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MUMIA/845: Kampf an zwei Fronten (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne 875
Kampf an zwei Fronten

Der US-Gefangene Major Tillery gibt nicht auf und kämpft mutig weiter -
gegen seine Hepatitis-C-Erkrankung und für seine Freiheit

von Mumia Abu-Jamal, September 2017


George »Major« Tillery ist seit vielen Jahren als »Jailhouse Lawyer« bekannt, also als rechtskundiger Gefangener, der sich für seine eigenen und die Belange seiner Leidensgenossen einsetzt. In der im Jahr 1990 federführend von ihm mit fünf Mitgefangenen angestrengten Zivilklage »Tillery gegen Owens« ging es darum, die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Häftlinge gegen den damaligen Leiter der Gefängnisbehörde des US- Bundesstaats Pennsylvania, David S. Owens Jr., durchzusetzen. Im Zentrum seiner Bemühungen standen damals die verfassungswidrigen Zustände im Staatsgefängnis von Pittsburgh.

Aktuell kämpft Tillery sowohl um sein Leben als auch für die Wiedererlangung seiner vor über 31 Jahren verlorenen Freiheit. Was den Kampf um sein Leben betrifft, hat er erst kürzlich erfahren, dass er nicht nur chronisch an Hepatitis C erkrankt ist, sondern dass diese Infektion bereits zu einer fortgeschrittenen Leberzirrhose geführt hat. Es war natürlich ein Schock für ihn, nach längst überfälligen medizinischen Untersuchungen diesen Befund präsentiert zu bekommen.

Die Gefängnisbehörde von Pennsylvania, die weiterhin ihr zweimal von einem Bundesgericht als verfassungswidrig gebrandmarktes »Protokoll« anwendet und an Hepatitis C erkrankte Häftlinge nach den dort festgelegten Richtlinien erst versorgen lässt, wenn sie sich in akuter Lebensgefahr befinden, hat nun endlich Tillerys Behandlung begonnen. Dazu nimmt er jetzt zwölf Wochen lang täglich eine der von der Pharmaindustrie überteuert verkauften Pillen, ein DAA-Medikament, ein (Abk. von »Direct-Acting Antiviral«, ein unmittelbar wirkendes antivirales Mittel; junge Welt).

In seinem letzten Antrag zur Wiederaufnahme seines Strafverfahrens stellte Tillery im Sommer 2016 ausführlich dar, dass die beiden Belastungszeugen, auf deren Aussagen sich sein Urteil stützt, nicht nur gelogen haben, sondern dafür auch noch bezahlt wurden. »Bezahlt« aber nicht mit US-Dollars, vielmehr mit Sexbesuchen ihrer Freundinnen, die von Polizisten, die gegen Tillery ermittelt hatten, ermöglicht wurden. Die Besuche fanden in den Räumen der Mordkommission in der Polizeizentrale von Philadelphia statt. Das Gebäude wird wegen seiner Architektur »The Roundhouse« genannt. Dort besiegelten die Detectives ihr Geschäft mit den Gaunern, die sich durch die Falschaussagen nicht nur ihre vorzeitige Entlassung erkauften, sondern sich von den Cops zuvor auch noch das Knastleben versüßen ließen.

Die Antwort der Staatsanwaltschaft auf Tillerys fundierten 38seitigen Wiederaufnahmeantrag? Sie forderte das Gericht auf, ihn zurückzuweisen, da Tillery ihn »nicht fristgerecht« eingereicht habe. Selbstverständlich hat Major Tillery dagegen Berufung eingelegt. Er gibt nicht auf und kämpft mutig weiter - an zwei Fronten.


Copyright: Mumia Abu-Jamal
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 223 vom 25. September 2017

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
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Internet: www.freedom-now.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2017

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