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GRUNDSÄTZLICHES/059: Scheinheilige Politik - Symptombehandlung statt Ursachenbekämpfung (FoodFirst)


FoodFirst Ausgabe 1/2016
FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin. Für das Menschenrecht auf Nahrung

Scheinheilige Politik: Symptombehandlung statt Ursachenbekämpfung


Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) benennt sieben Gründe für die sprunghaft angestiegene Zahl syrischer Flüchtlinge, die sich 2015 auf den Weg nach Europa gemacht haben Einer davon lautet: Unterfinanzierte Hilfsprogramme. In seiner Meldung vom 25. September 2015 schreibt das Werk, dass der für 2015 aufgestellte Hilfsplan für Syrien nur zu 41 Prozent finanziert sei, was zu Kürzungen der Lebensmittelrationen für Flüchtlinge geführt habe. In Jordanien führt diese mangelnde Finanzierung auch dazu, dass Flüchtlinge ihren Zugang zum Gesundheitssystem verlieren. Die internationale Staatengemeinschaft erfüllt offenbar ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen zur Kooperation, um die Verwirklichung sozialer Menschenrechte zu gewährleisten, nicht ausreichend.


Dieses Thema lässt die Bundesregierung aus, wenn sie sich damit brüstet, Fluchtursachen zu bekämpfen. Tatsächlich geht es bei den verkündeten Sonderinitiativen weniger um die Bekämpfung von Fluchtursachen als darum, Flüchtlinge in den Transitländern zum Beispiel durch Ausbildungsprogramme aufzuhalten. Die Programme dienen somit vor allem dem Ziel, Deutschland und die EU abzuschotten, als die Gründe für die Fluchtbewegungen zu bekämpfen.

Fluchtursachen zu bekämpfen würde bedeuten, Außenhandels-, Rohstoff- und Agrarpolitik so zu gestalten, dass sie nicht zu Verletzungen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte führen. Zudem müssten effektive Maßnahmen zum Klimaschutz vorangetrieben werden, damit KleinbäuerInnen nicht durch Dürren ihre Existenzgrundlage verlieren - wie gerade wieder für Äthiopien gewarnt wird. Der Klimawandel wird maßgeblich von Industriestaaten verursacht. Die stärksten Auswirkungen hat er dagegen für die Menschen im globalen Süden. Auch wenn Verletzungen wirtschaftlicher und sozialer Menschenrechte auf den ersten Blick nicht die Hauptursachen für die gegenwärtigen Fluchtbewegungen sind, stehen sie doch oft am Anfang langer Wirkungsketten.

Zum Beispiel in Syrien: Das Land war von 2007 bis 2010 von der schlimmsten Dürre der letzten hundert Jahre betroffen. Ernten fielen aus, Vieh verendete. In der Folge zogen etwa 1,5 Millionen BewohnerInnen ländlicher Regionen in städtisches Umland. Weil die syrische Regierung untätig blieb, reichte dort die Infrastruktur für die schnellwachsende Bevölkerungsdichte bald nicht mehr aus, die Unzufriedenheit der städtischen Bevölkerung wuchs.

Einen wesentlichen Grund für die dramatischen Folgen der Dürre sehen WissenschaftlerInnen in einer verfehlten Agrarpolitik. Durch die einseitige Förderung industrieller Produktionsmethoden wurden Grundwasservorräte ausgebeutet, wodurch die Wasserversorgung während der Dürre schnell zusammenbrach, anders als zum Beispiel in Jordanien. Gleichzeitig versagte die syrische Regierung darin, den von der Dürre betroffenen Menschen zu helfen. Die Folgen des Klimawandels werden zwar nicht als einzige oder entscheidende Ursache für den Krieg in Syrien betrachtet. Der Klimaexperte Stephan Rahmstorf schreibt jedoch: "Doch schwere Dürren können in einem ohnehin schwachen, konfliktträchtigen Staat ein Auslöser für den Ausbruch von bewaffneten Konflikten sein."

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Quelle:
FoodFirst - FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für
das Menschenrecht auf Nahrung, Ausgabe 1/2016, Seite 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2016

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