Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FAKTEN

FRAGEN/017: "Die Party wird nicht ohne Blockupy stattfinden" (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 15 vom 11. April 2014
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

"Die Party wird nicht ohne Blockupy stattfinden"

Aktivisten laufen sich warm für Proteste gegen Eröffnung der Europäischen Zentralbank
Interview mit Katharina Schwabedissen von Markus Bernhardt



UZ: Blockupy geht ins dritte Jahr: Vom 15. bis 25. Mai sollen europaweite Aktionstage gegen die Austeritätspolitik der Troika stattfinden. Was genau ist geplant?

Katharina Schwabedissen: Die Blockupy-Proteste waren bisher auf Frankfurt begrenzt. Hier hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Sitz. Die Proteste waren ein Zeichen, dass es auch im "Krisengewinnerland" Deutschland zivilen Ungehorsam gegen die Politik der Troika und der Europäischen Union und Solidarität mit den Betroffenen dieser Politik gibt. Im Mai überwindet dieser Protest Grenzen: In vielen Städten Europas wird es zwischen dem 15. und 25. August Aktionen, Demonstrationen, Versammlungen und Veranstaltungen zur Politik der EU und der Troika geben. Demokratie bedeutet für uns deutlich mehr als alle paar Jahre ein Kreuz zu machen und Stellvertretungen zu wählen. In Deutschland ruft Blockupy in diesem Rahmen zu zentralen Aktionen am 17. Mai in Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart auf. In allen vier Städten wird es kreativ, ungehorsam und widerständig werden.

UZ: Ist in diesem Jahr auch eine neuerliche Umzingelung der Europäischen Zentralbank (EZB) geplant?

Katharina Schwabedissen: Im Herbst soll die feierliche Eröffnung des Neubaus der EZB in Frankfurt stattfinden. Die EZB rückt bisher nicht mal das Datum raus. Da wird Blockupy doch die Pläne zur Party jetzt nicht über die UZ verbreiten. Aber im Ernst: Diese Party der Reichen und ihrer Handlanger wird nicht ohne uns stattfinden. Es gibt Planungen, die unterschiedliche Konzepte und Ideen vorsehen. Im Moment konzentrieren wir uns auf die Aktionstage im Mai. Ich bin aber sicher, dass bei dem Versuch der Eröffnung der EZB im Herbst das Juwelengeklapper untergehen wird im Konzert von Aktionen zivilen Ungehorsams - Blockupy 2014 halt. Das Ziel ist vor allem auf die Folgen der Krisenpolitik aufmerksam zu machen, aber auch deutlich zu sagen: Ihr seid nicht ungestört! Wo immer ihr meint Euch feiern zu können, sind wir da und sagen: Ihr habt nichts zu feiern, Eure Politik tötet täglich Menschen und zwar überall in der Welt.

UZ: Und wie lauten Ihre Antworten auf die Krise und den stetig voranschreitenden politischen Rechtsruck in der EU?

Katharina Schwabedissen: In unserem Aufruf heißt es: "Die Politik der Krisenverschärfung ist der Boden, auf dem rechte oder faschistische Parteien wachsen und gedeihen. Sie benennen nicht die Ursachen der Krise und ihre Folgen, sondern hetzen Menschen gegeneinander auf. Sie wollen neue Grenzen, rassistische Spaltungen, antisemitische Stimmungsmache, Ausgrenzung, Repression und Gewalt. Das sind keine Lösungen, sondern Verschärfungen der Probleme. In unseren Reihen ist kein Platz für solche Forderungen, solches Denken, solches Handeln." Unsere Antwort auf autoritäre Antworten auf die Krise des Kapitalismus von Rechts sind ziviler Ungehorsam, Solidarität und antikapitalistische Alternativen von unten - über Grenzen hinweg.

UZ: Im Juni des letzten Jahres wurde die Großdemonstration von Blockupy in Frankfurt am Main von der Polizei angegriffen und verhindert. Rechnen Sie bei den anstehenden Aktionstagen erneut mit derart massiver Gewalt??

Katharina Schwabedissen: Wir erleben weltweit eine Zunahme von Protesten und eine Zunahme von Gewalt und Repressionen gegen Proteste. Natürlich ist auch den Herrschenden klar, dass sie ihre Ausbeutungspolitik auf Dauer nicht mit der Zustimmung der Mehrheit der Menschen, die davon betroffen sind, über die Bühne bringen. Da brauchen sie Instrumente, die Angst vor Gegenwehr erzeugen. Der Kessel im letzten Jahr war ein klassisches Beispiel: Es wurde vor allem der Block hinter dem Kessel angegriffen. Hier waren viele Kinder und Leute, die überhaupt nicht mit Angriffen rechnen konnten. Ich gehe nicht davon aus, dass es im Herbst anders aussehen wird. Die Polizei weigert sich beharrlich zu einem öffentlichen Gespräch mit Blockupyvertrerinnen und -vertretern. Bisher gab es kein einziges Wort des Bedauerns von Seiten der Verantwortlichen. Die Prozesse laufen: Und zwar nicht gegen diejenigen, die mit Kampfgas Menschen verletzt und andere stundenlang im Kessel gefangengehalten haben, sondern gegen die Demonstrierenden, die ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen wollten. Der Widerspruch heißt: Sie wollen Kapitalismus ohne Demokratie! Wir wollen Demokratie ohne Kapitalismus.

UZ: Sie haben sich in der Vergangenheit an der Mobilisierung feministischer Gruppen zu den Blockupy-Protesten engagiert. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Feminismus und Antikapitalismus?

Katharina Schwabedissen: Wir alle kennen die Rede von der Doppelbelastung der Frauen durch Kinder und Beruf. Das ist Unfug. Die Doppelbelastung von Frauen heißt Kapitalismus und Patriarchat. Aber in der Rede von der Mehrfachbelastung steckt natürlich ein wahrer Kern. Alles, was mit Reproduktion zu tun hat, wird im Kapitalismus an den Rand gedrängt und steht im Schatten. Im Kapitalismus steht im Mittelpunkt allen Handelns der Profit weniger und nicht das Leben aller. Die Sorge und Fürsorge um das Leben wird auf uns Frauen abgeschoben - schon Jahrhunderte lang und schon bevor es Kapitalismus gab. In der Krise des Kapitalismus verschärft sich diese permanente Krise der Reproduktion. Das zeigt sich in den südeuropäischen Ländern durch das Absinken der Geburtenrate, den Zusammenbruch des Gesundheitssystems, den Anstieg der Selbsttötungen. Das ist aber kein begrenztes Phänomen. Wir erleben das auch hier bei uns im angeblichen Krisengewinnerland. Unser Gesundheitssystem gelangt in der Pflege - vor allem der Altenpflege - an ihre Grenzen. Die großen Massenproteste der letzen Jahre waren Proteste von Erzieherinnen und Pflegenden. Die feministische Antwort auf die Krise des Kapitalismus ist einfach: Das Leben in den Mittelpunkt des Handelns stellen und Politik von unten gestalten. Rosa Luxemburg nannte das revolutionäre Realpolitik. Ohne diese Perspektive wird es keine Antwort auf die Krise geben.

UZ: Also wird es auch bei den anstehenden Kundgebungen und Demonstrationen einen feministischen Bezug geben?

Katharina Schwabedissen: Es wird am 17. Mai beim zentralen Aktionstag in Deutschland in allen vier Städten feministische Mobilisierungen und Aktionen geben. In Düsseldorf sind Aktionen zur Situation in der Bekleidungsindustrie geplant und ein Demoblock unter dem Motto "Chic im schwarzen Block". Letzteres ist eine Antwort auf den Versuch der Polizei im letzten Jahr durch den Kessel die "guten Demonstrierenden" im bunten Block gegen die "bösen Demonstrierenden" im schwarzen Block auszuspielen. Das ist schon damals nicht gelungen, es wird auch weiterhin nicht gelingen. Wir lassen uns nicht spalten und wir werden uns weiterhin gegenseitig und gemeinsam gegen Angriffe wehren. Das Leben in den Mittelpunkt zu stellen und zu schützen, ist bei immer mehr Demonstrationen nicht mehr abstrakt, sondern ganz konkret.

www.blockupy.org

*

Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 46. Jahrgang, Nr. 15 vom 11. April 2014, Seite ...
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
Telefon 0201 / 22 54 47
E-Mail: redaktion@unsere-zeit.de
Internet: www.unsere-zeit.de
 
Die UZ erscheint wöchentlich.
Einzelausgabe: 2,80 Euro
Jahresbezugspreise:
Inland: 126,- Euro, Ausland: 130,-
Ermäßigtes Abo: 72,- Euro
Förder-Abonnement: ab 150 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2014