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ASIEN/557: Drei Menschen sterben bei neuer Gewalt im Nordwesten Chinas


Gesellschaft für bedrohte Völker e. V. - Presseerklärung vom 1. Mai 2014

Drei Menschen sterben bei neuer Gewalt im Nordwesten Chinas

- Bluttat wird Menschenrechtsverletzungen schüren
- Unabhängige Untersuchung der Gewalttat notwendig



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) befürchtet eine massive Zunahme von Menschenrechtsverletzungen im Nordwesten Chinas nach dem gestrigen Blutbad vor dem Bahnhof Urumtschi, bei dem drei Menschen getötet und 79 Personen verletzt wurden. "Chinas Sicherheitsbehörden werden nach der Gewalttat ihre Repression gegen muslimische Uiguren weiter verstärken und auch gegen friedlich für ihre verfassungsrechtlich garantierten Rechte eintretende Angehörige der Minderheit mit aller Härte vorgehen", warnte der GfbV-Asienexperte Ulrich Delius in Göttingen. Bei einer Razzia nach der Bluttat wurden bereits mehr als 100 Uiguren festgenommen. "Wir rechnen mit weiteren Festnahmen in den nächsten Tagen. Faire Ermittlungs- und Gerichtsverfahren sind nicht gesichert. Den Verhafteten drohen Isolationshaft und Folter, um vermeintliche "Geständnisse" zu erpressen." Die GfbV verurteilte nachdrücklich die Gewalt und verlangte eine unabhängige Untersuchung der Bluttat. "Denn die offizielle Darstellung der Polizei wirkt wenig glaubwürdig", sagte Delius. So sollen die Angreifer auf dem Bahnhofsvorplatz Messer geschwungen haben, mit denen sie Reisende angegriffen hätten und zugleich einen Sprengsatz gezündet haben.

Seit Jahresbeginn 2013 fielen mindestens 291 Menschen der Eskalation der Konflikte zwischen Uiguren und chinesischen Sicherheitskräften zum Opfer. Seit Anfang 2014 sind 76 Menschen bei politisch motivierter Gewalt zwischen Uiguren und Han-Chinesen gestorben.

"Die Kombination eines Bombenanschlags mit einem Messerangriff ist äußerst ungewöhnlich und wäre im Nordwesten Chinas ein neues Phänomen", sagte Delius. Auch wurden bislang bei politisch motivierten Gewalttaten in Xinjiang, die Uiguren zugeschrieben wurden, fast ausschließlich Polizisten und andere Repräsentanten des Staates angegriffen, aber nicht wahllos Zivilisten. Nur bei den Unruhen in Urumtschi im Juli 2009 sowie bei Gewalttaten in Städten außerhalb Xinjiangs (Kunming, Peking) kam es auch zu direkten Übergriffen auf chinesische Zivilisten. "In chinesischen Polizei-Berichten schwingen uigurische Attentäter regelmäßig Messer. In staatlichen chinesischen Medien findet regelrecht eine Typisierung uigurischer Gewalt statt, die gemäß Augenzeugenberichten oft nicht der Wirklichkeit entspricht. So wird ein Bild von blutrünstigen Uiguren gezeichnet, das Vorurteile schürt."

Die Bluttat wurde am letzten Tag eines viertägigen Besuches von Staatspräsident Xi Jinping in Xinjiang verübt. Der Präsident hatte zuvor bereits den "Kampf gegen Terror" zur obersten Priorität erklärt und uigurische Gewalttäter mit "Ratten" verglichen, die bedingungslos gejagt und ausgemerzt werden müssten. "Schon heute ist es lebensgefährlich für junge Uiguren, Bärte zu tragen, da Bartträger von Polizisten pauschal als "Terroristen" behandelt werden. Wer in Xinjiang seine muslimische Religion praktiziert, riskiert verhaftet zu werden". So wurden von lokalen Behörden im Bezirk Shayar jüngst Belohnungen von bis zu 5.800 Euro ausgelobt für Hinweise auf KP-Mitglieder, die Moscheen besuchen, oder auf verschleierte Frauen. "Wenn China die Gewalt stoppen will, dann muss es endlich die Kultur und grundlegende Rechte der Uiguren respektieren und die Konflikte in Xinjiang /Ostturkestan nicht nur als Sicherheitsproblem ansehen. Doch dazu ist Xi Jinping nicht bereit. Statt die Vielfalt der Kulturen anzuerkennen, sprach er sich auf seiner Reise für eine Assimilation der Uiguren aus." So sollen Uiguren Mandarin lernen, um besser in China integriert zu werden, empfahl der Präsident.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 1. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2014