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MUMIA/852: Der richtige Zeitpunkt (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne 880
Der richtige Zeitpunkt

Gegner der Sklaverei wurden im 19. Jahrhundert als »Verrückte« bezeichnet

von Mumia Abu-Jamal, Oktober 2017


Was ist damit gemeint, wenn sich in den USA jemand als »Abolitionist« bezeichnet? Das Wort hat heute nicht mehr die Bedeutung, die es noch vor 150 Jahren hatte. Damals stand der Begriff dafür, das zu beenden, was manche »Amerikas Ursünde« nennen - das Versklaven und Verschleppen von Menschen aus Afrika.

Welche Bedeutung hat das Wort heute? Der Begriff »Abolitionist« ist nicht mehr allen geläufig, sollte es aber sein. Die Abolitionistenbewegung war der erste multiethnische Zusammenschluss von Schwarzen und Weißen, die gegen das Übel der Sklaverei kämpften.

Es ist wichtig für uns zu wissen, dass damals, als die Bewegung in den 1830er bis 1850er Jahren entstand und sehr aktiv war, ihre Mitglieder in der Presse und von prominenten und mächtigen Politikern als »Verrückte« verunglimpft wurden, als »durchgeknallte« Männer und Frauen, die es wagten, sich einer Sache wie der Sklaverei entgegenzustellen, die doch den Wohlstand der Vereinigten Staaten von Amerika begründet hätte.

Selbst Abraham Lincoln beschrieb den radikalen Abolitionisten John Brown als Verrückten, nachdem dieser mit einigen Getreuen 1859 das Waffenlager der US-Armee in Harpers Ferry, Virginia, in der Hoffnung überfallen hatte, dadurch einen allgemeinen Sklavenaufstand auszulösen. Lincoln sprach sein Urteil über Brown kurz vor seiner Wahl zum US-Präsidenten vor Studierenden der New Yorker »Cooper Union for the Advancement of Science and Art«, einer höheren Bildungsanstalt für Architektur, Kunst und Ingenieurwissenschaften.

Erst nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) wurden Abolitionisten als »vernünftige« Zeitgenossen« angesehen, die mit »gesundem Menschenverstand« gehandelt hätten - nicht vor dem Bürgerkrieg, als die Sklaverei noch unangefochten herrschte.

Daraus können wir alle etwas lernen. Auch ihr vom »Abolitionist Forum« solltet euch nichts daraus machen, wenn die Leute an den Schalthebeln der Macht oder die Medien schlecht über euch reden. Fragt euch selbst, ob das, was ihr macht, richtig ist - und dann macht euch an die Arbeit. Denn es ist richtig, Widerstand gegen die Masseninhaftierungen zu leisten. Es ist richtig, dafür einzutreten, dass die rassistische Todesstrafe abgeschafft wird. Es ist richtig, gegen die staatliche Unterdrückung zu kämpfen. Und der richtige Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt!


Diese Kolumne von Mumia Abu-Jamal ist sein Grußwort an die US-Organisation »Abolitionist Forum« (AF), die unter dem Slogan »Masseninhaftierung ist die neue Sklaverei, Polizeigewalt das neue Lynchen, Gentrifizierung der neue Kolonialismus« Widerstand gegen die aktuelle rassistische Politik leistet, die sich vor allem gegen die afroamerikanische Bevölkerung richtet. »Wir sind ein Bündnis von Organisationen, die auf der Basis der Prinzipien des Kampfs der Abolitionisten zusammenarbeiten«, sagt das Forum in seiner Selbstdarstellung. Statt zu versuchen, »Polizei und Gefängnissystem zu reformieren«, strebe das Bündnis an, »diese Institutionen allesamt aufzulösen und ihre Ressourcen für den Aufbau starker Gemeinschaftsstrukturen einzusetzen«. (jh)


Copyright: Mumia Abu-Jamal
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 252 vom 30./31. Oktober 2017

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2017

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