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FREE GAZA/174: Arabisch-israelische Free-Gaza-Delegation unter Auflagen auf freiem Fuß (Adalah)


Adalah - Pressemitteilung, 3. Juni 2010

Amtsgericht ordnet Freilassung der auf der Gaza Freedom-Flottille verhafteten Delegation arabischer Führungspersönlichkeiten an und verhängt strikte Auflagen

Verteidigerteam prüft Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen


(Haifa, Israel). Heute Morgen, Donnerstag, den 3. Juni, hat das Amtsgericht in Ashkelon die Freilassung einer Gruppe arabischer Führungspersönlichkeiten verfügt - Herrn Muhammed Zeidan, den Vorsitzenden des 'High Follow-up Committee for Arab Citizens of Israel'; Sheikh Raed Salah, Leiter des 'Islamic Movement' in Israel; Sheikh Hamad Abu Daabes, Leiter des 'Islamic Movement' in Israel (Abteilung Süd), und Frau Lubna Masarwa vom 'Free Gaza Movement' und von der Al Quds-Universität - und folgende Auflagen erlassen:

1. Daß sie bis zum 8. Juni 2010 in Hausarrest bleiben
2. Daß sie das Land in den nächsten 45 Tagen nicht verlassen
3. Daß eine Kaution von 150.000 Schekel von einer dritten Partei hinterlegt wird

Während der gerichtlichen Anhörung hat die Polizei noch bei weitem restriktivere Bedingungen für ihre Freilassung gefordert, als die vom Gericht verfügten, einschließlich eines sechsmonatigen Reiseverbots. Das Verteidigerteam - das sich aus den Adalah-Anwälten Hassaan Jabareen und Orna Kohn sowie den Anwälten Hussein Abu Hussein und Khaled Zabargha vom 'Meezaan Center for Human Rights' in Nazareth zusammensetzt - hat gegen alle Auflagen Widerspruch eingelegt. Ihr Argument ist, daß alle vier Führungspersönlichkeiten ohne Auflagen freigelassen werden sollten, weil ihre Gefangennahme illegal war. Wie das Verteidigerteam betonte, wurden sie aufgrund politischer Erwägungen inhaftiert, was auch für die mit der Freilassung verbundenen Auflagen galt, die die Polizei forderte.

Nach der heutigen Bekanntgabe des Gerichtsbeschlusses kündigte das Verteidigerteam an, daß es die Möglichkeit prüfen werde, vor dem Landgericht in Beer Sheva Rechtsmittel gegen die mit der Freilassung verknüpften Auflagen einzulegen.

Die vier Führungspersönlichkeiten waren am Montag, dem 31. Mai 2010, verhaftet worden, nachdem das israelische Militär die Freedom-Flottille angegriffen und die Mavi Marmara - das Schiff, auf dem sie sich befanden - übernommen hatte. Am Dienstag, den 1. Juni, verlängerte das Gericht ihre Haft nach neunstündiger Anhörung für eine Woche.

Auch wenn kein Urteil gefallen ist, führt der Staat ins Feld, daß eine Reihe von Straftaten in Frage kommen könnte, wie Verschwörung zur Begehung eines Verbrechens sowie der Besitz und Gebrauch von Waffen. Der Staatsanwalt machte vor Gericht deutlich, daß sein Antrag die Führungspersönlichkeiten in Untersuchungshaft zu behalten, mit der Politik des Staates übereinstimme, gegen israelische Staatsbürger, die sich an der Freedom-Flottille beteiligen, zu ermitteln und sie zu verhaften.

Aus Sicht des Teams der Verteidigung widersprechen der Antrag des Staates sowie der Gerichtsentscheid den grundlegenden Prinzipien des Strafrechts, das verlangt, daß Personen allein aufgrund ihrer individuellen Taten verurteilt werden. Die Vertretung der Anklage führt an, daß die israelischen Marinesoldaten von den Passagieren auf dem Schiff angegriffen wurden; allerdings legte sie keine Beweise vor, die belegen, daß irgendeine dieser vier Personen an dem Angriff teilgenommen hat oder dafür verantwortlich ist.

Darüber hinaus macht das Verteidigerteam geltend, daß der Entscheid die Inhaftierten diskriminiert und selektiver Strafverfolgung allein aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit nahekommt. Sie werden nicht aufgrund ihrer israelischen Staatsangehörigkeit interniert, sondern weil sie palästinensisch-arabische Bürger Israels sind.

Die Anwälte schickten eine Reihe grundlegender Argumente vor Gericht voraus und plädierten für die Freilassung der vier Führungspersönlichkeiten. Sie legten dar, daß israelische Gerichte in dem Fall nicht zuständig seien, da sich das Schiff zur Zeit des Angriffs der israelischen Marine in internationalen Gewässern befunden hätte. Die Staatsanwaltschaft sah sich nicht in der Lage, auf die Frage zu antworten, welche Berechtigung das israelische Militär hatte, das Schiff in internationalen Gewässern anzugreifen.

Die Anwälte machen zudem geltend, daß die Haft prima facie(*) illegal sei, da Verhaftete dem Gesetz nach binnen 24 Stunden einem Richter vorgeführt werden müssen. In diesem Fall jedoch waren die vier Personen bereits fast 40 Stunden in Haft, bevor man sie vor Gericht stellte. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei wendeten ein, die Haftzeit sei erst ab dem Zeitpunkt zu berechnen, als sie den Hafen Ashdod erreichten. Die Anwälte der Verteidigung entgegneten jedoch, daß ihre Haft in dem Moment begann, in dem man sie auf dem Schiff festnahm, da ihnen damit die Freiheit genommen wurde. Man erlaubte ihnen weder einen Anwalt zu treffen noch wurden sie im Rahmen der gesetzlichen Frist einem Gericht vorgeführt.


Über Adalah

Adalah (auf arabisch "Gerechtigkeit") ist eine unabhängige Menschenrechtsorganisation und ein Rechtshilfezentrum. Im November 1996 gegründet, widmet sich Adalah der Förderung und der Verteidigung der Rechte der arabisch-palästinensischen Bürger in Israel, die sich auf 1,2 Millionen Menschen beziffern oder fast 20% der Bevölkerung, sowie der Palästinenser, die in den 'Besetzten Palästinensischen Territorien' (OPT) leben.


Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:
(*) prima facie: dem ersten Anschein nach

Zur Original-Pressemitteilung:
http://www.adalah.org/eng/pressreleases/pr.php?file=03_06_10<</p>

*


Quelle:
Adalah
Pressemitteilung, 03.06.2010
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94 Yaffa Street, PO Box 8921
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Tel: (972)-4-950-1610, Fax: (972)-4-950-3140
E-Mail: adalah@adalah.org
Internet: www.adalah.org
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2010