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MUMIA/698: Blindwütiges Sperrfeuer (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne # 754
Blindwütiges Sperrfeuer

Mumia Abu-Jamal hat sich trotz seiner Erkrankung wieder zu Wort gemeldet. Er fragt: Was ist in den USA heute noch das Leben eines Schwarzen wert?

von Mumia Abu-Jamal, Mai 2015


Mumia Abu-Jamal hat sich wieder zu Wort gemeldet, obwohl er immer noch sehr krank ist. Seine medizinische Behandlung wird von der US-Justiz hintertrieben, und seine Vertrauensärzte dürfen ihnen nach wie vor nicht auf der Krankenstation des Mahanoy-Gefängnisses besuchen.

Die US-Aktivistin Angela Davis, selbst als Kommunistin von 1970 bis 1972 politische Gefangene unter Kaliforniens Gouverneur Ronald Reagan, hat deshalb nach ihrem jüngsten Berlin-Besuch einen Aufruf für Mumia Abu-Jamal veröffentlicht. Darin knüpfte sie an die Kampagne an, mit der Hunderttausende Kinder und Jugendliche der DDR ihr selbstgemalte Rosen auf Postkarten schickten, die »1972 zu einem der Schlüssel wurde, die meine Gefängniszelle öffneten«, wie Angela Davis jetzt schrieb.

Ihr aktueller Aufruf endet: »'Eine Million Rosen für Angela'« begann in Berlin - und von Berlin aus beginnen wir jetzt unsere neue Kampagne: Überflutet den Gouverneur Pennsylvanias mit Freiheitspostkarten für Mumia. Gouverneur Tom Wolf in Pennsylvania hat die Macht, Mumia die Freiheit zu gewähren - und genau das fordern wir von ihm!« (jh) 

Der Aufruf: http://bring-mumia-home.de/Schreibt_Postkarten.html


Blindwütiges Sperrfeuer

In Cleveland im US-Bundesstaat Ohio fährt ein Mann zusammen mit seiner Begleiterin eine Straße entlang. Plötzlich zerreißen Polizeisirenen die Stille der Nacht, und der Schreck fährt dem Mann hinter dem Steuer in die Glieder. Er drückt das Gaspedal voll durch, weil er hofft, dem Wahnsinn noch entgehen zu können, der sich vor seinem inneren Auge abzeichnet. Aber für das, was dann passiert, reicht auch seine Phantasie nicht aus., denn innerhalb der nächsten Minuten werden er und seine Beifahrerin von den Salven von 13 Polizisten mit insgesamt 137 Schüssen durchlöchert. Timothy Russell und Malissa Williams sind auf der Stelle tot.

Dieser Vorfall ereignete sich im November 2012. Am vergangenen Samstag sprach ein Richter in Cleveland den weißen Polizeibeamten Michael Brelo vom Vorwurf des Totschlags an dem afroamerikanischen Paar frei. Brelo hatte damals 49 Schüsse aus seiner halbautomatischen Waffe auf den Wagen gefeuert, 15 Schüsse davon gab er aus nächster Nähe auf die bereits von zahlreichen Projektilen getroffenen Körper der beiden Insassen ab, nachdem er auf die Motorhaube gesprungen war.

137 Schüsse, abgefeuert auf das Auto von zwei unbewaffneten Menschen, »ausgelöst durch Fehlzündungen des Autos«, die von den Polizisten für Schüsse aus einer Waffe gehalten wurden. Doch das blindwütige Sperrfeuer der Uniformierten war »völlig legal« und »gerechtfertigt«, denn bei den beiden Opfern rassistischer Polizeigewalt wurden hinterher »Spuren von Drogen im Blut« gefunden, wie Richter John O'Donnell anmerkte. Sie waren somit vogelfrei. 137 Schüsse - das ist schon okay, nicht der Rede wert. »Jungs sind eben Jungs«, und was ist das Recht schon anderes als eine Meinung, egal ob ein Richter es spricht oder irgendwer sonst?

Als bei den Protesten nach rassistischer Polizeigewalt in Ferguson, Missouri, schwarze Jugendliche skandierten »Black lives matter« - »Schwarze Leben zählen« -, war das mehr Wunsch als Wirklichkeit. Das hatte alle längst begriffen. Auch angesichts des Kalten Kriegs der Justiz ist der Slogan nichts als eine bittere Hoffnung, denn in Cleveland wurde uns erneut gezeigt, dass ein schwarzes Leben hier und heute keinen Cent wert ist.


Copyright: Mumia Abu-Jamal 2015
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 123 vom 30./31. Mai/1. Juni 2015

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
Postfach 150 323, 28093 Bremen
E-Mail: ivk(at)freedom-now(dot)de
Internet: www.freedom-now.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2015

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