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EUROPA/440: Serbischer Kriegsverbrecher Zupljanin verhaftet


Presseerklärung vom 11. Juni 2008

Serbischer Kriegsverbrecher Zupljanin verhaftet

Engagement von Simon Wiesenthal und Marek Edelman zum Vorbild nehmen:
EU soll hartnäckig auf Auslieferung von Karadzic und Mladic bestehen!


Nach der Festnahme des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Stojan Zupljanin appelliert der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Tilman Zülch an die Bundesregierung und alle anderen 26 Regierungen der EU-Länder, hartnäckig auf die Auslieferung der beiden serbischen Hauptkriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic zu bestehen. "Belgrad darf von der EU nicht länger mit Samthandschuhen angefasst werden, es wurden bereits genug Zugeständnisse gemacht, um Serbien die Annäherung an die EU zu erleichtern", sagte Zülch. Die anhaltende Passivität der serbischen Regierung bei der Fahndung nach Karadzic und Mladic dürfe nicht länger stillschweigend toleriert werden.

"Wir werden das Engagement der großen jüdischen Persönlichkeiten Marek Edelman und Simon Wiesenthal, lange auch Freunde der GfbV, und ihren großen Einsatz für die Opfer des Genozids in Bosnien und Herzegowina nie vergessen", mahnte Zülch. "Wir meinen, dass die deutsche Bundesregierung und die Regierungen der EU diesem Engagement verpflichtet sein und entschieden handeln müssen."


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Völkermord in Bosnien 1992 - 1995

Europa hat geschwiegen, als jugoslawische Truppen und serbische Milizen den Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Bosnien-Herzegowina in der Zeit 1992-1995 begangen haben.

Den Verbrechen in Bosnien-Herzegowina sind weit über 100.000 Zivilisten zum Opfer gefallen, davon mehrere tausend in serbischen Konzentrationslagern. Über 20.000 Frauen wurden vergewaltigt, etwa 2,2 Millionen Menschen vertrieben und hunderte Dörfer zerstört. Unter dem Kommando der Serbenführer Radovan Karadzi? und Ratko Mladi? Wurde unter anderem der Massenmord an mindestens 8.373 bosnischen Knaben und Männern nach dem Fall Srebrenicas am 11. Juli 1995 begangen. Bis heute halten sich diese beiden Hauptkriegsverbrecher dank Unterstützung serbischer Behörden und serbischen Militärs versteckt.

"Es ist ein Schandfleck für die Arbeit des Internationalen Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien, dass zwei Individuen immer noch flüchtig sind, die wegen Genozid angeklagt sind und für die schlimmsten Verbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich gemacht werden", beklagte die ICTY-Chefanklägerin Carla del Ponte in einer Erklärung gegenüber dem UN-Sicherheitsrat zum Ende ihrer Amtszeit im Dezember 2007. Angesichts der Kriegsverbrechen in Bosnien erklärte Marek Edelman, letzter überlebender Kommandeur der Widerstandskämpfer des Warschauer Ghettos folgendes: "Europa hat aus dem Holocaust nichts gelernt, Bosnien ist ein posthumer Sieg für Hitler". Simon Wiesenthal fühlte sich "an Bestandteile des Holocaust" erinnert. Die Opfer des Genozids in Bosnien waren zu über 90 % Bosniaken (Muslime), aber ebenso unvergessen sind die Opfer der kroatischen, serbischen, jüdischen und Roma Nationalitäten Bosniens.


Bestandteile des Völkermordes in Bosnien-Herzegowina:

1. Vernichtung von 100.000 bis 150.000 Zivilisten. Nach verschiedenen Schätzungen wurden etwa 30.000 Opfer nach dem Krieg vermisst. 11.430 dieser Vermissten wurden inzwischen exhumiert, jedoch nur ein Teil von ihnen identifiziert.

2. Errichtung von über hundert Konzentrations- und Internierungslagern und Inhaftierung von über 200.000 Zivilisten.

3. Ermordung von mehreren tausend Häftlingen in Lagern wie Omarska, Manjaca, Keraterm, Trnopolje, Luka Brcko, Susica, Foca u.a.

4. Vergewaltigung von etwa 20.000 Frauen und Errichtung von Vergewaltigungslagern.

5. Systematische Verhaftung und Ermordung von Angehörigen der akademischen und politischen Eliten.

6. Flucht und Vertreibung von etwa 2,2 Millionen Bosniern. Hunderttausende konnten bis heute nicht zurückkehren.

7. Einkesselung, Aushungerung und Beschießung von 500.000 Bosniern, von so genannten UN-Schutzzonen über fast vier Jahre (Sarajevo, Gorazde, Srebrenica, Zepa und Bihac).

8. Einkesselung und Beschießung der Stadt Sarajevo. Etwa 11.000 Opfer, darunter 1.500 Kindern.

9. Massaker und Massenerschießungen in zahlreichen Gemeinden und Städten, Nord-, West- und Ostbosniens (Posovina, Raum Prijedor und Podrinje).

10. Ermordung von 8.373 Knaben und Männern in Srebrenica

11. Verscharrung der Ermordeten in Hunderten von Massengräbern in allen besetzen Gebieten, ohne Hinweise auf die Identität der Opfer.

12. Planmäßige Zerstörung Hunderter Dörfer und Stadtteile.

13. Totale Zerstörung der materiellen islamischen und weitgehend auch der katholischen Kultur in den serbisch besetzten Gebieten, darunter etwa 1300 Moscheen und etwa 500 katholische Kirchen.


Tilman Zülch, Herausgeber der ersten Publikation über den Genozid "Völkermord für Großserbien" (Luchterhand 1992), Preisträger des "Sloboda" (Freiheit) des Internationalen Friedenszentrums Sarajevo 1995, Silberordens des bosnischen Staatspräsidiums (1996), "Award against Genocide" der vier Mütterbewegungen aus Srebrenica (2006)


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 11. Juni 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2008