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MUMIA/708: Treibsatz für Trumps Scheitern (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne # 764
Treibsatz für Trumps Scheitern

In den USA haben die Verfechter von Fremdenfeindlichkeit gegen Immigranten aus Lateinamerika im potentiellen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump eine Stimme gefunden

von Mumia Abu-Jamal, August 2015


Als der New Yorker Milliardär und parteilose Präsidentschaftskandidat Donald Trump jüngst seine Hetztiraden gegen mexikanische Migranten vom Stapel ließ, setzte er eine seit langem bekannte politische Technik ein und griff voll in die Mottenkiste US-amerikanischer Ressentiments gegenüber dem »Anderen«.

Heute sind Latinos diese Fremden. Präziser: es sind jene, die den Grenzzaun zwischen Mexiko und den USA überwinden, Flüchtline aus Mexiko, El Salvador, Guatemala, Honduras und anderen Herkunftsländern. Schon im 19. Jahrhundert haben Politiker die Furcht vor Menschen geschürt, die aus dem Ausland in die USA strömten. Damals waren Juden aus Russland und Katholiken aus Irland, Italien und anderen europäischen Ländern Zielscheibe des Hasses von Kräften, die mehrheitlich Protestanten waren. Sie wurden zu Geburtshelfern der »American Party«, einer erbittert gegen katholische Immigranten kämpfenden Gruppierung, die allgemein als die »Know Nothings«, die »Nichtswisser-Partei« bekannt wurde. (Ihre Mitglieder schworen den Eid, in der Öffentlichkeit keine Geheimnisse über die Partei preiszugeben, sondern bei Fragen zu antworten: »Ich weiß von nichts«; jW). Im Präsidentschaftswahlkampf von 1856 schickte die »American Party« erfolglos ihren Kandidaten Millard Fillmore ins Rennen.

Zur Problematik des Fremdenhasses schrieb der US-Historiker Richard J. Hofstadter in seinem 1964 veröffentlichten Klassiker »The Paranoid Style in American Politics« (dt. »Der paranoide Stil in der amerikanischen Politik«), dass ein Großteil der Energie, die von Kräften aufgebracht wird, die Immigranten gegenüber feindlich gesinnt sind, ihre Ursache in dem hat, was man als »Angst vor Statusverlust« bezeichnen könnte. Diese Angst hat mit der starken Verunsicherung dieser Menschen zu tun, die sich ihres Platzes in der US-amerikanischen Gesellschaft nicht sicher sind und mit Fingern auf Immigranten zeigen, die in der Gesellschaft eine noch schwächere Position innehaben.

Diese von Ängsten getriebenen Gruppierungen fühlen sich in ihrem Verhältnis zu den gesellschaftlichen Eliten oft zwischen Angst und Bewunderung hin- und hergerissen. Und wer gehörte in den USA mehr zur Elite als die Superreichen? Man schaue sich nur das Spektakel um den Immobilien-Tycoon Donald Trump an, der höchstwahrscheinlich der reichste Mann ist, der sich in den USA je um das Amt des Präsidenten beworben hat, und der jetzt den großen Populisten mimt. Dass er in der Kandidatenkür für die Republikanische Partei in Umfragen vorn liegt, macht mir nicht allzu große Sorgen. Im Wahljahr 2012 waren Presse und Meinungsforscher schon einmal stolz auf einen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und jubelten ihn hoch. Ihr damaliger »Überraschungskandidat« in den Vorentscheidungen seiner Partei war Herman Cain, ehemals Chef der Restaurantkette »Godfather's Pizza« und glühender Anhänger der ultrakonservativen »Tea Party«-Strömung. Wir erinnern uns noch gut daran, wie die Seifenblase seiner Kandidatur zerplatzte.

Die meisten Kandidaten, vor allem jene der Republikanischen Partei, der »Grand Old Party«, werfen sich indes beflissen vor den Thron der reichen Eliten, denen sie dienen wollen. Auch die Tausende und vielleicht sogar Millionen, die sich jetzt wütend gegen die Immigranten aus Lateinamerika wenden, verehren die Reichen. In Donald Trump haben sie jemanden gefunden, der ihnen eine Stimme gibt. Trump ist es gelungen, Energien für alte Ressentiments freizusetzen und damit den Treibsatz für sein Scheitern zu zünden.


Copyright: Mumia Abu-Jamal
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 183 vom 10. August 2015

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Quelle:
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mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2015

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