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MELDUNG/118: Bundesminister Müller und de Maizière besuchen Marokko


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 27. Februar 2016

Bundesminister Müller und de Maizière besuchen Marokko - Königreich friert diplomatische Kontakte zur EU ein

Gefährliches Buhlen um Marokkos Gunst


Deutschlands Werben um die Gunst Marokkos stößt bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) auf Kritik. "Menschenrechte in Nordafrika dürfen nicht zum Kollateralschaden europäischer Flüchtlingspolitik werden", warnte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Samstag in Göttingen. "Wenn die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber in den Vordergrund der Beziehungen zu Marokko rückt, bedeutet dies nichts Gutes für eine friedliche Lösung des seit mehr als 40 Jahren andauernden Westsahara-Konfliktes. Denn die EU droht in der Westsahara-Frage wichtige völkerrechtliche Positionen aufzugeben, da sie immer erpressbarer wird." Am Freitag führte Entwicklungshilfeminister Gerd Müller Gespräche zur Migrationspolitik in Rabat, am Sonntag wird Bundesinnenminister Thomas de Maizière in dem Königreich erwartet. Trotz schwerer Menschenrechtsverletzungen in der Westsahara ist Marokko im Februar 2016 zum "sicheren Herkunftsland" erklärt worden.

Wie gefährlich der neue "Schmuse-Kurs" mit dem nordafrikanischen Staat werden kann, zeigt die am letzten Donnerstag von Marokkos Ministerpräsident Abdelilah Benkirane verkündete Einfrierung der diplomatischen Kontakte mit der EU. "Marokkos Regierung zeigt mit dieser Maßnahme, wie wenig Respekt sie gegenüber Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung hat", erklärte Delius. Denn es war weder die EU-Kommission, noch der Rat der Europäischen Union, sondern die europäische Gerichtsbarkeit, die das Königreich verärgert hatte. So hatte der Europäische Gerichtshof am 10. Dezember 2015 ein im März 2012 in Kraft getretenes Freihandelsabkommen über den Austausch von Agrarprodukten annulliert. Das höchste europäische Gericht hatte das Abkommen für ungültig erklärt, weil es die Westsahara mit umfasste, deren Status völkerrechtlich umstritten ist. Menschenrechtsorganisationen und zahlreiche Staaten gehen davon aus, dass sie völkerrechtswidrig von Marokko besetzt ist, so dass die Nutzung ihrer Ressourcen engsten Auflagen unterliegt.

Bei Müllers Gesprächen ging es auch um den Ausbau der Nutzung von Wind- und Sonnenenergie, an dem Deutschland bereits maßgeblich beteiligt ist. "Mit Sorge verfolgen wir, dass Marokko auch in der besetzen Westsahara neue Wind- und Sonnenenergie-Projekte mit Beteiligung deutscher Firmen plant", erklärte Delius.

Ob das von Deutschland versprochene Engagement bei der Berufsbildung die Migration verhindern kann, ist bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent fraglich. "Das Königshaus muss sich fragen lassen, was es selbst unternimmt, um Armut und Hoffnungslosigkeit zu bekämpfen. Kontrolliert König Mohammed VI. doch mit zahlreichen Holdings einen Großteil der Wirtschaft des Landes", sagte Delius. Nach dem Forbes-Magazin gilt er mit einem geschätzten Privatvermögen von 5,7 Milliarden US-Dollars als reichster Mann Marokkos.

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Quelle:
Pressemitteilung - Göttingen, den 27. Februar 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
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Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Februar 2016

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