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MELDUNG/044: APEC-Gipfel - Putins Pläne bedrohen Ureinwohner im Fernen Osten


Presseerklärung vom 6. September 2012

APEC-Gipfel in Wladiwostok

Gigantische Pläne der russischen Regierung drängen Ureinwohner immer mehr ins Abseits



Anlässlich des Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) in Wladiwostok macht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) darauf aufmerksam, dass die Ureinwohner im Fernen Osten Russlands durch gigantische Pläne der Regierung immer mehr ins Abseits gedrängt werden. "Ohne Rücksicht auf die dort ansässigen indigenen Gemeinschaften sollen im Fernen Osten riesige Flächen intensiv landwirtschaftlich genutzt und Straßen und Pipelines massiv ausgebaut werden, damit diese große Region wirtschaftlich an die prosperierenden asiatischen Nachbarn Anschluss findet", berichtete die GfbV-Referentin für die GUS-Staaten, Sarah Reinke am Donnerstag in Berlin.

Die Menschenrechtsorganisation befürchtet, dass Russland auf dem APEC-Gipfel um Investoren werben wird, die riesige Landflächen im Fernen Osten leasen sollen. Denn eines der Kernthemen des Gipfels ist "Ernährungssicherheit" und Russland möchte bis zum Jahr 2020 weltgrößter Getreideanbauer werden. Doch es geht auch um Biosprit, erklärte der stellvertretende Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Andrej Slepnev, schon im Januar 2012. Damals hatte Slepnev Investoren z.B. aus Japan, China oder Vietnam weite Flächen in den Regionen Primorsky Krai, Khabarovsk und Amur angeboten. Dort sei die Hälfte des dünn besiedelten Landes "ungenutzt" und der Klimawandel lasse die Ernte-Ergebnisse nochmals um elf bis 14 Prozent in den kommenden 30 bis 50 Jahren in die Höhe klettern. Das Land soll in Teilstücken von jeweils 150.000 bis 200.000 Hektar abgegeben werden.

In den genannten Regionen sind etliche indigene Gemeinschaften (betroffen sind schätzungsweise bis zu 20.000 Personen) zu Hause, die auch ohne ausländische Landaufkäufe schon genug Probleme haben: Hier leben die Nanai, Udege, Oroken, Ultschen, Ewenen und Ewenken. Sie leiden unter dem so genannten Land-Kodex. Er sieht vor, dass Flächen von Privatpersonen oder Unternehmen auf Auktionen ersteigert werden können. Die Ureinwohner haben auf diesem Markt keine Chance, da sie zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen der Russischen Föderation gehören.

Putin hat kurz nach seinem Amtsantritt ein Ministerium für die Förderung der Entwicklung des russischen Fernen Ostens eingerichtet. Diese Entwicklung sei die "wichtigste geopolitische Aufgabe Russlands", hatte der Präsident erklärt. Das neue Ministerium soll Großprojekte unter Umgehung der lokalen Behörden direkt aus Moskau koordinieren. Geltende Bestimmungen sollen dabei ausdrücklich außer Kraft gesetzt werden. Olga Muraschko, Vertreterin der Dachorganisation der indigenen Gruppen in Russland "RAIPON", beklagt die absolute Ohnmacht der indigenen Gruppen, wenn es um ihr Land und ihre traditionelle Lebensweise geht. In den Vorgaben für das Ministerium seien die indigenen Gruppen und ihre Rechte mit keiner Silbe erwähnt.

Bislang besteht auch akut die Gefahr, dass aus dem Fernen Osten Russland natürliche Ressourcen wie Holz, Öl, Gas und Kohle an asiatische Staaten geliefert werden. Auch diese kurzsichtige Politik bedroht gerade die indigenen Gruppen und die Umwelt in dieser Region.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 6. September 2012
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. September 2012