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AFRIKA/185: Kongo - EU berät über humanitäre Intervention


Presseerklärung vom 31. Oktober 2008

Kongo: EU berät über humanitäre Intervention

EU-Schutztruppe bringt keinen Frieden für den Kongo
UN-Blauhelme brauchen klares Mandat und mehr Hilfe


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Freitag vor der Entsendung einer humanitären Schutztruppe der Europäischen Union (EU) in die von Rebellen umlagerte Stadt Goma im Osten des Kongo gewarnt. "Der Zivilbevölkerung in Goma ist in ihrer katastrophalen Lage mit der kurzfristigen Entsendung französischer Soldaten nicht geholfen, da sie die Spannungen zwischen den Rebellen unter General Laurent Nkunda und der Regierung des Kongo nur weiter schüren würde", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. Die EU müsse stattdessen ihren diplomatischen Druck auf die Regierungen des Kongo, Ruandas sowie auf die Rebellen erhöhen, um eine Verhandlungslösung zu erreichen. Außerdem müsse die UN-Friedenstruppe MONUC endlich ein klares Mandat und mehr Unterstützung erhalten.

Der französische Außenminister Bernard Kouchner hatte gestern vorgeschlagen, eine humanitäre Interventionstruppe der EU nach Goma zu entsenden, um der bedrängten Zivilbevölkerung beizustehen. "Traditionell kommen für solche Einsätze nur französische Soldaten in Frage, da sie relativ schnell in der Region einsatzbereit sind", sagte Delius. "Doch eine Entsendung französischer Soldaten könnte die Kämpfe in der Krisenregion eskalieren lassen, da Frankreich von den Rebellen, die der Regierung Ruandas nahe stehen, nicht als neutral angesehen wird." Das Misstrauen gegenüber Frankreich sei unter Ruandas Verbündeten noch immer groß, weil die französische Regierung für den Völkermord in Ruanda an rund einer Million Tutsi 1994 mitverantwortlich gewesen sei.

"Auch ist die Situation im Osten des Kongo heute anders als im Juni 2003, als die EU unter Führung französischer Soldaten im Rahmen der Operation Artemis eine humanitäre Interventionstruppe in die Stadt Bunia im Osten des Kongo entsandte", berichtete Delius. Damals waren vor allem die Rebellen für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, heute sind es die kongolesischen Regierungssoldaten. Sie verüben 80 Prozent der Menschenrechtsverletzungen in der Region. Angesichts plündernder und mordender Soldaten müsse sich die EU fragen lassen, warum die von ihr mit 16 Millionen Euro und 60 Beratern großzügig unterstützte Reform der kongolesischen Armee gescheitert sei.

Auch die UN-Friedenstruppe MONUC werde von der kongolesischen Armee instrumentalisiert. Aufgrund ihres doppeldeutigen Mandates des Weltsicherheitsrates werde die MONUC immer wieder gezwungen, ihre Neutralität aufzugeben. So müsse sie einerseits die Zivilbevölkerung vor Übergriffen aller Konfliktparteien schützen, andererseits aber auch gemeinsam mit der kongolesischen Armee Hutu-Rebellen bekämpfen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 31. Oktober 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2008