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MUMIA/701: Lasst ihn endlich frei! (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 22.6.2015

Lasst ihn endlich frei!

USA: Mumia Abu-Jamal leidet auf Gefängniskrankenstation noch immer unter mangelhafter Behandlung

Von Jürgen Heiser


In der gerade erschienenen Mitgliederzeitung publik Nr. 04 der Gewerkschaft ver.di bricht der Hamburger Gewerkschafter Rolf Becker eine Lanze für den politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal. »Lasst Mumia endlich frei!« fordert der Schauspieler von US-Justiz und -Politik. Becker tritt seit Jahrzehnten unermüdlich für Freiheit und Leben des seit 34 Jahren zu Unrecht inhaftierten Kollegen ein. Im September 2009 hatte er ihn im Gefängnis besucht, damals noch im Todestrakt, aus dem der Druck der internationalen Solidaritätsbewegung Abu-Jamal befreite. Allerdings wurde die Todesstrafe gegen ihn 2011 in lebenslange Haft umgewandelt. In publik beschreibt Becker eindringlich, dass Abu-Jamal nun auch ohne Todesurteil sterben könnte - Grund sei »die lebensbedrohende Verschlechterung seiner durch die langjährige Haft angegriffenen Gesundheit« und die unzulängliche medizinische Versorgung auf der Krankenstation des Mahanoy-Gefängnisses in Pennsylvania.

»Wir können davon ausgehen, dass fast alles, was mit den Inhaftierten - ob hierzulande oder in den US-Gefängnissen - geschieht, kontrolliert und auf Anweisung ausgeführt wird«, stellt Becker klar. »Auch was unterlassen wird, ist in der Regel beabsichtigt.« Was Gefangenen geschehe, »ob als sklavengleiche Arbeitskräfte innerhalb der USA, in Lagern wie Abu Ghraib oder Guantanamo oder als Ausgelagerte in Foltereinrichtungen gefügiger Regime«, sei nicht Zufall, sondern gewollt und systembedingt, so Becker. »Wir müssen sagen, dass gefoltert wird, weil die Eigentumsverhältnisse bleiben sollen«, zitiert er Bertolt Brecht. Die »Geschäfte des Kapitalismus« seien »nun in verschiedenen Ländern (ihre Zahl wächst) ohne Rohheit nicht mehr zu machen«.

Gegen diese Rohheit setzt Becker die Hoffnung auf die Gewerkschaftssolidarität »für den Journalisten und Gewerkschafter und damit unseren Kollegen Mumia Abu-Jamal«, der in den USA der United Automobile Workers (UAW) Union angehört, in der auch Journalisten und Schriftsteller organisiert sind. »Lebte er in Deutschland, wäre er Mitglied unserer Gewerkschaft ver.di«, weiß Becker. Im Landesbezirk Berlin-Brandenburg der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di ist Abu-Jamal schon seit vielen Jahren Ehrenmitglied. »Wie wäre es«, fragt Becker mit Verweis auf die Stadt Paris, die den schwarzen Aktivisten 2003 zum Ehrenbürger ernannt hat, »wenn wir ihm die Ehrenmitgliedschaft der gesamten Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft antragen?«

Ein solcher Schritt gewerkschaftlicher Entschlossenheit würde Abu-Jamal sicher nicht schlagartig gesund machen, aber er würde es seinen Peinigern schwerer machen, ihm weiterhin Besuche seiner externen Vertrauensärzte zu verweigern. Wie notwendig die Intervention dieser Mediziner ist, wurde der US-Hochschulprofessorin Johanna Fernandez bestätigt, als sie Abu-Jamal am 13. Juni ein weiteres Mal im Mahanoy-Gefängnis besuchte. Zwar konnte sie sich davon überzeugen, dass Abu-Jamal geistig in guter Verfassung ist und mit ihm »über das reden, was in der Welt vor sich geht«. Diese »good spirits«, in denen Fernandez Abu-Jamal antraf, erklären auch, warum jW heute eine weitere Kolumne von ihm veröffentlichen kann, die er unter den widrigen Bedingungen der Krankenstation verfasst hat. Aber eine medizinische Therapie, so stellte die Besucherin fest, die Abu-Jamals schlechten Allgemeinzustand, seinen Diabetes und das nicht genau diagnostizierte Hautekzem, das seinen ganzen Körper bedeckt, heilen könnte, sei nicht erkennbar. Dick angeschwollene Füße und Zehen und wegen offener Hautläsionen bandagierte Beine zwingen ihn immer noch in den Rollstuhl. Er solle noch »mindestens bis Ende Juni auf der Krankenstation bleiben«, vermutet Abu-Jamal. Aber wozu? Nicht einmal Krankenkost bekommt er, und Hofgang mit ein paar Sonnenstrahlen gab es für ihn seit Januar nicht mehr. »Mumia hat einen Anschlag auf seine Gesundheit überlebt, ist jedoch immer noch sehr krank und muss endlich von Fachärzten behandelt werden«, die seit Wochen auf ihren Einsatz warten, fordert Fernandez. Letztlich gehe es aber darum, »ihn nach Hause zu bringen«.

http://www.kurzlink.de/Becker-Artikel


http://www.jungewelt.de/2015/06-22/026.php

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Quelle:
junge Welt vom 22.06.2015, Seite 6
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2015

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