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EUROPA/339: Flüchtlingsunglücke im Mittelmeer - Politische Untätigkeit lässt Zahl der Toten weiter ansteigen


Amnesty International - Pressemitteilung vom 15. April 2015

Flüchtlingsunglück im Mittelmeer

Politische Untätigkeit lässt Zahl der Toten weiter ansteigen


15. April 2015 - Seit Anfang des Jahres 2015 ist die Zahl der Todesfälle unter Migrant_innen und Flüchtlingen im Mittelmeerraum um mehr als das 50-fache angestiegen. Dies ist zumindest teilweise darauf zurückzuführen, dass die Regierungen der europäischen Länder angesichts der dortigen humanitären Krise viel zu lange untätig geblieben sind. Allein in den vergangenen Tagen sollen wieder mehr als 400 Menschen vor der Küste Libyens ums Leben gekommen sein.

  • UN-Hochkommissar für Flüchtlinge schätzt die bisherige Zahl der Toten für 2015 auf 900
  • Laut italienischer Küstenwache sind seit dem 11. April beinahe 10.000 Menschen aus Seenot gerettet worden
  • Europäische Regierungen versagen angesichts der humanitären Krise
  • Neuer Amnesty-Bericht wird Ende des Monats veröffentlicht

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) zeigte sich heute "zutiefst schockiert" über diese jüngste Tragödie. Damit läge die Anzahl der Menschen, die seit dem 1. Januar 2015 auf See ums Leben gekommen sind, bei beinahe 900, verglichen mit 17 im selben Zeitraum 2014. Dies bedeutet einen beinahe 53-fachen Anstieg in der Zahl der toten Migrant_innen und Flüchtlinge.

Am 28. April stellt Amnesty International einen neuen Bericht vor, der eine Analyse der aktuellen Situation beinhaltet und in dem Überlebende von Schiffsunglücken der ersten drei Monaten des Jahres 2015 zu Wort kommen. Er zeigt zudem deutlich auf, dass die gegenwärtigen Such- und Rettungseinsätze im zentralen Mittelmeer der sich dort abspielenden humanitären Krise in keinster Weise Rechnung tragen.

"Wie viele Menschen müssen noch sterben, damit die Regierungen der europäischen Länder endlich erkennen, dass Such- und Rettungseinsätze finanziert mit halbherzig zusammengesammelten Mitteln nicht ausreichen?", so Gauri Van Gulik, stellvertretende Direktorin für die Region Europa und Zentralasien bei Amnesty International.

"Tausende verzweifelte Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge wagen nach wie vor die gefährlichste Überfahrt der Welt, und Hunderte sind bereits in diesem Jahr gestorben - ein riesiger Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum."

Alles deutet darauf hin, dass die Anzahl der Migrant_innen und Flüchtlinge weiterhin ansteigen wird: das Wetter wird milder, in Ländern wie Syrien und Eritrea herrschen nach wie vor Gewalt und Verfolgung, und Libyen, Ausgangspunkt für die meisten von Schleusern vermittelten Überfahrten, ist immer noch von Instabilität geprägt.

Laut der italienischen Küstenwache sind seit dem 11. April beinahe 10.000 Menschen aus Seenot gerettet worden. Am 12. April barg die Küstenwache neun Tote aus einem Holzboot, das gekentert war. Dieser Sucheinsatz ist noch nicht abgeschlossen, und hunderte Bootsflüchtlinge werden noch vermisst.

Wie so oft musste die italienische Küstenwache auch bei diesem Such- und Rettungseinsatz darauf hoffen, dass Schiffe der Triton-Grenzschutzmission der EU und andere zivile Schiffe in der Nähe sind und Unterstützung leisten können. "Europa hat die Such- und Rettungskapazitäten stark zurückgestutzt in der fehlgeleiteten Annahme, dass solche Einsätze nur dazu beitragen würden, dass noch mehr Migrant_innen und Flüchtlinge die Überfahrt wagen. In Wahrheit jedoch zeigt sich im Mittelmeerraum Tag für Tag, dass dies ein Trugschluss ist: immer mehr Menschen versuchen trotzdem verzweifelt, auf dem Seeweg Europa zu erreichen", so Gauri Van Gulik.

"Politische Entscheidungsträger in London, Paris, Berlin und anderen europäischen Hauptstädten müssen endlich zugeben, dass die gegenwärtige Strategie nicht funktioniert. Stattdessen müssen sie sich für eine wirksame und gemeinsam getragene humanitäre Operation im Mittelmeerraum einsetzen, die mit mindestens denselben Mitteln ausgestattet ist wie das italienische Mare-Nostrum-Programm, das 2014 eingestellt wurde."

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Quelle:
Meldung vom 15. April 2015
http://www.amnesty.de/2015/4/17/politische-untaetigkeit-laesst-zahl-der-toten-weiter-ansteigen?destination=node%2F2817
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2015

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