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EUROPA/269: BND-Untersuchungsausschuß - Staatsgeheimnisse statt Geheimdienst-Kontrolle?


Pressemitteilung vom 19. Juni 2009

BND-Untersuchungsausschuss: Staatsgeheimnisse statt Geheimdienst-Kontrolle?

Vertreter der Bundesregierung und der Geheimdienste haben Arbeit massiv behindert
Maßnahmen für eine rechtsstaatliche Terrorismusbekämpfung ohne Folterduldung müssen dringend umgesetzt werden


BERLIN, 19.06.2009 - Die Bundesregierung und die deutschen Nachrichtendienste haben die Arbeit des BND-Untersuchungsausschusses zum Teil massiv behindert. "Statt aufzuklären, haben Regierungsvertreter Informationen reihenweise als 'geheim' oder 'vertraulich' eingestuft, Akten geschwärzt, sehr spät oder gar nicht herausgegeben. Zeugen ließen viele wichtige Fragen unbeantwortet", sagte die Expertin für Menschenrechtsschutz in der Terrorismusbekämpfung von Amnesty International, Imke Dierßen. Dierßen weiter: "Das hat die Wahrheitsfindung erheblich erschwert. Wir erwarten jetzt, dass der Ausschuss seinen Auftrag ernst nimmt und der Bundesregierung Maßnahmen empfiehlt, die erneute Folterflüge oder Befragungen von mutmaßlich Gefolterten im Ausland verhindern. Die Bundesregierung muss auch in der Praxis eine Terrorismusbekämpfung garantieren, die sich strikt an rechtsstaatliche Grundsätze und das absolute Folterverbot hält."

Zu diesen Maßnahmen zählt Amnesty International vorrangig eine Kontrolle aller Flüge des US-Geheimdienstes CIA. "CIA-Flüge sind staatliche Flüge, keine privaten Flüge, wie die Bundesregierung behauptet", sagte Dierßen. Daher haben die Behörden hier auch weitreichende Kontrollbefugnisse. CIA-Flüge brauchen eine Genehmigung. Und wenn der Verdacht es erfordert, muss so ein Flugzeug nötigenfalls zur Landung gezwungen werden. Auch US-Militärflughäfen muss die Bundesregierung kontrollieren. Entführungen und Flüge in die Folter über deutsches Hoheitsgebiet darf es nicht mehr geben."

Die Arbeit des Ausschusses machte deutlich, dass deutsche Beamte in mehreren Fällen der Folter Vorschub geleistet haben. Das gilt insbesondere für die Fälle Murat Kurnaz und Muhammad Zammar. So befragten Mitarbeiter deutscher Dienste den Deutsch-Syrer Zammar in syrischer Militärhaft. Diese Hafteinrichtung ist für Folter weithin berüchtigt, und es lagen stichhaltige Hinweise vor, dass Zammar gefoltert worden war. "In dieser Situation jemanden zu befragen, untergräbt das absolute Folterverbot", sagte Dierßen. "Selbst wenn die deutschen Beamten bei der Befragung nicht selbst folterten, profitierten sie von der menschenrechtswidrigen Situation, in der sich der Befragte befindet. "Mutmaßlich Gefolterte zu vernehmen, ist mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde nicht vereinbar."

Außerdem hätte Deutschland Zammar sofort konsularisch unterstützen müssen, statt sich zum Komplizen eines Folterstaates zu machen, sagte Dierßen. "Auch Murat Kurnaz hat viel zu lange vergeblich auf die deutsche Unterstützung gewartet, die menschenrechtlich dringend geboten war."


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Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 19. Juni 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2009