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MITTELAMERIKA/093: Menschenrechte in Kuba (ai journal)


amnesty journal 4/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte

"Wir ändern uns nicht"

Von Tatjana Schütz


Der Journalist Juan Adolfo Fernández Saínz setzt sich für Demokratie und Menschenrechte in Kuba ein. Die Regierung verurteilte ihn dafür zu einer 15-jährigen Haftstrafe.


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Eine Botschaft des unabhängigen Journalisten Juan Adolfo Fernández Saínz aus dem Gefängnis kann auf der Webseite von "Radio Marti" herunter geladen werden, einem Sender, der in Miami produziert und von der US-amerikanischen Regierung finanziert wird. Fernández' Botschaft dauert nur 39 Sekunden. Die Aufnahme rauscht und knackt, und man muss sehr genau hinhören um ihn in dem Stimmengewirr zu verstehen. "Ich und noch drei andere Journalisten sind zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, nur weil wir etwas gesagt haben, das nicht gesagt werden durfte. Wir sitzen dafür im Gefängnis, dass wir unsere eigenen Ideale haben und diese auch vertreten." Er habe nur über die wahren Probleme seines Landes berichten wollen. Und zum Schluss sagt er noch etwas, dass unfreiwillig fast zum revolutionären Kuba passt: "Wir werden uns nicht ändern, für niemanden!"

Bevor Fernández vor vier Jahren in Havanna verhaftet wurde, berichtete er für die inoffizielle Presseagentur "Patria", arbeitete als freier Journalist und Übersetzer für kubanische Behörden. Er wollte politische Veränderungen in seinem Land durchsetzen, was der kubanischen Regierung missfiel. Schon ein Jahr vor seiner Verhaftung, als Fernández an einem Seminar zur "Demokratisierung Kubas von innen" beim Europäischen Parlament in Straßburg teilnehmen wollte, verweigerte man ihm die Ausreise.

Im März 2003 gehörte Fernández zu denjenigen Personen, die innerhalb weniger Tage verhaftet und vor Gericht gestellt wurden. Die so genannte "Gruppe der 75" erhielt in nichtöffentlichen Prozessen Haftstrafen zwischen sechs und 28 Jahren und wurde zu einem Symbol für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Kuba. Die Verhaftungswelle, eine der umfassendsten seit Beginn der Revolution im Jahr 1959, wird seitdem auch als "kubanischer Frühling" bezeichnet.

Man verurteilte Fernández in einem Schnellverfahren zu einer Haftstrafe von 15 Jahren. Die Grundlage für seine Verhaftung und Verurteilung war das "Gesetz zur Sicherung der nationalen Unabhängigkeit und Wirtschaft Kubas". amnesty international fordert seit langem die Abschaffung dieses Gesetzes, weil es gegen internationale Standards verstößt und immer wieder dazu benutzt wird, um Regimekritiker einzuschüchtern und zu unterdrücken.

Die Haftbedingungen in kubanischen Gefängnissen sind miserabel. Die Regierung bringt die Häftlinge weit entfernt von ihren Familien unter, um die ohnehin beschränkten Besuche zusätzlich zu erschweren. Telefongespräche und der Empfang von Post werden häufig verweigert. Inhaftierte berichten von Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder durch andere Gefangene mit Billigung der Wärter. Proteste gegen unfaire Behandlungen enden oft in Isolationshaftzellen.

Ein im November 2004 freigelassener Häftling der "Gruppe der 75" erklärte in einem Interview, er sei elf Monate in einer sechs Quadratmeter großen Einzelzelle eingesperrt gewesen. "Es gab nur 15 Minuten am Tag Wasser aus dem Hahn, die Zelle war verdreckt und dunkel. Die Fenster waren mit einer Metallplatte verschlossen. Im Winter war es bitterkalt und im Sommer brütend heiß." (amnesty journal 5/2005). Unter solchen Bedingungen leidet auch der heute 57-jährige Fernández, der vor seiner Inhaftierung noch ein gesunder Mann war. Inzwischen ist er stark abgemagert und befindet sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. Medizinische Hilfe bekommt er im Gefängnis nicht. Fernández' Familie ist es nahezu unmöglich, ihn im 400 Kilometer weit entfernten Gefängnis zu besuchen. Immer wieder werden die Termine kurzfristig abgesagt oder verschoben. In einem Brief an amnesty international schrieb seine Tochter Joana Fernández: "In Kuba ist es ein riesiges Problem, Fahrscheine für öffentliche Verkehrsmittel zu erhalten. Deshalb müssten wir das Besuchsdatum einen Monat im Voraus wissen, aber die Behörden teilen uns die Termine absichtlich nicht mit."

Joana Fernández macht sich seit der Verhaftung ihres Vaters für die Menschenrechte in Kuba stark. Gemeinsam mit ihrer Mutter hat sie sich den "Damas de Blanco" angeschlossen. Die "Damen in Weiß" sind Frauen, deren Verwandte während des "kubanischen Frühlings" ins Gefängnis gesperrt wurden. Jeden Sonntag ziehen die Frauen schweigend über die Avenida Cinco in Havannas edlem Stadtviertel Miramar zur Kirche Santa Rita.

Ihre weiße Kleidung soll dabei den Frieden und die Unschuld ihrer inhaftierten Männer symbolisieren. Für ihr zivilgesellschaftliches Engagement erhielten die "Damen in Weiß" im Dezember 2005 vom Europäischen Parlament den "Sacharow-Preis für geistige Freiheit". Eine Ausreisegenehmigung, um den Preis selbst in Empfang nehmen zu können, bekamen sie nicht.

Juan Adolfo Fernández Saínz setzt sich im Gefängnis für benachteiligte Mitgefangene ein. Dadurch hat sich seine eigene Situation weiter verschlechtert. Mit einem Hungerstreik protestierte er, trotz seines schlechten Gesundheitszustandes, gemeinsam mit anderen Gefangenen gegen die Haftbedingungen und willkürlichen Strafmaßnahmen. Auch seine Tochter engagiert sich weiter für die Meinungsfreiheit in Kuba. In einer E-Mail bedankte sie sich für die "wunderbare Arbeit, mit der amnesty international die Freilassung meines Vaters fordert".

Bei ihrem letzten Besuch im Gefängnis erzählte Joana Fernández ihrem Vater von der Kampagne, mit der ai seine Freilassung fordert. "Ich bin sehr froh, dass sich die Menschen für mich einsetzen", sagte er.

Die Autorin ist Journalistin und lebt in Hamburg.


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Einsatz für die Menschenrechte

Im Rahmen der Kampagne "EinSatz für die Menschenrechte" ruft amnesty international zur Unterstützung für gewaltlose politische Gefangene wie Juan Adolfo Fernández Saínz auf. Täglich werden weltweit Menschen verhaftet, bedroht, gefoltert oder getötet, weil sie ihre Meinung gesagt haben, sich mit friedlichen Mitteln gegen ihre Regierung auflehnen oder der falschen Religion oder ethnischen Gruppe angehören. Seit ihrer Gründung setzt sich amnesty international für sie ein - zum Beispiel mit Briefaktionen, an denen sich tausende Menschen aus aller Welt beteiligen. Simpel, aber erfolgreich: In fast der Hälfte der Fälle kann ai etwas bewirken. Auch Sie können einfach und schnell aktiv werden: Ein einziger Satz - eine zentrale Forderung - per E-Mail oder auf einer Postkarte reicht oft aus, um einen Unterschied zu machen. Und manchmal sogar ein Leben zu retten. Informationen unter www.amnesty.de/einsatz


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Quelle:
amnesty journal, April 2007, S. 22-23
Herausgeber: amnesty international
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E-Mail: info@amnesty.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2007