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MELDUNG/066: Buchtip - Das Negativ-Bild der Agrarreform in Simbabwe bröckelt (FoodFirst)


FoodFirst Ausgabe 1/2012
FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für das Menschenrecht auf Nahrung

Alles Mythen?
Das Negativ-Bild der Agrarreform in Simbabwe bröckelt



Die Agrarreform in Simbabwe wurde in den vergangenen Jahren als das Negativbeispiel schlechthin gebrandmarkt. Das Land versinke im Chaos, die Landwirtschaft breche zusammen und die neuen LandbesitzerInnen seien Günstlinge des Regimes und hätten kein Interesse an Landwirtschaft - so oder so ähnlich der Tenor von EntwicklungsexpertInnen.


Progressivere Akteure vermieden das Thema, um nicht in eine ideologische Ecke gestellt zu werden. Nun zeigt sich, dass genauso viel Ideologie auf der anderen Seite im Spiel ist. In der Tat wurde die negative Berichterstattung nicht hinterfragt und die Mythen verfestigten sich. Eine Langzeitstudie fechtet diese Mythen durch umfassende Feld-Daten an. Sie zeigt erstmals, dass es auch viel Positives zu berichten gibt.


Viel Land verteilt - gerade an arme Bevölkerungsgruppen

Etwa 20 Prozent der gesamten Landesfläche wurden seit dem Jahr 2000 umverteilt. 4.500 Farmen wurden an über 160.000 neue Farmer-Familien verteilt, der Großteil für den Betrieb einer kleinbäuerlichen Produktion. Damit ist erst einmal rein quantitativ das erreicht, was man in den Nachbarländern Südafrika und Namibia der armen ländlichen Bevölkerung versprochen hatte. Dass man dort großzügige Hilfe der Gebergemeinschaft genießt, wirft Fragen auf.

Die neuen Daten zeigen zudem, dass nur sehr wenig Land an die Eliten des Regimes verteilt wurde. Dreiviertel der neuen LandbesitzerInnen sind arme ländliche Familien (50 Prozent), arme städtische Familien (18 Prozent) oder ehemalige LohnarbeiterInnen der Großfarmen (sieben Prozent). Nur etwa 3,7 Prozent sind Sicherheitskräfte, also jene, die durch die internationale Presse als die großen Profiteure dargestellt wurden.


Produktion brach zusammen - aber vor allem der Export

Umverteiltes Land ist ein wichtiger, aber kein ausreichender Indikator für die Frage, ob eine Agrarreform die Reduzierung von Armut und Hunger bewirkt. Daher wiegt das Argument schwer, dass "Felder brach liegen und kaum noch etwas produziert wird" (Wikipedia zu Simbabwe). Auch hier differenziert die Studie und betont, dass - typisch für jeden Transformationsprozess - es Bereiche gibt, die verlieren und andere, die gewinnen. Obwohl der Exportsektor (Rindfleisch, Kaffee, Tee, Weizen) stark geschrumpft ist, boomt der Anbau traditioneller Grundnahrungsmittel. Die Hirseproduktion ist seit den 1990er Jahren um 163 Prozent angestiegen, der Bohnenanbau hat sich mit 283 Prozent fast verdreifacht. Die Maisproduktion auf den neuen Farmen ist seit 2002 stark angestiegen. Auf vielen Farmen werden Überschüsse für den Markt produziert.


Belebte Ländliche Räume

Ein bemerkenswertes Resultat der Agrarreform: Riesige Gebiete, die fast unbewohnt waren - nur von einem Landbesitzer und einer Handvoll LandarbeiterInnen bewirtschaftet - wurden durch die Landvergabe regelrecht besiedelt. Es scheint sich eine ländliche Sozial- und Wirtschaftsstruktur zu entwickeln, die komplex, lebhaft und für viele arme Menschen perspektivisch ist und künftig sein kann.

Insgesamt dürfen - und das wird auch in der Studie betont - die Probleme der aktuellen Hungersituation und der Agrarreform nicht verharmlost werden. Es ist jedoch erstaunlich, wie sich über viele Jahre hinweg ein Blick auf die Landreform in Simbabwe aufbauen konnte, der der Realität teilweise diametral gegenübersteht. Es scheint ganz so, als wollte man die vielschichtigen Ergebnisse der Agrarreform in Simbabwe nicht sehen.


BUCHTIP ZUM WEITERLESEN:

Ian Scoones et al. (2011)
Zimbabwe's Land Reform. Myths and Realities
ISBN: 978-1770099852

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Quelle:
FoodFirst - FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für
das Menschenrecht auf Nahrung, Ausgabe 1/2012, Seite 6
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedelerstraße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/7020072, Fax 0221/7020032
E-Mail: fian@fian.de
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Erscheinungsweise 4 Ausgaben/Jahr
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Abonnement: 15,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2012