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BERICHT/152: Argumente gegen die Wehrpflicht (Forum Pazifismus)


Forum Pazifismus Nr. 12 - IV/2006
Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gewaltfreiheit

Der deutsche Sonderweg
Kurz und griffig: Argumente gegen die Wehrpflicht

Von Ralf Siemens


In Deutschland werden seit 200 Jahren - mit kurzen vom Ausland erzwungenen Unterbrechungen - (junge) Männer über die Wehrpflicht zum Töten und Getötetwerden rekrutiert. Die kaiserliche Armee, die Wehrmacht und die Bundeswehr berufen sich auf den preußischen General Scharnhorst, der die Formel geprägt hat, "jeder Bewohner des Landes (sei) der geborene Verteidiger", als geistigen Urheber der Wehrpflicht in Deutschland. Allerdings ist nie eine deutsche Wehrpflichtarmee zur Verteidigung eingesetzt worden. 1914 und 1939 begann Deutschland die Weltkriege und konnte dabei dank der Wehrpflicht Millionen von Soldaten rekrutieren.


Wehrpflicht verletzt Grundrechte

Nicht nur in die persönlichen Freiheitsrechte wird eingegriffen; die Wehrpflicht verletzt die Würde des Menschen. Eingezwängt in ein strikt hierarchisch strukturiertes Militärsystem bleibt dem Einzelnen nur das Ausführen von Befehlen, wird von ihm Todes- und Tötungsbereitschaft verlangt. Handelt er hingegen als eigenständige Person, nur sich selbst und nicht einem Vorgesetzten verantwortlich, wird er mit disziplinarischen und strafrechtlichen Mitteln bestraft.

Wehrpflicht heißt u.a.:

- jährlich werden mehr als 400.000 männliche Jugendliche durch Einwohnermeldeämter wehrrechtlich erfasst und ihre personenbezogene Daten an die Wehrverwaltung übermittelt (Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung).

- Wehrpflichtige müssen darüber hinaus Informationen über Schule und Ausbildung, Sprachkenntnisse, Berufswünsche, soziale und familiäre Hintergründe etc. preisgeben (Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung).

- Wehrpflichtige müssen sich militär psychologischen und militärärztlichen Untersuchungen unterziehen (Verstoß gegen das Recht auf Schutz der Menschenwürde und gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung).

- Wehrpflichtige müssen sich während des "Dienens" dem Prinzip von Befehl und Gehorsam beugen (Verstoß gegen das Recht auf Schutz der Menschenwürde).

- Wehrpflichtige müssen während des "Dienens" auf gewohnte soziale Kontakte verzichten (Verstoß gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit).

- Wehrpflichtige werden zum Töten erzogen (Verstoß gegen das Recht auf Schutz der Menschenwürde).

- Wehrpflichtige werden durch den Staat dem Getötetwerden preisgegeben (Aufhebung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit).

- Wehrpflichtige sind in ihrer Freizügigkeit und Reisefreiheit eingeschränkt (Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Freizügigkeit).

Für diese massiven Grundrechtseinschränkungen gibt es keine sicherheitspolitische Begründung. In den im Mai 2003 erlassenen Verteidigungspolitischen Richtlinien heißt es unter Punkt 9: "Eine Gefährdung deutschen Territoriums gibt es derzeit und auf absehbare Zeit nicht." Das Weißbuch der Bundesregierung vom Oktober 2006 erweitert die Nichtgefährdung um das Nato Bündnisgebiet ("... bedrohliche Entwicklungen (sind) auf absehbare Zeit unwahrscheinlich.")


Wehrpflicht kriminalisiert

Die Wehrpflicht kann nur durch ein Strafsystem aufrecht erhalten werden, das Tausende junger Menschen kriminalisiert oder zu Objekten macht, die es offensichtlich einzusperren gilt.

Im vergangenen Jahr haben die Bundeswehr und das für den Zivildienst zuständige Bundesamt insgesamt 1.097 Strafanzeigen wegen der Delikte "eigenmächtige Abwesenheit" oder "Dienstflucht" gegen Wehrpflichtige gestellt. Darüber hinaus wurden truppenintern 672 freiheitsentziehende Disziplinarstrafen bis zu 21 Tagen Dauer gegen Grundwehrdienstleistende verhängt.

Die eingeleiteten Strafverfahren wegen wiederholter "Abwesenheit von der Truppe" richten sich in 569 Fällen gegen wehrpflichtige Soldaten und in 90 Fällen gegen freiwillig Wehrdienstleistende. "Eigenmächtige Abwesenheit" liegt vor, wenn ein Dienstleistender länger als drei Tage von der Truppe abwesend ist. Das kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Zivildienstleistende wurden 438 mal wegen der strafrechtlichen Vorwürfe "Abwesenheit" und "Dienstflucht" angezeigt. Dienstflucht setzt ein dauerndes Fernbleiben voraus und kann zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe führen.

Das Grundgesetz lässt nur die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen zu. Auch der Zivildienst ist im Rahmen der Wehrpflicht und der zivil militärischen Planung ein Kriegsdienst, wenn auch ohne Waffen. Wer totalverweigert, kann nach wie vor mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Wer sich der Wehrpflicht offensiv und nicht trickreich ganz oder zum Teil verweigert, wird kriminalisiert. Die Wehrpflicht hat nichts mit Demokratie zu tun. Zwangsdienste entsprechen obrigkeitsstaatlicher Tradition.


Wehrpflicht wird angepasst

Nach 1990 haben die Alt NATO Mitgliedsstaaten Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal und Spanien ihre Wehrstruktur auf Freiwillige umgestellt. Die USA, Großbritannien, Kanada und Luxemburg unterhielten bereits zu Zeiten des Kalten Krieges Freiwilligenarmeen. Von den nach 1990 der Nato beigetretenen 10 Staaten haben bereits acht Länder die Wehrpflicht aufgegeben bzw. entsprechende Beschlüsse gefasst, zuletzt Polen im Oktober 2006.

Neben der BRD wird lediglich in der Türkei, Griechenland, Norwegen, Litauen und Estland an der Wehrpflicht festgehalten. Hauptmotiv für den Ausstieg aus der Wehrpflicht waren Wehrgerechtigkeitsprobleme und die politische Entscheidung, die Streitkräfte für Auslandseinsätze zu professionalisieren.

Hierzulande verteidigt eine Koalition aus CDU/CSU, SPD und oberster Führungsriege der Bundeswehr die Wehrpflicht verbissen. Allerdings haben auch sie kein Interesse mehr an der Durchsetzung einer wirklichen allgemeinen Wehrpflicht und der Existenz einer Wehrpflichtarmee. Sonst müsste wie in den 1980er Jahren etwa jeder Zweite eines männlichen Jahrgangs zum Grundwehrdienst, bei gegenwärtig deutlich über 400.000 jungen Männern eines Jahrgangs also gut 200.000, einberufen werden.

Auch die Befürworter der Wehrpflicht wollen professionelle Streitkräfte, um deutsche Interessen kriegerisch weltweit durchsetzen zu können. Entsprechend ist die Wehrpflicht an eine auf weltweite Einsätze ausgerichtete Bundeswehr angepasst worden.

War in den 1980er jahren noch fast jeder zweite aktive Soldat der Bundeswehr Grundwehrdienstleistender, so ist ihr Anteil gegenwärtig auf unter 15 Prozent gesunken. (Im Oktober 2006 waren von 253.393 Soldaten lediglich 37.348 Grundwehrdienstleistende). Nach den gültigen Planungen der zukünftigen Personalstruktur werden von 252.500 Soldaten und Soldatinnen 222.500 Freiwillige und 30.000 Grundwehrdienstleistende sein. Damit wäre nicht einmal jeder Achte innerhalb der "Wehrpflichtarmee" Bundeswehr tatsächlich Grundwehrdienstleistender. Wehrpflichtarmee Bundeswehr? Die Wehrpflicht ist längst schon kein strukturbestimmendes Merkmal der Streitkräfte mehr.


Wehrungerechtigkeit

"Nach den Vorgaben des Grundgesetzes haben grundsätzlich alle männlichen Staatsbürger einen Beitrag zur Sicherheit und Verteidigung unseres Landes zu leisten", ist dem Weißbuch zu entnehmen. Kein Grundsatz ohne Ausnahme, so auch hier. Allerdings ist die Ausnahme der Grundwehrdienst, und die Regel die Ausmusterung, das Nichtgemustertwerden oder das Absolvieren eines Ersatzdienstes.

Da der Personalersatzbedarf an Wehrpflichtigen drastisch gesenkt wurde, die Jahrgangsstärken seit Jahren bei deutlich über 400.000 männlichen Jugendlichen liegen, kann die Bundeswehr nur noch einen kleinen Teil eines Jahrgangs ausschöpfen. Damit verbunden ist eine Kollision mit der grundgesetzlichen Norm der Gleichbehandlung aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Wenn es eine Wehrpflicht gibt, muss sie "gerecht" organisiert sein. Die "Wehrgerechtigkeit" ist eine verfassungsrechtliche Voraussetzung der Wehrpflicht. Wehrgerechtigkeit ist für die Bundesregierung hergestellt, wenn der überwiegende Anteil der Dienstfähigen auch zum Dienst herangezogen wird. Was tun, wenn nun jedes Jahr weit über 400.000 Männer wehrpflichtig werden und nur ein geringer Teil zum Dienst in der Bundeswehr einberufen werden kann?

Zehntausende werden einfach nicht zur Musterung geladen. Den Jahrgängen 1984 bis 1986 gehören 1,3 Millionen Männer an. Aber nur 1,13 Millionen Musterungen wurden von 2003 bis 2005 durchgeführt, und darunter waren neben Erst- auch erneute Musterungen. Schon fallen mindestens 200.000 Wehrpflichtige durch die Wehrpflichtmaschen.

Die zweite Stellschraube ist die Ausmusterung. 2003 waren noch 81 Prozent Gemusterte "wehrdienstfähig", 2005 nur noch 57 Prozent. Schon sind von über 400.000 Wehrpflichtigen nicht mehr 300.000, sondern nur noch 200.000 zum Wehr- oder Zivildienst einberufbar.

Gegenwärtig gilt die Faustregel: Rund zwei Drittel eines Jahrgangs brauchen nicht zu dienen, jeder Fünfte leistet Zivildienst, lediglich jeder Zehnte leistet den grundgesetzlich vorgesehenen "Regeldienst" namens Wehrdienst. Das Dienen in der Armee ist zur Ausnahme geworden.


Wehrpflichtdogma

Die Wehrpflicht habe sich "uneingeschränkt bewährt", garantiere eine "hohe Professionalität und gesellschaftliche Integration", sichere ein "umfangreiches Potenzial schnell verfügbarer Kräfte zum Schutz Deutschlands" und schaffe eine "Grundlage, um geeigneten Nachwuchs an länger dienenden Soldaten" zu erhalten (Weißbuch 2006).

Eine sicherheitspolitische Legitimation der Wehrpflicht bleibt das Weißbuch schuldig. In der Regel berufen sich Militärs und "Wehrexperten" der SPD/CDU/CSU in ihrem beharrlichen Festhalten an der Wehrpflicht auf auch die im Weißbuch vorgebrachten Gründe: Ohne Wehrpflicht würden ausgebildete Reservisten für Krisenzeiten fehlen und es drohe eine gesellschaftliche Abkoppelung der Bundeswehr, denn die Wehrpflicht garantiere eine gesellschaftliche Kontrolle und Integration der Streitkräfte.

Da es selbst aus Sicht der Militärs auf absehbare Zeit keine militärische Bedrohung bundesdeutschen Territoriums und des Bündnisgebietes gibt, entfällt die Begründung für eine in Krisenzeiten schnell mit ausgebildeten Reservisten aufzufüllende Bundeswehr, jedenfalls zu Verteidigungszwecken. Andersherum: Nur weil vielleicht, eventuell, irgendwo auf der Welt oder aus dem All von Außerirdischen in 20 oder 40 Jahren oder auch gar nicht, eine solche Bedrohung auftreten könnte, müssen bis dahin Millionen von jungen Staatsbürgern "dienen".

Auch von kritischer Seite kommt häufig der Einwand, dass die Wehrpflicht eine Kontrolle der Streitkräfte garantiere. Dieses Argument wird durch ständiges Wiederholen nicht richtiger. Wehrpflichtige üben grundsätzlich keine Kontrollfunktion aus. Sie dienen auf der untersten Ebene innerhalb der strikten militärischen Ordnung: Sie werden erzogen zum Grüßen, Bettenmachen, zum militärisch richtigen Gehen, Reinemachen, Meldungmachen, Strammstehen, Töten - kurzum: zum Gehorchen. Dieses militärische Prinzip ist denkbar ungeeignet, Rekruten eine Kontrollaufgabe zuzuweisen. Sie kommen in eine für sie fremde, nach außen abgeschottete Welt, werden aus ihren sozialen Beziehungen gerissen und lernen, dass sie erst mal alles falsch machen und selbst nichts mehr zu melden haben.

Aber selbst unterstellt, Wehrpflichtige könnten eine Kontrollfunktion ausüben, wäre dies mit der gegenwärtigen Wehrpflichtpraxis nicht möglich. Die Bundeswehr hat bereits vor Jahren den Charakter einer Freiwilligenarmee angenommen. Wenn wie gegenwärtig nur noch jeder siebente, zukünftig jeder achte Soldat Grundwehrdienstleistender ist, wenn gerade in den für weltweite Interventionen vorgesehenen schnell verfügbaren Einheiten der "Eingreifkräfte" ausschließlich Freiwillige dienen, erübrigt sich dieses Argument. Außerdem bringen diejenigen, die sich heute noch zum Wehrdienst einberufen lassen, in der Regel gegenüber der Bundeswehr nicht das nötige kritische Bewusstsein mit, sich mit militärischen Strukturen und Normen auseinander zu setzen oder gar zu widersetzen. Dort, wo eine gesellschaftlichen Kontrolle am notwendigsten wäre, sind Wehrpflichtige nie präsent: in Kommandostäben und Führungszirkeln.

Das immer noch zu vernehmende Argument, Wehrpflichtige würden auch vor gefährlichen oder riskanten Auslandseinsätzen schützen, ist angesichts der deutschen Militärgeschichte einschließlich derjenigen der Bundeswehr geradezu abenteuerlich. Die Teilnahme an den Kriegseinsätzen gegen Jugoslawien 1999 und in Afghanistan seit 2001 sowie die aktive Unterstützung des Krieges gegen den Irak 2003 wurden nicht durch wehrpflichtige Soldaten kritisiert, sondern nur vereinzelt durch Zeit- und Berufssoldaten. Außerdem hat der politische Entscheidungsträger bestimmt, dass Grundwehrdienstleistende nicht zu Auslandseinsätzen abkommandiert werden (was allerdings rechtlich möglich wäre). Deshalb dienen Wehrpflichtige auch nicht in den Interventionseinheiten.

Bleibt das Argument, die Wehrpflicht sichere den Nachwuchs an "geeigneten" Freiwilligen. Dieses Argument verweist auf eine zivilisatorische Entwicklung in Deutschland. Denn in der Tat wenden sich Wehrpflichtige von der Bundeswehr ab, je höher ihre schulische oder berufliche Qualifikation ist. Aber deshalb das Zwangssystem der Wehrpflicht aufrecht zu erhalten, kann weder verfassungsrechtlich noch demokratietheoretisch Bestand haben. Auch gibt es Rekrutierungsprobleme trotz bestehender Wehrpflicht. So wurden mit dem 1. Oktober 2006 die Anforderungen "für freiwillig länger dienende Wehrpflichtige" hinsichtlich der sozialen Kompetenz und Belastbarkeit herabgesetzt, und ab 2007 werden nur noch Offiziersanwärter psychologisch auf ihre Eignung untersucht.


Wehrpflicht militarisiert

Sachliche Gründe sind es nicht, die die Wehrpflichtabschaffung verhindern. Es scheint insbesondere eine deutsche Tradition zu sein, das Dienen in der Armee als "Schule der Nation" zu begreifen. Jeder, der dient, akzeptiert den staatlichen Gewaltapparat Militär, jeder, der der Aufforderung nachkommt, sich militärärztlich untersuchen zu lassen, akzeptiert dadurch die damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen. Der Einzelne wird an die Existenz des Militärs gewöhnt, soll das Militärische als etwas "Normales" erfahren und begreifen. Und derjenige, der dient, wird militärisch sozialisiert, begreift militärische Gewalt als etwas Normales, trägt militarisierte Verhaltensweisen und militarisiertes Denken aus der Kaserne heraus. Wehrpflichtige demokratisieren nicht die Armee; umgekehrt wird ein Schuh draus: Wehrpflichtige militarisieren das Zivilleben und tragen dazu bei, Militär und militärisches Handeln als selbstverständlich hinzunehmen. Die Einwirkung militärischer Werte trifft auf Menschen, die sich in der Regel noch in einer sensiblen Phase ihrer Persönlichkeitsfindung befinden. Dabei spielt die Vermittlung traditioneller Männlichkeitsbilder eine große Rolle: Gewalt, Ehre, Tapferkeit, Mut, Vaterland.

Die anhaltenden Rekrutierungsprobleme der USA verweisen auch noch auf ein anderes Wehrpflicht-immanentes Argument, nicht offen ausgesprochen, aber manifest. Führt eine Armee keinen "Verteidigungskrieg", sondern den schmutzigen Krieg einer Besatzungsmacht, wird der patriotische oder nationalistische Kitt zu rissig, als dass sich Männer in genügender Anzahl freiwillig als Soldat melden oder bewerben. Eine Freiwilligenarmee ist auf die freiwillige Verpflichtung von Soldaten angewiesen. Ein Wehrpflichtsystem kann den Personalersatz für "Ausfälle" durch Tod und Verwundung eigener Soldaten - die Bedeutung des Wortes "Wehrersatzwesen" wird offensichtlich - flexibler ausgleichen. Für soldatische Grundleistungen wie Bewachungs- und Sicherungsaufgaben bedarf es keiner hochqualifizierten Spezialisten. Denen kommt der Angriff auf den Gegner und die Eroberung eines Gebietes zu. Dieses Gebiet dann aber militärisch zu kontrollieren, bedarf es vor allem einer großen Anzahl von Besatzungssoldaten. Dabei gilt die Faustregel 20 Soldaten pro 1.000 Einwohner. Dies hieße beispielsweise für Afghanistan eine Streitmacht von etwa 500.000 Soldaten!


Fazit

Wehrpflicht dient dem Zweck, für das Militär und für militärisches Handeln eine gesellschaftliche Unterstützung zu schaffen. Wehrpflicht ist ein Mittel, um die Bevölkerung auf Krieg einzustimmen.

Und weiterhin ist die Wehrpflicht ein Kriegsführungsmittel. Der deutsche Sonderweg, die Verknüpfung moderner und global ausgerichteter Streitkräfte mit der Wehrpflicht, ist gefährlich. Wer seine Streitkräfte auf Auslandseinsätze, auf Kriege zur Durchsetzung vornehmlich wirtschaftlicher Interessen ausrichtet, und gleichzeitig die Wehrpflicht aufrecht erhält, schafft sich ein Instrument zur Führung langanhaltender und großer kriegerischer Auseinandersetzungen.

Deshalb kann aus friedenspolitischen und menschenrechtspolitischen Gründen die Forderung nur lauten: ersatzlose Abschaffung der Wehrpflicht. Eine einfache Mehrheit im Bundestag genügt, um zumindest die Aussetzung der Wehrpflicht zu erreichen.


Ralf Siemens ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung (www.asfrab.de). Dieser Text ist im November 2006 als Positionenpapier 3 der Arbeitsstelle erschienen.


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Quelle:
Forum Pazifismus - Zeitschrift für Theorie und Praxis
der Gewaltfreiheit Nr. 12, IV/2006, S. 24
Herausgeber: Internationaler Versöhnungsbund - deutscher Zweig,
DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen) mit der Bertha-von-Suttner-Stiftung der
DFG-VK, Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und Werkstatt für
Pazifismus, Friedenspädagogik und Völkerverständigung PAX AN
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2007