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EUROPA/628: Kritik an Äußerungen des spanischen Königs zum Katalonien-Streit


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 4. Oktober 2017

Katalonien-Streit: EU-Kommission hat versagt

Kritik an Äußerungen des spanischen Königs - Europäischer Ausschuss der Regionen soll vermitteln


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die Äußerungen des spanischen Königs Felipe scharf kritisiert, der gestern Abend in einer Fernsehansprache Kataloniens Führung vorwarf, die Stabilität Spaniens zu gefährden. "Wer Katalonien unverantwortliches Verhalten vorwirft, muss auch über die Verantwortung von Spaniens Ministerpräsident Rajoy sprechen. Ohne seine Blockade einer Reform der Autonomie Kataloniens wäre es nie zu einer solchen Eskalation des Konflikts genommen", erklärte GfbV-Direktor Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. "Warum fragt niemand, was Rajoy dazu bewegt, gezielt die Provokation und Eskalation zu suchen? Es liegt nahe, dass er damit vor allem von seinen Korruptionsskandalen ablenken und seinen Machterhalt sichern will".

Die Menschenrechtsorganisation warf der EU-Kommission vor, in der Katalonien-Frage versagt zu haben. "Aussitzen und Ignorieren ist keine wirksame Strategie der Konfliktlösung. Die EU-Kommission macht es sich zu einfach, wenn sie sich auf die fragwürdige Position zurückzieht, das Referendum sei verfassungswidrig gewesen. Eine solche Vogel Strauß-Politik mag Spaniens Regierung gefallen, den sich zuspitzenden Konflikt löst dies aber nicht", erklärte Delius.

Die GfbV appellierte an den Europäischen Ausschuss der Regionen (AdR), sich um eine Vermittlung in dem Konflikt um mehr Selbstbestimmung für Katalonien zu bemühen. In einem Schreiben an den AdR-Präsidenten Karl-Heinz Lambertz rief die Menschenrechtsorganisation dazu auf, deutlich zu machen, dass EU-Regionalpolitik mehr bedeutet als ein Schachern um Finanzmittel für vernachlässigte Regionen. "Europas Regionen haben eine starke Stimme und dürfen nicht tatenlos zusehen, wie der Konflikt zwischen Spaniens Regierung und Katalonien immer mehr eskaliert", erklärte Delius.

Statt die Streitparteien zu Verhandlungen nach Brüssel einzuladen, erklärte die EU, dass ein selbstständiges Katalonien die EU verlassen müsse. "Dies war ein Affront gegen die überzeugten katalanischen EU-Befürworter", erklärte die GfbV in ihrem Schreiben an Lambertz. Ähnlich unsensibel habe die EU beim Referendum in Schottland reagiert. Auch die Mehrzahl der Schotten seien überzeugte Europäer, die überwiegend gegen den Brexit gestimmt hätten.

Der 353 Mitglieder aus Europas Regionen und Gemeinden zählende AdR wurde auf der Grundlage des Maastrichter Vertrages als beratendes Organ der Europäischen Union geschaffen. Aus Deutschland gehören ihm 24 Mitglieder an. Seit Juli 2017 ist der belgische Politiker Karl-Heinz Lambertz Präsident des Ausschusses. Lambertz hat die deutschsprachige Minderheit in Belgien 15 Jahre lang als Ministerpräsident vertreten.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 4. Oktober 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2017

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