Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

GRUNDSÄTZLICHES/313: Licht im Dunkeln (ai journal)


amnesty journal 08/09/2014 - Das Magazin für die Menschenrechte

Licht im Dunkeln

von Daniel Kreuz



Mit der Kampagne "Stop Folter" fordert Amnesty International Regierungen weltweit auf, endlich konkrete Schutzmechanismen durchzusetzen, die Folter und Misshandlung verhindern.


Auf den ersten Blick ist es eine erfreuliche Zahl: Seit der Verabschiedung der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen im Dezember 1984 haben sich 155 Staaten zum weltweiten Folterverbot bekannt und das Abkommen ratifiziert. Doch Amnesty International hat genauer hingeschaut - und in einem im Mai veröffentlichten Bericht einen unerfreulichen Befund dokumentiert: in 79 der 155 Staaten wurde im vergangenen Jahr gefoltert und das mitunter systematisch. In diesen Ländern wurden Menschen durch Schläge, Tritte, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen oder Elektroschocks verletzt, erniedrigt und ihrer Würde beraubt - entgegen aller Bekenntnisse zum Folterverbot.

Diese alltäglichen Grausamkeiten zeigen, dass es nicht ausreicht, wenn Staaten lediglich Abkommen unterzeichnen und große Versprechen abgeben. Stattdessen müssen sie ihren Ankündigungen auch Taten folgen lassen. Genau dies will Amnesty mit der globalen Kampagne "Stop Folter" erreichen: Eine Kernforderung ist dabei, dass alle Staaten konkrete Schutzmechanismen (engl. "safeguards") durchsetzen, die Folter und Misshandlung verhindern. Indem man Staaten dazu anhält, nicht nur das absolute Folterverbot selbst einzuhalten, sondern auch diese "safeguards" zu etablieren, bringt man sie dazu, im eigenen System "aufzuräumen" und Folter und Misshandlung den Boden zu entziehen.

So müssen die Staaten beispielsweise Folter nicht nur verbieten, sondern sie auch in angemessener Form unter Strafe stellen und konsequent strafrechtlich verfolgen. Folter- und Misshandlungsvorwürfe müssen untersucht und gegebenenfalls Ermittlungen eingeleitet werden als deutliches Zeichen dafür, dass Folterer nicht straflos davonkommen und dass Folter falsch ist und nicht toleriert wird. Dazu gehört auch, dass Beweise, die unter Folter entstanden sind, niemals in Gerichtsverfahren verwendet werden dürfen.

Viele dieser Schutzmechanismen setzen direkt dort an, wo die Gefahr von Folter und Misshandlung am größten ist: Wenn Menschen festgenommen oder inhaftiert wurden und sich in den Händen der Sicherheitsbehörden befinden. Dabei klingt diese Bezeichnung in vielen Ländern wie blanker Hohn: denn weder sorgen sie für Sicherheit, noch befinden sich Verdächtige und Gefangene bei ihnen in Sicherheit. Folter findet im Verborgenen statt, in Polizeiwachen, Gefängnissen oder Kasernen. Hier fühlen sich die Täter unbeobachtet und mächtig, die Opfer sind isoliert und hilflos. Daher sind Öffentlichkeit und Transparenz - wie bei anderen Menschenrechtsverletzungen auch - wirksame Schutzschilde gegen Folter.

Diese Forderungen finden sich auch in den "safeguards" wieder. Sie sollen Licht ins Dunkel bringen, indem sie zum Beispiel vorschreiben, dass jeder das Recht auf einen Anwalt hat und Beschuldigte direkt nach der Festnahme die Möglichkeit haben müssen, ihre Familie oder eine andere dritte Person über den Aufenthaltsort und die Festnahme zu informieren. Um Willkür zu verhindern, darf jemand nur festgenommen werden, wenn zum Beispiel akute Gefahr von ihm ausgeht oder der dringende Verdacht einer Straftat vorliegt. Ein Richter hat dann umgehend sicherzustellen, dass der Freiheitsentzug rechtmäßig ist.

Schon jede einzelne dieser Maßnahmen kann die Situation von Inhaftierten verbessern. Doch alle zusammengenommen bilden einen starken Schutz, der verhindert, dass Menschen Opfer von Folter und Misshandlungen werden, und der dazu beiträgt, dass Staaten nicht nur vom Folterverbot reden, sondern es auch tatsächlich umsetzen.



Weitere Informationen über die von Amnesty geforderten
Schutzmechanismen gegen Folter finden Sie auf
www.amnesty.de/safeguards

*

Quelle:
amnesty journal, August/September 2014, S. 45
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/98 37 30, E-Mail: info@amnesty.de
Redaktionsanschrift: Amnesty International, Redaktion amnesty journal,
Postfach 58 01 61, 10411 Berlin, E-Mail: ai-journal@amnesty.de,
Internet: www.amnesty.de
 
Das amnesty journal erscheint monatlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Nichtmitglieder können das amnesty journal für
30 Euro pro Jahr abonnieren.
Ein Einzelheft kostet 4,80 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2014


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang