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MUMIA/665: Der Terror ist Programm (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne # 730
Der Terror ist Programm

Die Polizei verfolgt bei der Anwendung rassistischer Gewalt nur ein Ziel, nämlich Angst und Schrecken unter Schwarzen zu verbreiten

von Mumia Abu-Jamal, Dezember 2014



In den vielen Demonstrationen, die jetzt tagtäglich die USA von Küste zu Küste erschüttern, spiegelt sich gut sichtbar und unüberhörbar laut der tiefsitzende Zorn über die lange und blutige Spur des Terrorismus wider, mit dem die Polizei gegen die schwarze Bevölkerung vorgeht. Wer meine bisherigen Kolumnen gelesen hat, der weiß, dass ich diese Gewalt schon immer nicht nur als »Brutalität« bezeichnet habe, sondern als das, was sie ist: Terrorismus. Die Polizei verfolgt bei der Anwendung dieser Gewalt nur ein Ziel, nämlich Angst und Schrecken unter Schwarzen zu verbreiten. Nichts anderes war seit jeher der Beweggrund des weißen Terrors, wie ihn in der Vergangenheit der Ku-Klux-Klan ausübte, indem er schwarze Männer, Frauen und Kinder lynchte.

Die Proteste der jungen Leute überall im Land sind beeindruckend. Wir dürfen darüber jedoch nicht vergessen, dass der Polizeiterror, wie er in den letzten Monaten die afroamerikanischen Gemeinden heimsuchte, nichts Neues ist. Bereits vor 45 Jahren, genauer am 4. Dezember 1969, stürmten Cops in der Morgendämmerung ein Haus in der Monroe Street in Chicago, Illinois, in dem junge Black Panthers wohnten. Unter ihnen Fred Hampton, der Vizevorsitzende der Chicagoer Ortsgruppe der Black Panther Party. Als die mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten die Wohnungstür aufbrachen, erschossen sie zuerst den aus Peoria, Illinois, stammenden 22jährigen Mark Clark. Nur Sekunden später ermordeten sie den 21jährigen Fred Hampton, der neben seiner hochschwangeren Frau Deborah Johnson im Bett lag und schlief. Mark und Fred waren sofort tot, sieben weitere Panthers wurden ebenfalls in ihren Betten von Polizeikugeln getroffen und schwer verletzt. Kein einziger der Polizisten, die an diesem gezielten Überfall beteiligt waren, wurde jemals unter Anklage, geschweige denn vor Gericht gestellt.

Im nächsten Mai jährt sich zum dreißigsten Mal die Belagerung des »Move«-Hauses in der Osage Avenue in Westphiladelphia. Die Polizei warf damals eine Bombe aus einem Hubschrauber auf das Dach des Hauses und tötete sechs Männer und Frauen und fünf Kinder, allesamt Mitglieder der schwarzen Naturalistengruppe »Move«. Elf Menschen wurden durch das Feuer oder durch Polizeikugeln getötet, und zwei komplette Blocks Reihenhäuser verwandelten sich in rauchende Trümmer. Aber auch hier wurde kein einziger der beteiligten Polizisten jemals unter Anklage gestellt. Statt dessen zerrte man Ramona Africa vor Gericht, die einzige Überlebende aus dem »Move«-Haus. Sie wurde nach kurzem Prozess wegen »Aufruhrs« zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, die sie bis auf den letzten Tag absitzen musste.

Die Bewegung, die sich heute gegen den Polizeiterror richtet, ist wirklich äußerst beeindruckend, aber Widerstand gibt es nicht erst seit gestern, weil auch der Terror in unseren Straßen schon seit Jahrzehnten existiert. Es geht bei der momentanen Auseinandersetzung nicht um die immer wieder zitierten Metaphern von den »faulen Äpfeln« oder »zerbrochenen Fensterscheiben« (»Rotten apples« bezeichnen korrupte Beamte im Polizeidienst, die man nach Meinung einiger Politiker einfach nur entfernen müsste und alles würde gut. Die »Broken windows«-Theorie stammt aus der New Yorker »Null-Toleranz«-Phase unter Bürgermeister Ed Koch. Sie geht davon aus, dass die Verwahrlosung eines Hauses mit einer zerbrochenen Scheibe anfängt, und wenn man sie nicht sofort repariert, würde Verwahrlosung und Ausbreitung der Kriminalität Vorschub geleistet; jW-Redaktion). Es geht dem Staat bei seinen Maßnahmen vielmehr darum, eine breite Freiheitsbewegung abzublocken und sein Repressionssystem aufrechtzuerhalten.


Copyright: Mumia Abu-Jamal 2014
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser

Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 290 vom 15. Dezember 2014

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
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E-Mail: ivk(at)freedom-now(dot)de
Internet: www.freedom-now.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2014


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