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ASIEN/275: Steinmeier reist nach Pakistan - Katastrophale Menschenrechtslage in Pakistan


Presseerklärung vom 28. Oktober 2008

Außenminister Steinmeier reist nach Pakistan

Katastrophale Menschenrechtslage in Pakistan
Mitverantwortung für Gewalt in Afghanistan


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gebeten, bei seinen morgigen Gesprächen mit der Führung Pakistans auch die katastrophale Lage der ethnischen und religiösen Minderheiten anzusprechen. "So leiden die sunnitischen Belutschen unter massiven Übergriffen der pakistanischen Sicherheitskräfte und die christliche Minderheit wird nur unzureichend vor Angriffen aus der muslimischen Mehrheitsbevölkerung geschützt", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "Besonders problematisch ist die Rolle des Militärischen Geheimdienstes ISI (Inter Services Intelligence), der nicht nur in Pakistan in schwere Menschenrechtsverletzungen verstrickt ist, sondern auch für Gewalt im benachbarten Afghanistan verantwortlich gemacht wird."

Allein im Juli und August 2008 seien bei Angriffen der pakistanischen Armee in der im Westen des Landes gelegenen Region Belutschistan mehr als einhundert Zivilisten getötet worden. 250 Menschen seien seither vermisst, mehr als 20.000 Belutschen seien vor der Gewalt aus ihren Dörfern geflohen. Folter sei weit verbreitet. So seien am 5. April 2008 vier Belutschen nach ihrer Verhaftung in Teerfässern verbrannt worden, weil sie sich geweigert hätten, mutmaßliche Unterstützer einer Freiheitsbewegung der Belutschen zu identifizieren. Seit 1948 kämpfen Belutschen für einen unabhängigen Staat. Seit Ausbruch des 5. Belutschen-Konfliktes im Jahr 1994 starben 3.000 Belutschen, wurden 4.000 Angehörige der Minderheit verhaftet und 200.000 Menschen vertrieben.

Während Belutschen aktiv von der Armee und dem Geheimdienst verfolgt würden, beklagten die zwei Millionen Christen mangelnden Schutz durch die Sicherheitskräfte. Besonders schwierig sei die Lage der Minderheit im südlichen Punjab. So seien im September 2008 erneut Christen in dem Dorf Shantinagar mit dem Tod bedroht worden, wenn sie sich nicht zum Islam bekehrten. Auch in anderen Siedlungen hätten Christen ähnliche Drohbriefe erhalten. Mehr als 800 Häuser von Christen in Shantinagar waren 1997 nach solchen Drohungen von aufgebrachten Muslimen zerstört worden.

"Viel von der Gewalt ist vom Geheimdienst ISI zu verantworten", erklärte Delius. Er bilde einen Staat im Staate, der sich systematisch jeder Kontrolle durch zivile Strukturen entziehe. Erst im Juli 2008 sei ein Versuch des Premierministers Yousaf Raza Gilani gescheitert, den ISI unter die Kontrolle des Innenministeriums zu stellen. Der berüchtigte Geheimdienst werde für Anschläge in Afghanistan und Indien, für die Unterstützung der Taliban sowie radikaler Kräfte im indischen Kaschmir verantwortlich gemacht. Solange der ISI nicht unter zivile Gewalt gebracht werde, gehe auch für die Bundeswehr in Afghanistan potentiell große Gefahr von dem Geheimdienst aus. Daran ändere auch nichts, dass auf Druck der USA im Sommer 2008 der ISI-Chef ausgetauscht wurde und mit General Ahmed Shujaa Pasha nun ein neuer Militär dem Geheimdienst vorstehe.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 28. Oktober 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2008