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MELDUNG/040: Weltflüchtlingstag - Flüchtlingsnation Deutschland soll Flüchtlinge aufnehmen


Presseerklärung vom 19. Juni 2012

ZUM WELTFLÜCHTLINGSTAG (20.06.)
Anlässlich des Weltflüchtlingstages am kommenden Mittwoch erklärt der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Tilman Zülch:

Die 'Flüchtlingsnation' Deutschland soll Flüchtlinge aufnehmen und nicht nur ausländische Fachkräfte anwerben!



Die heutigen Deutschen sind eigentlich eine Nation von Flüchtlingen, Vertriebenen, Spätaussiedlern und ihrer Nachkommen. Erst kamen 14 Millionen Vertriebene aus den Ostgebieten. Darauf folgten vier Millionen deutsche Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion (UdSSR), dem rumänischen Siebenbürgen und dem polnischen Oberschlesien. Von 1949-1989 kamen 3,8 Millionen Flüchtlinge aus der damaligen DDR. Zehntausende wurden nach dem Ungarn-Aufstand (1956) aufgenommen. Fast 11.000 vietnamesische Boatpeople rettete Rupert Neudecks Cap Anamur im Südchinesischen Meer und brachte sie nach Deutschland. Seit der Wende in der UdSSR wurden 200.000 Juden aus den Nachfolgestaaten der UdSSR als Kontingentflüchtlinge bei uns willkommen geheißen. Schließlich kamen Flüchtlingsgruppen nach Kriegen und Verfolgungen in Ländern der Dritten Welt, unter ihnen nicht zuletzt Kopten, Yesiden, Maroniten, Assyro-Chaldäer, Kurden, Bahá'í, Armenier und Mandäer.

Deutschland ist all diesen Flüchtlingen und Vertriebenen zur Heimat geworden und hat sie erfolgreich integriert. Wohl jeder zweite in diesem Land gehört noch einer dieser Gruppen an oder besitzt ein Eltern- oder Großelternteil, der einmal Flüchtling war.

Wir beklagen einen dramatischen Bevölkerungsrückgang: Bereits 2050 wird es in Deutschland zwölf Millionen Menschen weniger geben. Ganze Dörfer werden leer stehen, ganze Landstriche veröden. Die Renten der älteren Menschen werden schon bald nicht mehr bezahlbar sein. Gleichzeitig werden junge, arbeitsfähige und motivierte Flüchtlinge oder ihre hier geborenen Kinder abgeschoben - obwohl Ausbildungsplätze in vielen Betrieben aus Mangel an Bewerbern unbesetzt bleiben.

Unsere Politiker rufen nach Fachkräften. Andere Länder sollen sie ausbilden. Der Chef der Agentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, ging schon im Mai 2011 davon aus, dass 2025 in Deutschland mehr als zwei Millionen qualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Warum nicht Flüchtlinge aufnehmen, die vor Menschenrechtsverletzungen fliehen mussten, und bei uns ausbilden? Das wäre ein Signal an die Welt und könnte die demographische Katastrophe im eigenen Land aufhalten.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert, dass sich unsere Flüchtlingsnation Deutschland an der Lösung des Weltflüchtlingsproblems beteiligt und mit gutem Beispiel vorangeht. Als ersten Schritt sollte Deutschland den 8.000 bis 10.000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Aufenthaltsstatus gewähren und das Abschieben der langjährig nur geduldeten, hier aufgewachsenen Flüchtlingskinder endlich beenden.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 19. Juni 2012
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2012