.

Die Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs mit Drittstaaten, die im ersten Halbjahr 2007 von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Ratspräsidentin der Europäischen Union geleitet werden, bieten eine gute Gelegenheit, Menschenrechtsdefizite gegenüber den Gesprächspartnern zu thematisieren. Wenn am 30. April 2007 die Vertreter der EU auf den US-Präsident George W. Bush treffen, können die europäischen Repräsentaten auch die Abschaffung der Todesstrafe in den USA fordern.

Darüber hinaus könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Funktion als Repräsentantin der EU ihre Aufforderung zur Schließung des Gefangenenlagers auf Guantánamo in Kuba von Anfang 2006 wiederholen und damit die US-Regierung unter Druck setzen; eine Chance, die sich für die deutsche Regierung so schnell nicht wieder bieten wird. Die menschenrechtsverachtende Praxis der USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus spiegelt sich jedoch nicht nur in Guantánamo wider. Auch die Beendigung geheimer Inhaftierungen durch die CIA und die Verschleppungsflüge gehören auf die Gipfel-Agenda von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Europäische Parlament in Strasbourg hat hierzu gerade einen Bericht verabschiedet, der die Komplizenschaft von EU-Mitgliedsstaaten bei diesen Vorkommnissen bestätigt.

Die Anwälte von John Spiro kämpfen dafür, dass neue, entlastende Erkenntnisse in einem Berufungsverfahren vorgetragen werden können. Die deutsche EU-Ratspräsidentin könnte sich am 30. April 2007 dafür einsetzen, den sich dezent andeutenden Trend gegen die Todesstrafe in den USA zu unterstützen. Immerhin war 2006 das Jahr mit der geringsten Zahl an Hinrichtungen in einer Dekade - in diesem Zeitraum wurden so wenige Personen zum Tode verurteilt wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr.

Die Autorin ist EU-Referentin der deutschen ai-Sektion.


*


Quelle:
amnesty journal, April 2007, S. 14-15
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/98 37 30
E-Mail: info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de

Das amnesty journal erscheint monatlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Nichtmitglieder können das amnesty journal für
30 Euro pro Jahr abonnieren.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2007