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LATEINAMERIKA/081: Brasilien - Olympiade 2016. Indigene Völker haben keinen Grund zum Feiern


Presseerklärung vom 4. August 2016

Zum Start der XXXI. Olympischen Spiele in Rio de Janeiro:
Rechte indigener Völker in Brasilien bewahren!


Brasilien feiert Olympia, doch die Angehörigen der etwa 305 indigenen Völker feiern nicht mit. "Viele Indigene können mit dem Olympischen Feuer wenig anfangen, denn in ihren Gebieten herrscht zerstörerische Goldgräberstimmung statt Olympischer Geist", kritisiert Yvonne Bangert, Referentin bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Mehr als ein Drittel der 672 indigenen Territorien sind akut durch Landraub und Wirtschaftsinteressen bedroht. Gesetzes- und Verfassungsänderungen, vorangetrieben von Lobbyisten der Agrar-, Bergbau- und Energiewirtschaft, stellen den Schutz dieser Gebiete in Frage und bedrohen damit die Existenzgrundlage der Ureinwohner. Dabei hat Brasilien die UN-Konvention 169 der ILO ratifiziert und ihnen nach dem Ende der Militärdiktatur 1988 starke Verfassungsrechte gegeben."

Gesetze wie PEC 215 und PEC 65 gefährden die Ureinwohnerrechte in Brasilien. PEC 215 soll die Entscheidung über die Anerkennung von indigenen Schutzgebieten auf das Parlament übertragen, in dem die Agrarlobby stark vertreten ist. "Indigene Menschenrechtler befürchten, dass dann keine weiteren Schutzgebiete anerkannt und neue Antragsverfahren nicht mehr zugelassen werden. Auch bereits geschützte indigene Gebiete könnten wieder infrage gestellt werden, um dort lagernde Naturschätze ausbeuten zu können." Dabei ist eigenes Land für die indigenen Gemeinschaften überlebensnotwendig. PEC 65 soll das bislang dreistufige Umweltprüfverfahren bei neuen Projekten durch nur noch eine Prüfung ersetzen, die zudem von einem an einem Bauauftrag interessierten Unternehmen selbst durchgeführt werden kann.

Korruptionsskandale und das noch immer nicht entschiedene Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff begünstigen den Zugriff auf das Ureinwohnerland, denn sie spielen der Agrar- und Industrielobby in die Hände. Die Rohstoffreserven in den indigenen Gebieten wecken Begehrlichkeiten. Schon jetzt werden Verfahren zur Anerkennung von Reservaten und ihre wirksame Absicherung absichtlich verzögert, kritisiert die GfbV unter Berufung auf einen Bericht der CIMI, der Menschenrechtsorganisation für indigene Völker der Brasilianischen Bischofskonferenz. "Ein wichtiges Motiv dafür ist im Bau von Wasserkraftwerken oder anderen Formen der Landnutzung wie etwa Monokulturen mit Soja oder Zuckerrohr zu sehen", ergänzt Bangert.

Gigantische Wasserkraftprojekte wie etwa der Belo-Monte-Staudamm am Rio Xingu oder der Staudämmekomplex am Rio Tapajós, beides Nebenflüsse des Amazonas im Staat Pará, vertreiben die indigenen und nicht-indigenen Anwohner der Flussufer und vernichten ihre Existenz. 250 Staudämme sollen im gesamten Amazonasgebiet geplant sein. Monokulturen von Soja und Zuckerrohr liefern den Hintergrund für das Leid der Guaraní-Kaiowá in Mato Grosso do Sul, die bereits von dem größten Teil ihres Landes vertrieben wurden. Einer aktuellen Studie der Organsiation FIAN zufolge sind 90 Prozent von ihnen von staatlicher Lebensmittelunterstützung abhängig.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 4. August 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2016

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