Schattenblick → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → FAKTEN


MUMIA/695: Es geht um Mumias Leben (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 11.5.2015

Es geht um Mumias Leben
Ärzte, die Abu-Jamal nicht behandeln dürfen, fordern seine Freilassung

Von Jürgen Heiser


Wegen seiner ernsthaften Erkrankung müsse der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal »aus humanitären Gründen sofort aus der Haft entlassen werden«. Das forderte auf einer Pressekonferenz in New York am vergangenen Donnerstag Dr. Joseph Harris, Sprecher der externen Mediziner, die das Vertrauen Abu-Jamals genießen. »Lebenslange Haft ohne Bewährung halte ich grundsätzlich für Folter«, sagte Harris. Angesichts des prekären Zustands Abu-Jamals könne es eine wirkliche Heilung nur außerhalb des Gefängnisses geben. Er setze sich deshalb zusammen mit Kollegen für dessen Freilassung ein.

Trotz der in den USA und Europa vielstimmig erhobenen Forderung, Abu-Jamals Untersuchung durch diese Ärzte zuzulassen, blockieren die Justizbehörden Pennsylvanias deren Besuch bei dem Langzeitgefangenen. »Nicht einmal zu Mumias Krankenakte erhalten wir Zugang«, erklärte Harris. Telefonate mit dem medizinischen Personal des Mahanoy-Gefängnisses seien ihnen erlaubt - »mehr aber auch nicht«. Für eine gründliche Diagnose des Diabetes und des Hautekzems sei jedoch die direkte Untersuchung Abu-Jamals vor Ort unerlässlich. Der frei praktizierende Harris betreut Insassen des New Yorker Gefängnisses Rikers Island und nimmt an Einsätzen von »Ärzte ohne Grenzen« teil. Wenn er sehe, was derzeit mit Abu-Jamal geschehe, könne er nur sagen: »Das ist entweder Vernachlässigung, Inkompetenz des Personals oder Absicht der Behörden.«

Die Kritik an der medizinischen Unterversorgung von Insassen im US-Gefängnissystem griff auch Estelle Vasquez von der »1199: The National Health Care Workers' Union« auf. Ihre Gewerkschaft des medizinischen Pflegepersonals mit 400.000 Mitgliedern in mehreren Ostküstenbundesstaaten der USA trete dagegen auf und stehe »solidarisch zu Mumia und der Forderung nach Zulassung seiner Vertrauensärzte«.

Noelle Hanrahan von Prison Radio erläuterte anhand der dramatischen Situation Ende März auf der Intensivstation des Schuylkill-Hospitals in Pottsville ihr seitdem vordringliches Motto, »Mumias Situation genau im Auge zu behalten«. Das sei absolut notwendig, weil die medizinische Versorgung in Pennsylvanias Haftanstalten völlig in die Hände von Privatfirmen wie der Wexford Company gelegt sei. Selbst Anstaltsärzte, die etwas für die Gefangenen tun wollen, würden daran gehindert, indem diese Firmen notwendige Tests und Blutanalysen aus Kostengründen ablehnten. Hanrahan hob hervor, mit den bislang gesammelten 50.000 US-Dollar Spenden sei der Einsatz der externen Ärzte gesichert. Nun müsse der Druck verstärkt werden, dass sie ihre Arbeit auch endlich aufnehmen könnten.

Diese Bemühungen würden auch in Frankreich unterstützt, erklärte die Journalistin Juliette Seydi als Repräsentantin der Gemeinde St. Denis nördlich von Paris. Dort trägt nach der 2003 erfolgten Ernennung Abu-Jamals zum Ehrenbürger von Paris seit April 2006 eine Straße seinen Namen. Heute gebe es in St. Denis zahlreiche Proteste gegen seine Nichtbehandlung. »Unser Kampf gegen Rassismus bei uns ist auch Mumias Kampf«, erklärte Seydi, »wir fordern deshalb seine Freilassung, damit er persönlich an der Feier zum zehnten Jahrestag der Namensgebung seiner Straße teilnehmen kann«.

Es sei »kein Zufall, dass Mumia als gefährlich betrachtet« werde, sagte Cornel West, emeritierter Professor und gegen Polizeigewalt rühriger Aktivist, »weil sein Widerstandsgeist in den Protesten von Ferguson bis Baltimore« sichtbar werde. Der »Bruder Mumia« werde »als so gefährlich angesehen und angegriffen wie einst die >Black Panther Party< und Martin Luther King«. Deswegen könne es nur ein deutliches »Yes!« dazu geben, »sein Leben zu retten«.

Diesen Aufruf richteten auch Suzanne Ross und Pam Africa für die Mumia-Komitees und die anwesenden Ex-Panthers Jamal Joseph, Charles Barron und Larry Holmes an die Öffentlichkeit. Am 14. April, dem Aktionstag gegen Polizeigewalt, sei auf 30 Demonstrationen von »Black Lives Matter« auch eine angemessene medizinische Versorgung Abu-Jamals gefordert worden, so Holmes.

http://www.jungewelt.de/2015/05-11/027.php

*

Quelle:
junge Welt vom 11.05.2015, Seite 6
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
Überregionale Tageszeitung junge Welt
Torstraße 6, 10119 Berlin
Telefon: 030/53 63 55-0; Fax: 030/53 63 55-44
E-Mail: redaktion@jungewelt.de
Internet: www.jungewelt.de
 
Einzelausgabe: 1,40 Euro (Wochenendausgabe 1,80 Euro)
Abonnement Inland: monatlich 33,90 Euro
Sozialabo: monatlich 25,90 Euro
Solidaritätsabo: monatlich 43,90 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang