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NAHOST/208: Waffen für Kriegsverbrechen - Irakische Milizen profitieren von Lieferungen aus der ganzen Welt (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Nachricht vom 5. Januar 2017

Waffen für Kriegsverbrechen: Irakische Milizen profitieren von Lieferungen aus der ganzen Welt

Medienmitteilung von Amnesty International, Sektion Österreich


05.01.2017 - London / Bern - Amnesty International. Paramilitärische Milizen, die für die irakischen Streitkräfte gegen den selbsternannten Islamischen Staat (IS) kämpfen, verüben Kriegsverbrechen, Racheakte und weitere Gräueltaten mit Waffen aus Regierungsbeständen. Geliefert wurden diese Waffen von den USA, europäischen Ländern, Russland und dem Iran.

In einem neuen Bericht deckt Amnesty International mittels Feldforschung und der detaillierten Analyse von Bild- und Videohinweisen durch Experten auf, dass die Milizen Waffen verwenden, die in über 16 Ländern hergestellt wurden: Darunter sind Panzer und Artilleriegeschütze sowie ein umfangreiches Arsenal an leichten Waffen.

Diese Waffen wurden von den vornehmlich schiitischen Milizen auch dazu verwendet, um Tausende meist sunnitische Männer und Knaben zu entführen, zu foltern oder hinzurichten. Zudem wurde damit mutwillig privates Eigentum zerstört.

"Internationale Lieferanten - inklusive die USA, europäische Staaten, Russland und der Iran - müssen sich endlich bewusst werden, dass bei Waffenlieferungen in den Irak ein erhebliches Risiko besteht, dass diese in den Händen von Milizen landen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen bekannt sind", sagte Patrick Wilcken, Researcher für Waffenkontrolle und Menschenrechte bei Amnesty International.

"Jeder Staat, der Waffen in den Irak liefert, muss strikte Massnahmen vorweisen, die sicherstellen, dass diese Waffen nicht von paramilitärischen Milizen für Menschenrechtsverletzungen verwendet werden. Ansonsten müssen die Lieferungen eingestellt werden."


Unter dem Schutz der Streitkräfte

Die Volksmobilmachungseinheiten (Popular Mobilization Units PMU) - bestehend aus 40 bis 50 verschiedenen Milizen - wurden Mitte 2014 für den Kampf gegen den IS ins Leben gerufen. Erst 2016 wurden die PMU formell Teil der irakischen Streitkräfte, sie geniessen aber seit langem die Unterstützung der Regierung.

Der Bericht fokussiert auf vier Milizen, denen Amnesty International schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last legt: Munathamat Badr (Badr Brigaden oder Badr Organisation), 'Asa'ib Ahl al-Haq (Liga der Gerechten), Kata'ib Hizbullah (Hisbollah Brigaden) und Saraya al-Salam (Friedensbrigaden).

Die Recherche von Amnesty zeigt, wie die PMU-Milizen seit 2014 an Macht und Einfluss gewonnen haben. Sie erhielten Waffen und Löhne von den irakischen Behörden und zogen immer öfter gemeinsam mit den irakischen Truppen in den Kampf. Unter offiziellem Schutz haben verschiedene PMU-Milizen Vergeltungsschläge vor allem gegen Sunnitinnen und Sunniten durchgeführt ohne jemals dafür verantwortlich gemacht zu werden.


Verfolgung der Täter

"Jeder Bewaffnete, der Schulter an Schulter mit den irakischen Streitkräften kämpft, muss streng und umfassend überprüft werden. Diejenigen, welche schwerer Verbrechen verdächtigt werden, müssen aus ihren Rängen entfernt werden, solange die juristische Untersuchung andauert. Milizen, die sich der Kontrolle entziehen oder Befehlen widersetzen, müssen entweder von den Streitkräften diszipliniert oder aber entwaffnet und demobilisiert werden", sagte Patrick Wilcken.

Die irakischen Behörden stehen angesichts der Gewalt des IS vor schweren Sicherheitsrisiken. Der IS verübt in den von ihm gehaltenen Gebieten weiterhin Gräueltaten und setzt seine Angriffe gegen Zivilistinnen und Zivilisten auch in anderen Teilen des Iraks fort. Unlängst bekannte sich der IS zu den Terroranschlägen in Bagdad, die am Silvester und am 2. Januar Dutzende von zivilen Opfern gefordert hatten. Die Täter müssen dringend zur Verantwortung gezogen werden. Die Antwort des irakischen Staates muss jedoch unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte erfolgen.


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2017

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