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EUROPA/296: Roma und Fahrende werden Kollektiv bestraft (ai journal)


amnesty journal 10/11/2010 - Das Magazin für die Menschenrechte

Kollektiv bestraft...

Von Imke Dierßen


... werden gerade wieder einmal Roma und Fahrende, nachdem einige wenige Jugendliche im französischen Saint-Aignan durch gewalttätige Proteste auffällig wurden. Statt gezielt diesem Vorfall nachzugehen, will Präsident Sarkozy die angeblichen "Probleme mit dem Verhalten der Roma und Fahrenden" lösen, indem er 300 ihrer illegalen Siedlungen schließen und 700 rumänische Roma in ihr Herkunftsland abschieben lässt.

Der Historiker und Antiziganismus-Forscher Wolfgang Wippermann verweist im Interview mit dem Amnesty Journal darauf, dass es kein "Roma-Problem" gibt. Vielmehr wurden Vorurteile gegenüber dieser großen Minderheit nie ernsthaft bekämpft. Die Vorstellung, Roma würden "böse Dinge tun", ist überall in Europa verbreitet. Ob in Rumänien, Serbien, Italien, Frankreich oder Deutschland - Roma, Sinti und Fahrende sind nicht erwünscht.

Roma leben in ganz Europa am untersten Rand der Gesellschaft. Viele sind schlecht ausgebildet, weil sie auf Sonderschulen geschickt und nicht ausreichend gefördert werden. Auf dem Arbeitsmarkt können sie deshalb nur schwer bestehen. Roma leben häufig in abbruchreifen Häusern oder in zu kleinen, notdürftig zusammengezimmerten Hütten, in denen es keinen Strom, kein Wasser und keine Abwasserentsorgung gibt. Selbst aus diesen Unterkünften werden Roma immer wieder rechtswidrig vertrieben.

Keno Verseck beschreibt in seiner Reportage aus Rumänien das Leben von Roma in einem Dorf in Siebenbürgen, in dem sie nicht einmal mehr vor gewaltsamen Übergriffen sicher sein können. Es ist verstörend zu lesen, wozu es führen kann, wenn man Angehörige einer Minderheit zu Sündenböcken macht.

Seit Jahrzehnten bemühen sich zahlreiche Projekte um eine Beendigung der Diskriminierung und Stigmatisierung von Roma. In dieser Ausgabe können Sie erfahren, wie wenig das bis heute gelungen ist. Anstatt sie einfach ins nächste Land abzuschieben, müssen die Regierungen Europas endlich mit einer gemeinsamen Strategie dafür sorgen, dass Roma, Sinti und Fahrende als gleichberechtigte Mitbürger ihre Menschenrechte wahrnehmen können. Amnesty International bemüht sich darum - helfen Sie uns dabei: www.amnesty.de/wohnen


Imke Dierßen ist Europa-Expertin der deutschen Amnesty-Sektion.


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Quelle:
amnesty journal, Oktober/November 2010, S. 19
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2010