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BERICHT/057: Begleitung der pbi-Freiwilligen nach ihrer Rückkehr aus dem Projektland


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 01/09

Die Schwierigkeiten der Rückkehr oder der "umgekehrte Kulturschock
Begleitung der pbi-Freiwilligen nach ihrer Rückkehr aus dem Projektland

Von Suhela Behboud


Nicht nur der Freiwilligendienst im Projektland, sondern auch die Rückkehr nach Deutschland stellt für die pbi-Freiwilligen eine große Herausforderung dar. Sie stehen vor der schwierigen Aufgabe, die gewonnenen Erfahrungen zu verarbeiten und mit einer veränderten Lebens- und Arbeitssituation in Einklang zu bringen.


Der Freiwilligendienst in einem pbi-Projekt ist in verschiedener Hinsicht eine große Herausforderung, in der die Freiwilligen sowohl interessante und bereichernde als auch schwierige Erfahrungen sammeln. Das enorme Arbeitspensum, das Zurückstellen persönlicher Interessen in einem interkulturellen Team und die psychische Belastung, die eine Arbeit in Konfliktgebieten mit sich bringt, bedeutet eine hohe Anforderung an die Freiwilligen. Daher hat pbi die Verantwortung, sie nicht nur optimal auf ihren Einsatz im Projekt vorzubereiten, sondern auch dafür zu sorgen, dass eine gute Begleitung, vor allem nach dem Freiwilligeneinsatz, gewährleistet ist.


Die Freiwilligenbegleitung nach dem Einsatz

Das pbi-Konzept zur Personalbegleitung orientiert sich hierbei an einem ganzheitlichen Ansatz: Der Einsatz wird als Prozess erfasst und entsprechend werden die verschiedenen Phasen vor dem Einsatz, während des Einsatzes und nach dem Einsatz einbezogen. Die RückkehrerInnenbegleitung ist also "Teil des Ganzen". Dabei ist die hier beschriebene Form der Begleitung nach dem Einsatz weder eine Therapie noch ein Ersatz für therapeutische Maßnahmen.

pbi gibt Hilfestellung durch Auswertungs- und Beratungsgespräche und vermittelt bei Bedarf weitergehende Unterstützung, zum Beispiel durch PsychologInnen, denen die Besonderheiten eines Freiwilligendienstes gut bekannt sind. Eine große Unterstützung bei der Wiedereingliederung in Deutschland bietet darüber hinaus die sogenannte "RückkehrerInnenstelle". pbi-Freiwillige haben die Möglichkeit, sich nach der Rückkehr aus dem Projekt auf eine sechsmonatige ReferentInnenstelle zu bewerben, die ausschließlich den RückkehrerInnen vorbehalten ist. Im Rahmen dieser Stelle sind sie in die Aktivitäten von pbi Deutschland eingebunden. Sie wirken zum Beispiel in der Bildungsarbeit, der Advocacyarbeit und der Öffentlichkeitsarbeit mit. Die pbi-Freiwilligen vermitteln ihre Erfahrungen beispielsweise in Vorträgen oder in Workshops mit Jugendlichen und erleben, dass dies auf großes Interesse stößt. Vor allem deshalb, weil sie die Situation in den Projektländern sehr authentisch vermitteln können. Für pbi stellen die vielfältigen Erfahrungen und Kenntnisse, die die Freiwilligen mitbringen, ein unersetzbares Potential für die Inlandsarbeit dar. So profitieren beide Seiten davon.


Alles bekannt - und trotzdem fremd

Viele Freiwillige müssen mit zwei "Kulturschocks" zurechtkommen: Mit dem ersten dort, wo der Einsatz stattfand und mit dem zweiten bei der Rückkehr in das Herkunftsland und in die "eigene" Kultur. Natürlich gibt es viele individuelle Unterschiede in den Auswirkungen und im Umgang hiermit.

Das Zugehörigkeitsgefühl zu vorherigen sozialen Netzwerken oder zum Herkunftsland kann sich verändern und somit zu einem Identitätsverlust führen. Auch die Fähigkeiten, der verbalen und nicht verbalen Kommunikation haben sich vielleicht geändert, schließlich geht die Beherrschung einer anderen Sprache mit dem Zugang zu anderen kulturellen Konzepten und Werten einher. Dazu stellt sich den RückkehrerInnen oft die Frage, wie die Veränderungen in Bezug auf Lebensstil, Wissen, Werte oder veränderte Befindlichkeiten in einen neuen Lebenszusammenhang eingegliedert werden können. Wichtig für die zurückkehrende Person ist es hierbei, zu erkennen, welche Veränderungen sich in ihrem Wertesystem und in ihren Handlungen vollzogen haben. Dabei ist ein entscheidender Punkt die Akzeptanz, dass die Integration in die eigene Gesellschaft ein gegenseitiger Prozess ist, der von beiden Seiten Verständnis und Zeit braucht.

Ein anderer schwieriger Aspekt, der hinzukommen kann, ist das Gefühl des Verlustes, den die Rückkehrenden verspüren. Sie mussten sich von FreundInnen im Einsatzland verabschieden, die sie erstmal nicht wiedersehen und die meistens bedroht sind. Es kann auch vorkommen, dass die Person im Projektland einen sozialen Status innehatte, den sie nun nicht mehr besitzt, z.B. galt sie im Einsatzland als "ausländische Expertin" und zu Hause ist sie eine unter vielen. Dies kann durch eine schwierige finanzielle Situation oder Arbeitslosigkeit noch verstärkt werden.


Nach dem Einsatz - Möglichkeiten und Angebote

Etwa drei Monate, bevor die Fachkraft in ihr Herkunftsland zurückkehrt, nimmt die Referentin für Freiwilligenbegleitung via Email Kontakt zu den Freiwilligen auf und spricht mit ihnen über die letzte Phase ihres Aufenthaltes sowie die Zeit danach. Dazu werden die Freiwilligen in den pbi-Projektländern von den Team- und Projektmitgliedern auf ihre Rückkehr vorbereitet. Wichtig ist, sich und den Freiwilligen klar zu machen, dass das im Ausland Erlebte nicht mit der Rückkehr endet, sondern auch nach der Rückkehr noch das Alltagsleben beeinflussen kann.

Nach jedem Einsatz findet ein Nachbereitungsgespräch mit der Referentin für Freiwilligenbegleitung in der Geschäftsstelle statt. Dieses dient u.a. der fachlichen und berufsbezogenen Auswertung des Einsatzes. Zudem wird geklärt, wie der/die Freiwillige seinen/ihren allgemeinen und psychosozialen Gesundheitszustand wahrnimmt. Auf Wunsch werden PsychologInnen vermittelt. Außerdem kann Hilfe bei der Bewältigung von Alltagsfragen (z. B. die Neuaufnahme in eine Krankenversicherung) gegeben werden. Zusätzlich gibt es ein von erfahrenen TeamerInnen geleitetes RückkehrerInnenseminar, welches in erster Linie dem gemeinsamen Erfahrungsaustausch mit anderen kürzlich zurückgekehrten Freiwilligen dient.


Die Konzepte der Nachbereitung entwickeln sich weiter

Wenngleich die Begleitung von Freiwilligen nach einem Einsatz als ein wichtiges Element der Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit gesehen wird, liegen bislang wenige systematische Arbeiten oder Konzepte speziell zur Nachbetreuung vor. Auf einem 2007 vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veranstalteten Studientag zur Reintegration von internationalen Friedensfachkräften zeigte sich, dass die Begleitung der Freiwilligen nach ihrem Dienst im Einsatzland dringend verbessert werden sollte. pbi hat in Bezug auf dieses Thema bereits früh Handlungsbedarf gesehen. Innerhalb von pbi Deutschland gründete sich bereits 2004 die AG Freiwilligenbegleitung, welche sich kontinuierlich mit dem Konzept der Betreuung von Freiwilligen auseinandersetzt. Darin spielt die Nachbereitung eine wichtige Rolle. 2006 wurde zudem die ReferentInnenstelle für Freiwilligenbegleitung geschaffen. Auch auf internationaler Ebene entwickelt sich die Freiwilligenbegleitung weiter: 2005 gründete sich bei pbi die "Volunteer Support Working Group", welche letztes Jahr Richtlinien erarbeitet hat, die für die gesamte Organisation als Minimalstandards gelten sollen. Als Grundlage hierfür diente eine projektübergreifende Evaluierung der pbi-Freiwilligenbegleitung weltweit.

Erfreulicherweise konnte pbi somit in den letzten Jahren den gesamten Prozess der Freiwilligenbegleitung deutlich verbessern. Dennoch gibt es für pbi die Anforderung, neben einer guten Vorbereitungs- und Qualifizierungsstrategie weiterhin an ihrem ganzheitlichen Konzept der Begleitung mit Schwerpunkt Nachbereitung weiterzuarbeiten. Deswegen gilt es nun, den hierzu begonnen Prozess weiterzuführen, um durch eine gute Nachbereitung auch etwas an die Freiwilligen zurückzugeben, die durch ihren engagierten Einsatz einen wichtigen Beitrag zur Friedensarbeit leisten. - pbi


Dieser Text basiert auf der im Frühjahr 2009 erschienenen Broschüre "Die Begleitung von pbi-Freiwilligen in der internationalen Friedensarbeit. Vorbereitung, Betreuung und Nachbereitung von Freiwilligeneinsätzen" (pbi Studie 2, Hg. pbi-Deutscher Zweig e. V, 2009). Sie ist kostenlos in der pbi-Geschäftsstelle erhältlich.

In Kürze erscheint die pbi-Studie 3. Die pbi-Freiwilligen wurden gebeten, alle Aspekte der Freiwilligenbetreuung zu bewerten. Hieraus entstanden Empfehlungen zu einer weiteren Verbesserung der gewählten Methoden und Inhalte.

Suhela Behboud, die Autorin der Broschüre und dieses Artikels, ist seit zehn Jahren für pbi aktiv. Sie ist Vorstandsmitglied und Mitbegründerin der AG Freiwilligenbegleitung.


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/09, S. 14-15
Herausgeber: pbi Deutscher Zweig e.V.
Harkotstr. 121, 22765 Hamburg
Tel.: 040/38 90 437, Fax: 040/38 90 437-29
E-Mail: info@pbi-deutschland.de,
Internet: www.pbi-deutschland.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2010