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NAHOST/098: Dreiköpfige Mandäer-Familie in Bagdad ausgelöscht


Presseerklärung vom 11. September 2008

Dreiköpfige Mandäer-Familie in Bagdad ausgelöscht

Bundesregierung soll verantwortungsloses Verzögern der Aufnahme aufgeben!


Im Irak reißt die Kette der Übergriffe und Morde auf Angehörige der mandäischen Glaubensgemeinschaft nicht ab. Wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gestern aus Bagdad erfuhr, sind am Abend des 9. Septembers in der irakischen Hauptstadt wieder drei Angehörige einer mandäischen Familie ermordet worden. Der Juwelierladen der Familie wurde bei dem Überfall ausgeraubt und zerstört. Die unbekannten Täter ermordeten den Inhaber des Ladens Mahdi Abdulkarim Alkerbolli, dessen Bruder Kamel Abdelkarim Alkerbolli und den achtjährigen Sohn Ahmed Mahdi Abdelkarim.

Dieses Verbrechen reiht sich ein in eine lange Serie von Entführungen, Morden und Vergewaltigungen gegen Angehörige dieser ältesten religiösen Minderheit des Irak, die ihren Glauben auf Johannes den Täufer zurückführt. Um nur ein weiteres dieser Verbrechen zu benennen: Im Februar 2008 starben zehn Mitglieder einer mandäischen Familie bei einem gezielten Raketenangriff auf ihr Haus im Gebiet Alaza in Kut. Sie hatten zuvor Drohungen von Islamisten erhalten. Vor dem andauernden Terror und den Gewaltverbrechen an Angehörigen ihrer Glaubensgemeinschaft sind inzwischen etwa 25.000 der ehemals rund 30.000 Mandäer des Irak in die Nachbarländer geflüchtet. Die ältesten Gemeinschaften des Irak, die Mandäer und christlichen Assyrer-Chaldäer-Aramäer, befinden sich in existenzieller Gefahr. Einige hunderttausend leben meist verelendet als Flüchtlinge in arabischen Nachbarstaaten.

"Wir fordern die Bundesregierung und die Regierungsparteien der SPD und CDU auf, ihr verantwortungsloses Herauszögern der Aufnahme der verfolgten Christen und Mandäer des Irak aufzugeben", sagte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. "Es ehrt Sie, wenn Sie an die furchtbaren Verbrechen der Vergangenheit erinnern. Aber Sie werden völlig unglaubwürdig, wenn Sie daraus keine Konsequenzen für die Gegenwart ziehen. Das Sterben und Leiden dieser Minderheiten muss beendet werden. Deutschland sollte endlich den übrigen europäischen Ländern vorangehen und mindestens 30.000 der Flüchtlinge aufnehmen".

Im Übrigen ist kaum eine Bevölkerungsgruppe aus dem Nahen Osten so sehr geneigt und entschlossen, ihren Lebensmittelpunkt für immer in die Bundesrepublik Deutschland zu verlegen. Sowohl die Christen, als auch die Mandäer aus dem Irak, sind hoch motiviert und würden qualifizierte Fachkräfte mitbringen. Unabhängig davon, tritt die Gesellschaft für bedrohte Völker immer dafür ein, die Verfolgung einer Minderheit zum ersten Kriterium der Aufnahme zu machen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hatte seit 2007 kontinuierlich die Aufnahme von mindestens 30.000 Christen und Mandäern aus dem Irak mit unzähligen Appellen und Lobbygesprächen gefordert. Sie hatte es begrüßt, dass in diesem Jahr erstmals eine entsprechende Bereitschaft der Bundesregierung angekündigt wurde. Sie wartet jedoch bis heute vergeblich auf eine Entscheidung. In Deutschland leben heute 1.200 Personen mandäischer Herkunft und etwa 100.000 Angehörige der christlich assyro-chaldäisch-aramäischen Minderheiten als vollkommen integrierte Mitbürger.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 11. September 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2008