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ASIEN/425: China - Tibet-Bahn bricht Transportrekord - Tibeter profitieren nicht


Presseerklärung vom 6. Januar 2012

Chinas Eisenbahn bringt immer mehr Touristen und Migranten nach Tibet

Tibeter fürchten Verlust ihrer Kultur und Identität1


Chinas Eisenbahn hat 2011 mehr als 6,5 Millionen Reisende nach Tibet befördert. Nach Angaben der Eisenbahngesellschaft "Qinghai-Tibet Railway Company" nutzten vor allem chinesische Touristen und Migranten die 2006 eröffnete Bahnlinie. "Damit sind die schlimmsten Befürchtungen des Dalai Lama und der Tibeter Realität geworden", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. "Noch nie zuvor haben in einem Jahr so viele Menschen aus anderen Regionen Chinas Tibet besucht. Doch profitiert haben Tibeter kaum von der Bahn, da sich hunderttausende Han-Chinesen seit dem Bau der Bahnstrecke in Tibet niederließen und dort auch den Tourismus kontrollieren." Die Tibeter hatten schon vor der Eröffnung der umstrittenen 1.596 Kilometer langen Bahnverbindung von Golmud nach Lhasa davor gewarnt, dass sie noch mehr kulturelle Entwurzelung und Einwanderung von Han-Chinesen zur Folge haben werde.

Allein in Lhasa ließen sich mehr als 200.000 Han-Chinesen nieder. Die früher einmal 50.000 Einwohner zählende alte Hauptstadt Tibets ist heute weitgehend chinesisch geprägt. Die meisten der chinesischen Urlauber, die nach Tibet kommen, nutzen Hotels, Restaurants, Unterhaltungslokale und Bordelle, die Han-Chinesen gehören. Sie erscheinen ihnen weniger fremd und garantieren einen Urlaub in nicht ganz ungewohnter Umgebung. Chinesische Hotel- und Restaurant-Besitzer bevorzugen wiederum Han-Chinesen als Arbeitnehmer, so dass Tibeter bei der Arbeitsplatzvergabe benachteiligt werden.

Die Zahl der Reisenden auf der Bahnstrecke, die von den Konstrukteuren als technisches Wunderwerk gelobt wird, hat 2011 im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent zugenommen. 2012 will die chinesische Bahn sogar 6,9 Millionen Menschen nach Tibet befördern. "Für die Tibeter sind diese Zahlen sehr Besorgnis erregend, denn sie bedeuten einen weiteren Ausverkauf ihrer Heimat und ihrer Ressourcen", warnte Delius. Denn die Bahn transportiert auch 40 Millionen Tonnen Güter im Jahr. Dies sind nicht nur Waren aus den großen industriellen Zentren im Osten Chinas, die in Tibet verkauft werden sollen, sondern auch hunderttausende Tonnen Erze, die in Tibet von chinesischen Firmen gefördert wurden. Entlang der Bahnstrecke boomt die Erschließung neuer Bergwerke, weil nun auch aus den Hochebenen Tibets kostbare Mineralien(z.B. Gold, Lithium, Kupfer) abgebaut und schnell in die großen Industriezentren Chinas transportiert werden können. Die Expansion der Bergwerke hat katastrophale Folgen für Tibets Umwelt sowie für die traditionelle Nomadengesellschaft.

Der von der chinesischen Regierung betriebene Raubbau und die Kolonisation Tibets werden noch weiter zunehmen, da die Bahnlinie bis 2015 um 253 Kilometer bis nach Shigatse verlängert wird. Von dort sollen noch weitere Strecken nach Nepal und Sikkim fortgeführt werden.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 6. Januar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2012