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EUROPA/535: Verantwortung für gescheiterten Schutz für Opfer des Völkermords von Srebrenica


Presseerklärung vom 4. Juli 2011

Die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV-Int.) informiert:

Die Verantwortung für den gescheiterten Schutz für die Opfer des Völkermords von Srebrenica


In Erwartung des Urteils des niederländischen Berufungsgerichts am 5. Juli 2011 um 10.00 Uhr über die Berufung der Überlebenden des Genozids im Zusammenhang mit ihrer Zivilklage gegen den niederländischen Staat (Paleis van Justitie, Prins Clauslaan 60, 2500 Den Haag):

Am 5. Juli 2011 um 10.00 Uhr wird das niederländische Berufungsgericht sein Urteil über die eingelegte Berufung bosnischer Überlebender des Völkermords von Srebrenica zu dem Urteil des Landgerichtes in Den Haag aussprechen - demzufolge die Niederlande ihre Pflicht nicht verletzt hätten, als die Verwandten der Überlebenden an ihre serbischen Mörder, die Einheiten der bosnisch-serbischen Armee unter dem Kommando von General Ratko Mladic, ausgeliefert wurden.

Hasan Nuhanovic, Übersetzer der Vereinten Nationen (dessen Vater, Mutter und jüngerer Bruder ermordet wurden) und Mehida, Alma und Damir Mustafic (die ihren Ehemann und Vater, der Mitarbeiter der Schutztruppe der Vereinten Nationen war, verloren haben) machen den niederländischen Staat für das Versagen der unter UN-Mandat operierenden niederländischen Truppen verantwortlich, ihre im Juli 1995 ermordeten Familienangehörigen zu beschützen.

Sie fechten das erste Urteil des Landgerichts in Den Haag an, laut dem die Vereinten Nationen das effektive Kommando und die Kontrolle über das niederländische Bataillon ("Dutchbat") gehabt hätten und so für das Schicksal der Flüchtlinge verantwortlich gewesen seien, denen auf dem UN-Stützpunkt in Potocari Schutz gewährt wurde, als die sogenannte UN-Schutzzone von den Truppen der bosnischen Serben eingenommen wurde.

Niederländische Blauhelmsoldaten forderten Ibro, Nasiha, und Muhamed Nuhanovic sowie Rizo Mustafic auf, die sichere UNPROFOR-Basis zu verlassen, in die sie sich geflüchtet hatten, und sahen zu, wie Frauen und junge Mädchen mitgenommen und vergewaltigt wurden und die Männer und Knaben von ihren Familien getrennt wurden, bevor man sie für ihre Exekution fortbrachte.

Hasan Nuhanovic und die Familie Mustafic gehen davon aus, dass die niederländische Regierung für die Handlungen des Dutchbat-Kontingents verantwortlich war. Die Anwältin der Kläger, die Expertin für humanitäre Völkerrecht Liesbeth Zegveld, argumentiert, dass sich die niederländische Regierung sowie die niederländische Führung und UNPROFOR des möglichen Schicksals der Zivilisten, die sie an General Mladic ausgelieferten, bewusst waren, sie aber in erster Linie um das Wohl ihrer eigenen Mission besorgt waren.

Das Landgericht entschied, dass Dutchbat unter dem "Kommando und der Kontrolle" der Vereinten Nationen gehandelt hatte, die jedoch absolute Immunität vor rechtlichen Schritten genießen. Die Kläger in diesem Zivilverfahren wenden dagegen ein, dass Beweise zeigten, die niederländischen Truppen hätten eigene Entscheidungen außerhalb der Befehlskette der Vereinten Nationen getroffen.

Ratko Mladic, Oberbefehlshaber der bosnisch-serbischen Streitkräfte, steht derzeit wegen Kriegsverbrechen einschließlich des Völkermords in Srebrenica vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.


Prof. Dr. Liesbeth Zegveld, Böhler Advocaten, Attorneys, Abteilung für internationales Recht und Menschenrechte. Zegveld ist Professorin für humanitäres Völkerrecht und Expertin für die Rechte von Frauen und Kindern an der Universität Leiden, Niederlande.

Hasan Nuhanovic, Menschenrechtsaktivist, Kampaigner für die Wahrheit und Gerechtigkeit für die Opfer und Überlebender des Völkermords in Srebrenica, Sarajevo, Bosnien


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Quelle:
Presseerklärung Amsterdam/Sarajevo/Göttingen, 4. Juli 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2011