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ASIEN/253: Unterdrückung und Verfolgung der Bahá'í im Iran spitzen sich zu


Presseerklärung vom 19. Juni 2008

Gesellschaft für bedrohte Völker präsentiert Menschenrechtsreport

Unterdrückung und Verfolgung der Bahá'í im Iran spitzen sich zu


Die Unterdrückung und Verfolgung der Bahá'í, der mit 300.000 Angehörigen größten religiösen Minderheit des Iran, spitzt sich offenbar zu einem systematisch betriebenen "Ethnozid" zu, d.h. zu einer vorsätzlichen Vernichtung ihrer Religion und Kultur. Davor warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in ihrem neuen 47-seitigen Menschenrechtsreport "Bahá'í im Iran: Strangulierung einer religiösen Gemeinschaft", der dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin offiziell übergeben wurde.

Seit Amtsantritt von Präsident Mahmud Ahmadinedschad hätten Schikanen, Übergriffe, Hasspredigten gegen Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft sowie diffamierende Medienberichte, aber auch Beschlagnahmungen, die Zerstörung von Friedhöfen und anderen heiligen Stätten der Bahá'í deutlich zugenommen, heißt es in dem Report. Besonders beunruhigend sei das neu geplante "Apostasiegesetz", das vorsehe, den Abfall vom Islam im Iran künftig mit dem Tod zu bestrafen. Dieses Gesetz soll auch außerhalb iranischer Grenzen gelten. Deshalb wären Bahá'í auch in anderen Ländern nicht mehr sicher.

Für die Führungsriege der Bahá'í im Iran befürchte die GfbV das Schlimmste, sagte der Leiter des GfbV-Büros in Berlin, Christian Zimmermann. Die fünf Männer und eine Frau seien am 14. Mai 2008 vom Geheimdienst festgenommen worden und bis heute in Haft. Ihr Schicksal erinnere an das des Nationalen Geistigen Rates der Bahá'ì, dessen Mitglieder Anfang der 80-er Jahre verschleppt worden waren und nie wieder auftauchten.

In dem GfbV-Report wird ausführlich auf das so genannte Golpaygani-Dekret Nr. 1327/M/S des Obersten Iranischen Revolutions-Kulturrates (ISRCC) von 1991 eingegangen. In diesem vertraulichen Dokument wird die Staatsdoktrin im Umgang mit den Bahá'í formuliert. Es ist von Ayatollah Khamenei durch eigene Unterschrift gebilligt, schreibt die Ausgrenzungspolitik gegenüber den Bahá'í fest. Ihnen ist die Ausübung ihres Glaubens strikt verboten, und die Aufnahme in höhere Bildungseinrichtungen wird ihnen verwehrt. Arbeitgeber, die Bahá'í beschäftigen, werden mit Schließung ihres Betriebes bedroht. Straftaten gegen Bahá'í werden nicht geahndet.

Viele Direktiven des Militärs, des Innenministeriums und des Wissenschaftsministeriums beziehen sich ausdrücklich auf das Golpaygani-Dekret. So wird vom Innenministerium in einem Dokument angeordnet, dass die Bahá'í ausgespäht und Daten aus allen Lebensbereichen gesammelt werden sollen - wie über Wohnort, finanziellen Status, politische und ökonomische Aktivitäten, Kommunikation mit anderen Organisationen, Ort der Friedhöfe etc.

Der Iran ist das Ursprungsland der Bahá'í-Religion. Sie wurde im 19. Jahrhundert von ihrem Stifter Baha'ullah aus dem schiitischen Islam heraus entwickelt und hat heute weltweit rund 7,7 Millionen Anhänger.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 19. Juni 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2008