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BERICHT/058: Die Koordinatorin für Freiwilligenbegleitung im Interview


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 01/09

"Ich finde es wichtig, eine gute Begleitung für die Freiwilligen anzubieten"

Die Koordinatorin für Freiwilligenbegleitung im Interview


CATHRIN SCHMOCK arbeitet in der pbi-Geschäftsstelle als Ansprechpartnerin für alle Freiwilligen, die einen Einsatz im Projektland absolvieren. Dabei spielt der Aspekt der Nachbereitung eine immer größere Rolle. Rundbrief-Redakteurin JOHANNA STÖPPLER sprach mit ihr über die Arbeit mit den RückkehrerInnen.


PBI-RUNDBRIEF: Warum gibt es die Freiwilligenbegleitung bei pbi und was motiviert dich, gerade in diesem Bereich zu arbeiten?

CATHRIN SCHMOCK: Die Stelle ist 2005 auf Initiative der pbi-Arbeitsgruppe Freiwilligenbegleitung entstanden, die diesem Bereich ein größeres Gewicht verleihen wollte. Es wurde ein Konzept entwickelt, aus dem das Handbuch zur Freiwilligenbegleitung entstand. 2006 habe ich dann angefangen, als Koordinatorin für die Freiwilligen zu arbeiten. Persönlich motiviert war ich aufgrund meiner eigenen Erfahrung als pbi-Freiwillige in Mexiko. Ich finde es sehr wichtig, eine gute Begleitung für die Freiwilligen anzubieten.

PBI-RUNDBRIEF: Das Thema Debriefing oder Nachbereitung: warum beschäftigt man sich damit jetzt mehr als früher?

CATHRIN SCHMOCK: Viele Organisationen haben in den letzten Jahren einen stärkeren Fokus auf die Phase nach der Rückkehr gelegt, weil de Auswirkungen für ihre Freiwilligen und Fachkräfte früher weniger wahrgenommen wurden. Neu ist zum Beispiel, dass die Nachbereitung häufiger mit psychologischer Unterstützung untermauert wird. Auf der persönlichen Ebene ist es manchmal so, dass bestimmte Erlebnisse die Freiwilligen nicht mehr loslassen. Genau diese sollten dann mit unserer Unterstützung bearbeitet werden. pbi versucht außerdem, das Wissen der RückkehrerInnen auch nachhaltig für unsere Zivilgesellschaft zu nutzen.

PBI-RUNDBRIEF: Warum sind die Erfahrungen und Erlebnisse für pbi so wichtig?

CATHRIN SCHMOCK: Ein Freiwilligendienst kann dein Verhältnis zur Welt nachhaltig verändern. Die Freiwilligen erleben Dinge, die sie sehr bewegen, belasten oder auch sehr gefreut oder berührt haben. Diese Erfahrungen sind dementsprechend intensiv und müssen mit dem Alltag hier in Einklang gebracht werden. Dies kann z.B. durch Vorträge oder Bildungsarbeit in der Schule passieren, was für die ZuhörerInnen auch wesentlich authentischer und intensiver ist als Berichte aus zweiter Hand. Zum anderen berücksichtigen wir auch die psychologische Ebene, denn wir wollen den Erlebnissen die entsprechende Bedeutung beimessen. Durch Beschreiben und persönliche Reflektion gibt man den Freiwilligen die Möglichkeit, sich mit den eigenen, auch belastenden Ereignissen auseinanderzusetzen. Interesse an deren Erlebnissen zeugt zudem von Wertschätzung der geleisteten Arbeit. Insofern hat die Nachbereitung zwei Seiten: der Output auf die Zivilgesellschaft und die Nachsorge auf persönlicher Ebene.

PBI-RUNDBRIEF: Welches sind zentrale Themen bei der Nachbereitung?

CATHRIN SCHMOCK: Ein wichtiger Aspekt besteht in der persönlichen Verarbeitung der Erlebnisse. Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Integration der vielen Erlebnisse in den eigenen Alltag hier. Dieser Vorgang wirft ganz viele Fragen auf: Mein Horizont hat sich geweitet, ich muss manche Sachen hier neu bewerten, weil ich sie anders sehe. Irgendwie ist alles anders ... Das kann erstmal zu Verunsicherungen führen. Die Dauer dieser Phase ist individuell unterschiedlich. Sie kann sehr kurz sein oder aber auch mehrere Monate andauern, bis hin zu der existenziellen Frage "Was will ich hier eigentlich?". Das kann ein Anzeichen dafür sein, dass ganz starke Erlebnisse nicht mehr in den Alltag integriert werden können.

PBI-RUNDBRIEF: Denkst Du, dass pbi in einer solchen Situation eine gute Unterstützung bietet?

CATHRIN SCHMOCK: Soweit wir die Möglichkeiten haben, ja. Auswertungsgespräche sollten auf einer persönlichen Ebene stattfinden, so dass die Freiwilligen sich offen fühlen, über die Dinge, die sie bewegen, zu reden. Nach der Rückkehr ist es wichtig, über einen längeren Zeitraum den Kontakt zu halten, um zu sehen, wie die Freiwilligen mit dieser Phase der Verunsicherung umgehen, ob die Intensität der Erlebnisse nachlässt und ob sie sich integrieren. Nur so kann ich wirklich beurteilen, ob es gut läuft.

Man muss natürlich auch seine Grenzen kennen. Wenn ich merke, ich komme nicht weiter oder die Kompetenzen nicht ausreichen, muss ich als Mitarbeiterin einer Entsendeorganisation nicht alles selbst auffangen. Gegebenenfalls ziehe ich Hilfe von PsychologInnen hinzu, von denen einige den pbi-Kontext sehr gut kennen. Sie können die Freiwilligen bei der Verarbeitung und positiven Integration der Erlebnisse unterstützen.

PBI-RUNDBRIEF: Werden die Freiwilligen neben der Unterstützung auch gefordert?

CATHRIN SCHMOCK: Natürlich, ein wichtiges Stichwort ist hier die Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit. Auch die entwicklungspolitische Bildungsarbeit hilft den Freiwilligen, ihre Erlebnisse auf eine sinnvolle Art und Weise weiterzugeben und zu verarbeiten. Wo auch immer sie sich einbringen möchten, können sie das. Sie werden von uns auch dazu angehalten. Zudem sind sie eine ganz wichtige Ressource zur Pflege und dem Ausbau unseres Unterstützernetzwerks, denn deren Mitglieder sind wesentlich mehr zu einer effektiven Unterstützung bereit, wenn wir ihnen dafür kompetente GesprächspartnerInnen anbieten.

PBI-RUNDBRIEF: Gibt es auch Freiwillige, die kein Interesse an solch einer Mitarbeit haben?

CATHRIN SCHMOCK: Die meisten Freiwilligen interessieren sich sehr dafür. Natürlich gibt es auch einige, die das überhaupt nicht wollen. Meist deshalb, weil sie wieder ins Ausland gehen oder ganz andere berufliche Pläne haben. Bei manchen sollte man nachhaken, denn das kann auch eine Form von Abwehr belastender Erlebnisse sein. Hineinsteigern darf man sich da aber auch nicht, denn die Freiwilligen sind erwachsene Menschen und schlussendlich ist es ihre Entscheidung. Wenn ich bei jemandem ein gutes Gefühl habe, respektiere ich das. Alle können letztendlich selbst beurteilen, inwieweit sie sich einbringen möchten.

PBI-RUNDBRIEF: Wie beurteilst Du die RückkehrerInnenstelle?

CATHRIN SCHMOCK: Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Existenzielle Fragen nach der Rückkehr lenken die Freiwilligen ganz schnell von pbi ab. Wenn man ihnen aber eine Art Übergang anbietet, ist das für alle Beteiligten unglaublich positiv: Wir können die Kompetenzen der RückkehrerInnen ganz konkret einbinden, die Freiwilligen haben das Gefühl, dass ihnen eine Brücke hin zu einem Alltag gebaut wird, der irgendwann auch nicht mehr mit pbi verbunden sein muss. Die Stelle selbst setzt sich aus Lobby-, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit zusammen. Aber auch Begleitung und Vorbereitung der zukünftigen Freiwilligen gehört dazu.

PBI-RUNDBRIEF: Was wünscht Du Dir in Zukunft für die Freiwilligenbegleitung und insbesondere für die Nachbereitung?

CATHRIN SCHMOCK: In den letzten Jahren hat pbi wesentliche Schritte hin zu einer guten Begleitung gemacht. Wir haben mittlerweile ein gutes Gerüst, das wir aber immer noch ausbauen und verbessern können. So führen wir derzeit eine Bedarfsanalyse des gesamten Begleitungskonzepts durch, um herauszufinden, welche unserer Maßnahmen besonders hilfreich für die Freiwilligen sind und wo sie Verbesserungsbedarf sehen. Ich wünsche mir, dass unsere Begleitung weiterhin sehr auf das persönliche Verhältnis, viel Kommunikation und eine gute, vertrauensvolle Ebene achtet. Das ist die Grundlage dafür, dass alle Freiwilligen sich angenommen und gut begleitet fühlen und sich bei eventuellen Problemen öffnen können. Viel Kommunikation bedeutet aber auch immer viel Zeitaufwand, was für mich manchmal ein Problem darstellt. Aber generell halte ich diesen Weg für den richtigen. - pbi


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/09, S. 16-17
Herausgeber: pbi Deutscher Zweig e.V.
Harkotstr. 121, 22765 Hamburg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2010