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MITTELAMERIKA/123: Kolumbien - Tagebau in der Hand internationaler Konzerne


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 01/11

Tagebau in der Hand internationaler Konzerne
Blutige Kohle aus Kolumbien für deutsche Kraftwerke

Von Ole Wrobel


"Kohle aus Kolumbien brennt gut. Aber seid euch bewusst, dass ihr blutige Kohle einkauft", sagt Luis Alberto Rojas, Präsident einer Vereinigung von Vertriebenen in Kolumbien. Das lateinamerikanische Land besitzt nach Brasilien die größten Kohlevorkommen in Südamerika. In den letzten zehn Jahren wurde der Abbau stark gesteigert und neue Bergbauprojekte sind in der Planung. Umweltschützer befürchten massive Abholzungen und gravierende Schäden am Urwald durch den Tagebau. Kleinbauern und indigene Bevölkerung fürchten, von ihrem Land vertrieben zu werden.


Luis Alberto Rojas und die kolumbianische Anwältin Julia Figueroa informierten im vergangenen November bei peace brigades international (pbi) in Hamburg über die Probleme, die der Kohleabbau in ihrem Heimatland Kolumbien mit sich bringt. Julia Figueroa ist Mitglied der Anwaltsvereinigung "Luis Carlos Pérez". Luis Alberto Rojas ist Präsident der Organisation "Mesa de Fortalecimiento a Organizaciones de Población Desplazada de Norte de Santander", die die Rechte von Vertriebenen im Nordosten Kolumbiens stärkt. Die Anwaltsvereinigung wird bereits seit mehreren Jahren von pbi begleitet.

ZFD-Friedensfachkraft Moritz Hartnagel hält in der Haupstadt Bogotá die Fäden zusammen: er analysiert die politische Lage im Land, versorgt die pbi-MitarbeiterInnen in den Teams mit den entsprechenden Informationen und führt Workshops zum Thema Sicherheit durch. Dies ermöglicht den Mitarbeiterinnen von pbi, der Anwaltsvereinigung sicheren Begleitschutz zu geben.


Kohleabbau bedroht nicht nur die Artenvielfalt

Anwältin Julia Figueroa schwärmt von der, wie sie es nennt, "Megadiversität" ihres Heimatlandes. Sie meint damit die beeindruckende Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt des Urwalds, die verschiedenen Klimazonen des Landes und die große Zahl indigener Volksgruppen. Zudem ist das Land reich an Bodenschätzen. Nur das Nachbarland Brasilien hat größere Kohlereserven.

Genau dieser Reichtum bereitet Julia Figueroa Kopfzerbrechen. In den letzten 10 Jahren hat sich die Ausbeutung der Kohlevorkommen mehr als verfünffacht. Dabei verbraucht Kolumbien nur einen Bruchteil der geförderten Kohle selbst. Der Löwenanteil ist für den Export bestimmt. Deutschland, so berichtet Julia Figueroa, sei ein großer Abnehmer kolumbianischer Kohle. Und ständen in Deutschland Kohlekraftwerke vor allem wegen ihrer Emission der Kritik, so entstehe durch den Kohleabbau in Kolumbien ein ganzes Geflecht kaum absehbarer Konsequenzen.


Bergbau in der Hand der Konzerne

Als Beispiel nennt Julia Figueroa die Kohleförderung in der La-Guajira-Region im äußersten Norden Kolumbiens. Dort wird seit gut zwanzig Jahren Kohle im Tagebau, also unter freiem Himmel, abgebaut. Die Cerrejón-Mine in La Guajira zählt zu den größten Tagebaugruben der Welt. Den Landkreisen um die Mine habe der Bergbau jedoch nichts gebracht: Die Gegend zähle zu den ärmsten Regionen des Landes. Luis Alberto Rojas fügt hinzu, dass seines Wissens kein einziger Kleinbauer oder Indigener in Kolumbien eine Mine betreibe. Die Lizenzen für die Ausbeutung der Bodenschätze gingen an große, oft ausländische Unternehmen. Die Gewinne aus der Kohleförderung würden folglich zu einem großen Teil von Konzernen im Ausland abgeschöpft werden.


Unter dem Urwald liegt die Kohle

In der Region Catatumbo haben acht große Bergbauunternehmen, darunter fünf ausländische, die Genehmigung zum Kohleabbau erhalten. Verschiedene indigene Volksgruppen leben dort. Es gibt viele Kleinbauern und wenig gut ausgebaute Straßen. Dreiunddreißig Wasserläufe durchziehen den Urwald und münden in den Catatumbo-Fluss, der der Region ihren Namen gegeben hat. Die Vielfalt der Tier und Pflanzenwelt im warmen subtropischen Klima an der Grenze zu Venezuela ist beeindruckend.

Genau unter diesem Gebiet liegen Kohlevorkommen von immensem Ausmaß. Unter einem Areal von 25.000 Hektar werden 300 Millionen Tonnen Kohle vermutet, die in den nächsten 30 Jahren ausgebeutet werden sollen. Beginnend mit 60.000 Tonnen solle die Jahresausbeute schnell auf 790.000 Tonnen erhöht werden.

Der Tagebau würde den Primärwald über den Kohlevorkommen unwiederbringlich vernichten. Mehr noch: Er würde das Ökosystem der gesamten Region gefährden. Denn wenn die Kohleschichten im warmen Klima freigelegt werden, besteht die Gefahr, dass sie sich entzünden. Solche Brände sind kaum zu löschen. Um sie zu verhindern, müssen die Kohleschichten bewässert werden. Für den enormen Wasserbedarf sollen die Flüsse Catatumbos herhalten. Folgeschäden wären vorprogrammiert.


Indigene fürchten Vertreibung

Was die Indigenen und Kleinbauern gegen den Abbau der Kohle haben, ist mehr eine hypothetische Frage. Wenn Alberto Rojas sie beantwortet, weiß er, wovon er spricht. Er wurde selbst vertrieben, musste mit seiner Familie flüchten, weil es in dem Ort, wo er lebte, zu gefährlich wurde. "Die Indigenen und die Kleinbauern kennen die 60-jährige Geschichte der Ölförderung in Kolumbien. In deren Anfangszeit wurden 20.000 Indigene ermordet. Sie kennen den Kohleabbau in La Guajira und wissen, was mit ihrem Land geschieht, wenn Kohle im offenen Tagebau abgebaut wird. Die Ausbeutung der Kohlevorkommen führt in Kolumbien generell zu weiterer Vertreibung und zur Auslöschung der Bauern und Kleinbauern in der Region Catatumbo."

Aktuell leben in Kolumbien 45 Millionen Menschen, zehn Millionen davon in großer Armut. Sieben Millionen sind Bauern und Kleinbauern - und 4,3 Millionen Menschen wurden Opfer von Vertreibung.


Kohle aus Kolumbien in deutschen Kraftwerken

In den Augen der indigenen Bevölkerung und der Kleinbauern sieht die Zukunft der Region Catatumbo düster aus. Sie befürchten, von ihrem Land vertrieben zu werden. Sie bangen um den Urwald ihrer Heimat, der gerodet wird, um die Kohle abzubauen. Die Infrastruktur für den Bergbau wird die Umwelt weiter schädigen: Eine Straße soll von Catatumbo bis nach Santa Marta an der Karibikküste gebaut werden. Von dort soll die Kohle per Schiff verfrachtet werden, unter anderem nach Deutschland. Allein mit den 300 Millionen Tonnen aus Catatumbo ließe sich ein deutsches Kohlekraftwerk 150 Jahre lang betreiben.

Julia Figueroa zeigt ein Bild der Erde bei Nacht. Helle Flecken zeigen an, wo es nachts hell erleuchtet ist, wo Menschen also viel Energie verbrauchen und wo damit die Nachfrage nach Energie aus Kohle besonders hoch ist. In der Region Catatumbo ist es auf der Weltkarte stockdunkel.


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/11, S.10-11
Herausgeber: pbi Deutscher Zweig e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2011