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INTERNATIONAL/139: Japan - Proteste gegen US-Militärpräsenz auf Archipel Okinawa (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. November 2012

Japan: Sexueller Missbrauch und Umweltgefahren - Proteste gegen US-Militärpräsenz auf Archipel Okinawa

von Suvendrini Kakuchi



Tokio, 27. November (IPS) - Auf Okinawa, der größten von 60 subtropischen Inselgruppen im äußersten Süden Japans, ist nach einem bilateralen Abkommen über Sicherheitszusammenarbeit der größte Teil der insgesamt 47.000 im Land befindlichen US-Soldaten stationiert. Die Bewohner des Archipels verlangen jedoch aus Sicherheits- und Umweltgründen die komplette Räumung des Stützpunktes.

Wie Chobin Zukeran, Mitglied des japanischen Abgeordnetenhauses, erläutert, ist Okinawa für die USA vor allem deshalb interessant, weil sich der Archipel in Richtung Taiwan in den Pazifik auffächert und somit ein wichtiges Bollwerk für US-amerikanische Militärstrategen darstellt, die Chinas Macht in Grenzen halten wollen.

Die etwa 14.000 Einwohner der Inselgruppe stellen sich jedoch schon seit Längerem gegen die fremde Militärpräsenz auf ihrem Territorium. In der Region kam es gegen Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 zu der einzigen blutigen Bodenschlacht zwischen Japan und den USA, die zuvor in dem Land einmarschiert waren.

Seit die Inseln 1972 wieder an Japan zurückgegeben wurden, fordern mehr als 90 Prozent der Bevölkerung den vollständigen Abzug der US-Truppen. Sie begründen dies mit der Sorge um ihre persönliche Sicherheit, mit der Lärmbelästigung und Umweltverschmutzung. Die Stützpunkte nehmen 18 Prozent der Landfläche der Inselgruppe ein.

Nachdem US-Militärangehörige in der jüngeren Vergangenheit in eine Reihe von Zwischenfällen auf Okinawa verwickelt waren, hat sich der Widerstand zu einem offenen Protest gesteigert. Der Unmut der Inselbewohner droht nun die Pläne der USA zu durchkreuzen, ihre Militärpräsenz in der Asien-Pazifik-Region weiter auszubauen.


Proteste in der Bevölkerung nehmen zu

Am 7. November wurden Christopher Browning und Skyler Dozierwalker beschuldigt, Mitte Oktober eine einheimische Frau vergewaltigt und misshandelt zu haben. In der Bevölkerung sorgte dieser Vorfall für große Empörung. "Okinawas Kampf gegen die US-Militärbasen nähert sich einem Wendepunkt. Wir sind darauf vorbereitet, unsere Forderungen in Washington vorzubringen, um die Pattsituation zu beenden", sagte Zukeran.

In der Vergangenheit mussten die Menschen auf Okinawa frustriert zur Kenntnis nehmen, dass US-Soldaten bei ähnlichen Übergriffen straffrei blieben. Nachdem 1995 drei Militärangehörige ein zwölfjähriges Mädchen missbraucht hatten, einigten sich die USA und Japan darauf, die Zahl der US-Truppen auf Okinawa zu reduzieren. Den Unmut der Bevölkerung konnte dies allerdings nicht besänftigen.

"Die Vergewaltigungen sowie ein verzerrtes Verständnis von Gerechtigkeit, was Verbrechen von US-Soldaten anbelangt, sind die schlimmste Form von Gewalt gegen Frauen", sagte Ryuchi Hattori, ein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, die traditionell den politischen Protest gegen die US-Basen angeführt hat.

Nach Aufzeichnungen der japanischen Polizei haben US-Soldaten seit 1972 auf der Inselgruppe etwa 6.000 Verbrechen begangen, darunter Vergewaltigungen und andere Gewalttaten. Zu den Opfern gehört die Australierin Catherine Fisher, die 2002 von einem Angehörigen der US-Marine sexuell missbraucht wurde. Der Mann war auf einem Schiff auf der US-Marinebasis Yokosuka, 64 Meilen südlich von Tokio, stationiert. Fisher war eine der ersten Frauen, die öffentlich über die ihr zugefügte Gewalt sprachen.

Die Australierin wandte sich im September an die US-Behörden, nachdem der Angreifer ehrenhaft aus den Streitkräften entlassen worden war. Dabei hatte ihn ein Gericht in Tokio 2004 für schuldig befunden und zu Schadenersatz verurteilt. "Ich war entschlossen, Recht zu erhalten und gegen ein völlig unfaires System vorzugehen", erklärte Fisher. "Straftäter sind von Rechts wegen geschützt, wenn sie US-Soldaten sind. Das muss sich ändern."

Fisher reist zurzeit durch das ostasiatische Land, um Unterstützung für ihre Forderung zu suchen, die Vergewaltiger in Japan vor Gericht zu stellen. Sie bemüht sich darum, ein rund um die Uhr geöffnetes Krisenzentrum zu eröffnen, das sich speziell mit Verbrechen von US-Soldaten befassen soll.


US-Soldaten schwängern Japanerinnen

Japaner protestieren auch gegen andere Übergriffe von US-Soldaten, die in Scharen die Nachtclubs in Okinawa aufsuchen. Masayo Hirata, die früher Frauen beraten hat, erklärte, dass Paarbeziehungen zwischen US-Soldaten und Einheimischen keine Seltenheit seien. Oftmals blieben die Frauen mit Kindern allein zurück, wenn die Männer wieder in die USA zurückkehrten.

In diesen Beziehungen sehen Gruppen aus Akademikern, Anwälten und Politikern, die gegen den Verbleib der US-Truppen in Okinawa angehen, einen gewichtigen Grund des Problems. Auch in anderen Staaten der Region wie etwa den Philippinen, in denen US-Soldaten stationiert sind, wird ihnen eine sexuelle Ausbeutung von Frauen vorgeworfen.

Öffentliche Proteste zwangen den Senat der Philippinen 1991 dazu, gegen eine Verlängerung des Pachtvertrages mit den USA für den Stützpunkt Clark in der Stadt Angeles zu stimmen. Viele Menschen in Okinawa sahen sich durch diese Entscheidung in ihrem Widerstand bestärkt.

Südkorea, das sich offiziell im Krieg mit Nordkorea befindet, beherbergt auf seinem Territorium etwa 37.000 US-Soldaten. Der brutale Mord an einer einheimischen Frau 1992, die in einem Vergnügungsbetrieb in der Nähe von US-Militärbasen gearbeitet hatte, rief jedoch auch dort Forderungen nach einem Abzug der Truppen hervor.

Wie die japanischen Zeitungen 'Mainichi Shimbun' und 'Ryukyu Shimbun' 2010 in einer Umfrage ermittelten, halten 71 Prozent der Bewohner von Okinawa den Verbleib der US-Truppen für nicht notwendig. 41 Prozent sprachen sich für eine Räumung der Stützpunkte aus.


Schädigung von Korallenriffen befürchtet

Auch kommt es zu Protesten über die ökologischen Folgen der US-Truppenpräsenz. Friedliche Sitzblockaden gegen einen geplanten Hubschrauberlandeplatz nahe dem nordöstlichen Küstendorf Henoko wurden mit Gewalt aufgelöst. Im Verbund mit japanischen Umweltgruppen protestierten die Einheimischen gegen eine mögliche Schädigung der Korallenriffe vor der Küste. Zudem befürchten sie Abstürze von US-Kampfflugzeugen, die überdies ohrenbetäubenden Lärm verursachen. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2012