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OFFENER BRIEF/032: An Bundespräsident Gauck zu indigenen Rechten in Äthiopien (Survival)


"Survival International" - Deutsche Sektion - 18. März 2013

Offener Brief an Bundespräsident Gauck zu indigenen Rechten in Äthiopien



In einem offenen Brief an Joachim Gauck hat Survival International den Bundespräsidenten aufgefordert, die Menschenrechtslage im Unteren Omo-Tal gegenüber der äthiopischen Regierung anzusprechen.

Gestern ist der deutsche Bundespräsident für einen dreitägigen Staatsbesuch nach Äthiopien gereist und wird dort von Äthiopiens Premierminister empfangen. Heute steht ein Treffen mit Vertretern der äthiopischen Zivilgesellschaft auf dem Programm. In Äthiopien wird diese aber immer noch unterdrückt, wie man es am Fall der indigenen Bevölkerung im Omo-Tal, im Süden des Landes, regelmäßig feststellt.

Joachim Gauck wird im offenen Brief darauf aufmerksam gemacht, dass "Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen indigener Völker im Unteren Omo-Tal (...) eskalieren, da die äthiopische Regierung die Entwicklung von Plantagen auf dem angestammten Land der indigenen Bevölkerung fördert (...) Dutzende Menschen wurden geschlagen, festgenommen und inhaftiert, weil sie sich gegen die Vertreibung wehrten. Militäreinheiten patrouillieren die Plantagen und unterdrücken jeglichen Dissens und Protest."

Durch die Plantagen auf ihrem Land und den damit verknüpften Gibe III-Staudamm droht bis zu 200.000 Angehörigen indigener Völker der Verlust ihrer Lebensgrundlage. Wenn sie nicht mehr selbstständig überleben können, werden sie auf die Hilfe des Staates angewiesen sein.

Die Vertreibungen im Omo-Tal sind ein Verstoß gegen die UN-Erklärung zu den Rechten indigener Völker, die sowohl von Äthiopien als auch von Deutschland unterstützt wird.

*

Survival International
Deutschland e.V.

Bundespräsident Joachim Gauck
Bundespräsidialamt
Spreeweg 1
10557 Berlin

Berlin, den 15. März 2013

Betreff: Reise in die Demokratische Bundesrepublik Äthiopien

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

Untersuchungen von Nicht-Regierungsorganisationen, darunter Survival International und Human Rights Watch, zeigen, dass Menschenrechtsverletzungen gegenüber AngehÖrigen indigener Völker im Unteren Omo-Tal (Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker) eskalieren, da die äthiopische Regierung die Entwicklung von Plantagen auf dem angestammten Land der indigenen Bevölkerung fördert. Dies umfasst auch das Aufstauen des Omo-Flusses (Gibe III-Staudamm) für Bewässerungssysteme und die Umsiedlung einst autarker Gemeinden.

Seit die Regierung damit begonnen hat, das Land der indigenen Völker an staatliche und private Unternehmen zu verpachten - etwa um Zucker, Baumwolle und Palmöl zu kultivieren - ist offensichtlich geworden, dass das abschließende Ziel der äthiopischen Regierung die Zwangsumsiedlung der indigenen Völker des Unteren Omo-Tals in designierte Umsiedlungsgebiete ist. Die Behörden haben bereits begonnen die Bodi, Mursi, Kwegu und Suri-Völker unter Zwang in die Umsiedlungsgebiete zu bewegen. Dutzende Menschen wurden geschlagen, festgenommen und inhaftiert, weil sie sich gegen die Vertreibung wehrten. Militäreinheiten patrouillieren die Plantagen und unterdrücken jeglichen Dissens und Protest.

Als Ackerbauern und Viehzüchter zählen die Völker im Unteren Omo-Tal zu den selbstständigsten und autarksten Gruppen in Athiopien. Sie zur Umsiedlung in Lager zu zwingen, bedeutet, sie ihres Viehs und des Getreides, das sie am Fluss anbauen, zu berauben. Es zwingt sie in die vollständige Abhängigkeit der Regierung. Ahnliche Vertreibungen in anderen Regionen Athiopiens haben ganze Gemeinden in die Armut gestürzt und Spannungen im Wettbewerb um begrenzte Ressourcen erhöht. Die Vertreibungen im Omo-Tal verletzen die UN-Erklärung zu den Rechten indigener Völker, der sowohl Deutschland als auch Atniopien zugestimmt haben.

Survival lnternationals Recherchen und Quellen haben ergeben, dass die Betroffenen weder konsultiert wurden, noch ihre freie, vorherige und in Kenntnis der Sachlage erteilte Zustimmung zu den genannten Plantagenprojekten oder ihrer Umsiedlung gegeben haben.

Gibe III hat zudem gravierende Folgen für die rund 300.000 lndigenen im Norden Kenias, die von den Fischen und dem Wasser des Turkana-Sees abhängen. 90 Prozent des Wassers, das in den Turkana-See fließt, entstammt dem Omo. Wenn der Staudamm und die Bewässerungskanäle in Betrieb gehen, werden sie den Wasserstand des Sees beträchtlich verringern und seinen Salzgehalt erhöhen.

Mindestens drei unabhängige Studien belegen die drohende Katastrophe für die Region, sollten der Staudamm und die Plantagen-Projekte fertiggestellt werden.

Wir bitten Sie inständig und dringlich, die Lage der indigenen Bevölkerung im Unteren Omo-Tal bei den Verantwortlichen in Athiopien zu thematisieren.

Mit freundlichen Grüßen

Linda Poppe
Koordinatorin

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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. März 2013
Survival Deutschland
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalderstr. 4, 10405 Berlin
Telefon: 49 (0)30 72 29 31 08, Fax: 49 (0)30 72 29 73 22
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Internet: www.survival-international.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2013