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EUROPA/279: Deutschland verhindert wirksame Bekämpfung der Diskriminierung in der EU


Pressemitteilung vom 23. Februar 2010

Deutschland verhindert wirksame Bekämpfung der Diskriminierung in der EU

Familienministerin Schröder trifft spanische Amtskollegin zur geplanten EU-Antidiskriminierungsrichtlinie am 24.2.
Brief von 22 Amnesty-Direktoren an Schröder

BERLIN, 23.02.2010 - Sie wollen in einem Luxushotel mit ihrem gleichgeschlechtlichen Partner absteigen? Das kann Ihnen in mehreren EU-Ländern verwehrt werden. Sie wollen eine Wohnung mieten? Das kann man Ihnen verweigern, wenn Sie muslimischen Glaubens sind - ebenfalls mitten in der EU. Diskriminierung in der EU ist Alltag. Doch Deutschland will verhindern, dass die EU eine einheitliche und wirksame Antidiskriminierungsrichtlinie als Mindestgarantie erhält. Die Bundesregierung hat sich offiziell gegen einen entsprechenden Richtlinienentwurf der EU-Kommission ausgesprochen. Alle Direktoren der Sektionen von Amnesty International in EU-Mitgliedsstaaten sowie des Brüsseler Amnesty-EU-Büros haben nun an Familienministerin Kristina Schröder geschrieben und dagegen protestiert. Schröder trifft am kommenden Mittwoch ihre spanische Amtskollegin Bibiana Aído. Spanien hat zur Zeit die EU-Ratspräsidentschaft inne.

"Deutschland blockiert damit nicht nur die Verhandlungen über die Richtlinie im Rat. Es erlaubt auch anderen EU-Mitgliedstaaten, sich hinter dieser Haltung zu verstecken .... Vor allem aber sendet Deutschland ein verheerendes Signal aus: Dass die EU nicht tätig werden müsse, um eine Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung, Religionszugehörigkeit, Alter oder Behinderung zu bekämpfen, die zur Wirklichkeit in Europa gehört, und dies nicht nur auf dem Arbeitsmarkt", schreiben die Amnesty-Direktoren in ihrem Brief.

Zur Zeit gebe es etwa ernsthafte Sorgen über die Gesetzgebung in Litauen zum Schutz Minderjähriger und zur Diskriminierungsfreiheit aufgrund sexueller Orientierung, heißt es dort weiter. Das Minarett-Referendum in der Schweiz stelle auch für EU-Ländern eine Versuchung dar, die Religionsfreiheit von Muslimen weiter einzuschränken.

Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung festgestellt, die "Freiheit von Diskriminierung" gehöre zu den "unveräußerlichen Prinzipien" ihrer Menschenrechtspolitik. "Versuche, dies europaweit zu verwirklichen, lehnt sie jedoch mit dem Hinweis auf Bürokratieabbau ab", sagte Silke Voß-Kyeck, EU-Expertin von Amnesty International. "Das ist scheinheilig und verkennt völlig die Tatsache, dass Millionen Menschen in Europa der Rechtsschutz gegen Diskriminierung verweigert wird." Amnesty International kündigte an, europaweit Druck auf die Bundesregierung auszuüben, damit sie ihre Blockadehaltung aufgibt.


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Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 23. Februar 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2010