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ASIEN/220: Afghanistan - Wiederaufbau ist akut gefährdet


Presseerklärung Göttingen/Berlin vom 5. September 2007

Afghanistan: Wiederaufbau ist akut gefährdet

Nachbesserung des Regierungskonzepts gefordert


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Mittwoch an Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert, das Konzept der Bundesregierung zum zivilen Wiederaufbau Afghanistans nachzubessern. "Mit einigen neuen Polizei-Ausbildern wird der Wiederaufbau in Afghanistan nicht gerettet", hieß es in dem Schreiben der GfbV an die Kanzlerin. Es sei beschämend für die vor allem von Deutschland betriebene Polizeireform, wenn die Zivilbevölkerung die Polizisten nicht als Schutz, sondern als Bedrohung empfinde. So lange Polizisten sogar in Kabul marodierten und ganze Stadtviertel in Angst und Schrecken versetzten, so lange Korruption, Vetternwirtschaft und Willkür bei den Sicherheitskräften verbreitet seien, könne von einem gelungenen Projekt des Wiederaufbaus keine Rede sein. So fehle es an Strukturen zu einer wirksamen Überwachung der Polizei, die sicherstellen, dass Willkür, Machtmissbrauch und Straftaten von Sicherheitskräften geahndet werden.

Angesichts der eskalierenden Sicherheitslage würden immer mehr Polizisten eingestellt, die in Schnellkursen nur unzureichend auf ihren Dienst vorbereitet werden, kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Auch seien bei ihrer Einstellung oft nicht fachliche Kriterien entscheidend, sondern Warlords, Gouverneure und Regierungsvertreter würden immer wieder Posten nach Gutdünken mit Männern ihres Vertrauens besetzen. Ethnische Abstammung würde dabei oft nicht berücksichtigt, so dass in dem Vielvölkerstaat weitere Konflikte zwischen ethnischen Gruppen geschürt würden. So könne kein glaubwürdiger Rechtsstaat aufgebaut werden.

Als "Armutszeugnis der internationalen Gemeinschaft" bezeichnete es die GfbV, dass es sechs Jahre nach dem Sturz der Taliban außerhalb Kabuls noch immer kaum Zeichen des Wiederaufbaues gäbe. In den ländlichen Gebieten Afghanistans fehle es auch heute noch am Nötigsten: Frisches Wasser, Land, Arbeit und Sicherheit! Angesichts des schleppenden Wiederaufbaus seien 2,1 Millionen Afghanen im Jahr 2006 aus ihrer Heimat geflohen. Wenn der Wiederaufbau nicht schneller und glaubwürdiger vorangetrieben werde, drohten ein noch größerer Flüchtlingsexodus und ein weiteres Vordringen der Taliban.

Die GfbV kündigte an, mit einer Mahnwache während des Afghanistan-Sonderparteitages von Bündnis 90/Die Grünen am 15. September in Göttingen gemeinsam mit Afghanen für eine Neuorientierung der ISAF und des Wiederaufbauprogramms zu demonstrieren.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 5. September 2007
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2007