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ASIEN/704: Indonesien - Gouverneurswahl ist Gradmesser für Toleranz


Presseerklärung vom 14. Februar 2017

Schicksalswahl: In Jakarta wird Gouverneur gewählt (15.2.)

Religiöse Toleranz, ethnische Harmonie, Demokratie, Vielfalt und Säkularismus in Indonesien auf dem Prüfstand


Als "Schicksalswahl" und "Gradmesser für Toleranz für Minderheiten" hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Gouverneurswahl in Indonesiens Hauptstadt Jakarta am kommenden Mittwoch bezeichnet. "Indonesien steht an einem Scheideweg. Die mit Spannung erwartete Wahl wird signalisieren, ob die säkulare Staatsform und das Bekenntnis zur Respektierung von Minderheiten und Vielfalt bekräftigt wird oder ob es islamistischen Kräften gelingt, mehr Einfluss auf die Politik zu gewinnen", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. "Für Indonesiens Demokratie und für seine religiösen und ethnischen Minderheiten wäre es ein wichtiges Zeichen, wenn der christliche Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok, trotz vieler Anfeindungen in seinem Amt bestätigt würde. Denn Indonesiens Christen, Schiiten und Ahmadiyyah haben Angst vor wachsendem Einfluss radikaler Sunniten."

Die Gouverneurswahl gilt als Stimmungsbarometer und Testwahl für die im Jahr 2019 geplanten Präsidentschaftswahlen. In den vergangenen Monaten hatten islamistische Aktivisten Ahok öffentlich angefeindet und gegen ihn einen Prozess wegen angeblicher Blasphemie angestrengt. Mit Massendemonstrationen gegen Ahok machten sie billige Wahlkampfwerbung für konservative islamische Parteien. Ahoks Konkurrenten um das Gouverneursamt wird vorgeworfen, die Kampagne der Verunglimpfung unterstützt zu haben, um seine Wiederwahl zu verhindern.

"Es ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, in einem Viel-Religionen und Viel-Völkerstaat Hassbotschaften gegen religiöse und ethnische Minderheiten zu verbreiten", warnte Delius. Schon heute gibt es viele Anfeindungen gegen Andersgläubige in dem überwiegend muslimischen Staat. Übergriffe auf Kirchen und auf Moscheen von Ahmadiyyah und Schiiten gibt es immer wieder. Die religiöse Intoleranz hat deutlich zugenommen. "Die Minderheiten haben Angst, Opfer gezielter Hetze zu werden."

Der Christ Ahok, der der chinesischen Minderheit angehört, galt lange als Favorit bei der Wahl, bis im Dezember 2016 das Blasphemie-Verfahren gegen ihn begann. Er war Vizegouverneur und rückte im Jahr 2014 ohne Wahl in das Gouverneursamt vor, nachdem der bisherige Amtsinhaber Joko Widodo zum Staatspräsidenten gewählt worden war. Der reformfreudige Ahok hat sich mit der Zerstörung von Slums aber auch viele Feinde bei der ärmeren muslimischen Bevölkerung gemacht. Dies wollen seine Konkurrenten nun ausnutzen und ihn notfalls auch mit Hilfe der Islamisten schlagen. "Für Indonesien wäre dies ein dramatischer Kurswechsel, denn die seit Jahrzenten geltende Pancasila-Staatsideologie beschwört den säkularen Charakter des Staates", erklärte Delius.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 14. Februar 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2017

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