Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

EUROPA/496: Appell an polnische Regierung - Tschetschenische Flüchtlinge nicht kriminalisieren!


Presseerklärung vom 16. Dezember 2009

Tschetschenische Flüchtlinge an deutsch-polnischer Grenze nicht kriminalisieren!


Mit dem eindringlichen Appell, die rund 200 tschetschenischen Flüchtlinge, die am Dienstag in einem Zug an der deutsch-polnischen Grenze gestoppt wurden, nicht zu kriminalisieren, hat sich die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Mittwoch an die polnische Regierung in Warschau gewandt. "Die Flüchtlinge haben aus Verzweiflung gehandelt. Sie wollten friedlich vor dem Europäischen Parlament in Straßburg gegen ihre schlechten Lebensbedingungen in Polen demonstrieren. Dafür dürfen sie nicht - wie von polnischen Behörden angekündigt - bestraft werden", heißt es in dem Schreiben der Menschenrechtsorganisation. Nun müsse es darum gehen, diesen Menschen tatsächlich zu helfen, denn sie hätten sich in einer Notsituation befunden. Unter den Flüchtlingen im Zug sind 60 Kinder. Für sie und alle anderen müsse schnell eine gute Lösung gefunden werden.

Die Flüchtlinge waren am Montagabend in Liegnitz (Legnica) in den Zug von Breslau nach Dresden gestiegen. Polnische Polizei hatte den Zug gestoppt. Rund 200 der insgesamt 230 Flüchtlinge stammen aus Tschetschenien, 30 sollen aus Georgien kommen.

Die tschetschenischen Flüchtlinge seien einer Hölle entkommen, führte die GfbV aus. Der von Moskau eingesetzte Präsident Ramzan Kadyrow regiere seine Republik mit eiserner Hand und sei persönlich für Morde und Folter verantwortlich. Die Flüchtlinge bräuchten jetzt auch in Polen Schutz vor dem russischen und tschetschenischen Geheimdienst und Unterstützung für ein menschenwürdiges Leben. In Tschetschenien herrsche heute Gewalt und Staatsterror.

Die GfbV erinnerte daran, dass das tschetschenische Volk drei Mal Opfer von Völkermord geworden sei. Durch die kollektive Deportation nach Zentralasien unter Stalin sei etwa ein Viertel der tschetschenischen Bevölkerung zu Tode gekommen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion marschierten 1994 unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin russische Truppen im Nordkaukasus ein. Bis 1996 seien der russischen Kriegsführung etwa 80.000 Menschen, ganz überwiegend Zivilisten, zum Opfer gefallen. Wladimir Putin habe von 1999 bis 2002 wieder einen Vernichtungsfeldzug gegen Tschetschenien geführt. Dadurch hätten noch einmal rund 80.000 Tschetschenen ihr Leben verloren.


*


Quelle:
Presseerklärung Berlin/Görlitz, den 16. Dezember 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2009