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STANDPUNKT/019: Inkonsequente Haltung einiger Teile der deutschen Friedensbewegung (Afsane Bahar)


Die inkonsequente Haltung einiger Teile der deutschen Friedensbewegung
bezüglich der NATO und der militärischen EU-Einheiten.

von Afsane Bahar, 9.12.2011


Wer aus dem Gang der Geschichte keine Lehren zieht, wird wohl von keinem Lehrer etwas lernen (1)
(Iranisches Sprichwort)

Vom 3. bis 5. Dezember 2011 fanden in Bonn vielfältige Protestaktionen eines breiten Bündnisses der Friedens- und Antimilitarisierungsbewegung gegen den NATO-Angriffskrieg in Afghanistan statt (2). Unter anderem wurde am 4.12.2011 ein internationaler Kongress veranstaltet, während dessen eindeutig und fundiert auf die entscheidende logistische und politische Rolle Deutschlands bei der Unterhaltung dieses Angriffskrieges im Rahmen des weltweiten Verbrechens "war on terror" hingewiesen wurde.



Claudia von Werlhof schrieb einst (3):

"Es gibt Zeiten, in denen Dinge von ungeheuren Dimensionen geschehen, dass man oder frau kaum noch die Wahl hat, womit er oder sie sich beschäftigt. Man muss sich damit beschäftigen. Aber diese Beschäftigung selbst kann nicht beliebig sein. Sie muss der Dimension der bestehenden Probleme entsprechen, ihr adäquat sein, zumindest versuchen, es zu sein. Die bisherige alte Art, mit den Dingen umzugehen, reicht nicht mehr aus. Das wäre so, als würden die Menschen an einem Strand grundsätzlich nur in Richtung Land schauen. Das ist so lange kein Problem, bis sich hinter ihnen nicht hochhaushohe Tsunami-Wogen aufzutürmen beginnen. So ist es mit uns heute. Wir müssen uns endlich umdrehen, um zunächst einmal zu sehen, zu erkennen, d.h. auch anzuerkennen, was auf uns zukommt. Als zweites wäre zu untersuchen, warum das der Fall ist. Drittens wäre zu überlegen, was noch getan werden kann. Das Vierte ist, es auch zu tun."

Wenn die großen deutschen Friedensorganisation, unter anderem die Ärzteorganisation IPPNW (4), nicht erkennen, dass die entscheidenden Kriege unserer Zeit durch den Neoliberalismus, eine besonders aggressive Variante des Kapitalismus, bedingt sind, werden sie keine adäquaten Antworten auf die lebenswichtigen Fragestellungen der Gegenwart geben können. Sie werden hier und da Flickarbeit betreiben, ihr Gewissen beruhigen, im besten Falle als ein Sicherheitsventil im System des globalisierten Neoliberalismus funktionieren und letztendlich doch der Aufrechterhaltung dieses die Erde vernichtenden Systems dienen.

Die NATO und die militärischen EU-Einheiten sind Instrumente zur gewalttätigen Durchsetzung der Interessen des globalisierten Neoliberalismus. Wann wollen die IPPNW und andere große deutsche Friedensorganisationen endlich den Mut und die erforderliche Konsequenz aufbringen und sich wirksam für die Zielvorgaben "Deutschland raus aus der NATO" sowie "Keine deutsche Beteiligung an den militärischen EU-Einheiten" und letztendlich für die Auflösung dieser Gewaltinstrumente einsetzen?

Wenn den offenen Verbrechen des globalisierten Neoliberalismus, die sich unter anderem in den NATO-Angriffskriegen gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Libyen zeigten bzw. zeigen, kein effektiver Widerstand geleistet wird, werden diese früher oder später auch in Deutschland hautnah zu erleben sein. Wer aus der Geschichte nicht lernt, wird am Ende bitteres Nachsehen haben.



Quellenangaben und Bemerkungen

(1) Als ein kleines Beispiel für die Lehren, die aus der Geschichte gezogen werden können, möchte ich auf die folgende Auswahl hinweisen:

Breaking the silence - Truth and lies in the war on terror; by John Pilger
http://video.google.com/videoplay?docid=-210088912352527308

The war on democracy; by John Pilger
http://video.google.de/videoplay?docid=-3739500579629840148

A brief history of U.S. interventions: 1945 to the present; by William Blum. Z magazine, June 1999
http://www.thirdworldtraveler.com/Blum/US_Interventions_WBlumZ.html

The imperial anatomy of Al-Qaeda; by Andrew Gavin Marshall
part 1: http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20907
part 2: http://globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20944
part 3: http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20975

(2) http://www.afghanistanprotest.de/

(3) Claudia von Werlhof: West-End. Das Scheitern der Moderne als "kapitalistisches Patriarchat" und die Logik der Alternativen. PapyRossa Verlag. 2010; Seite 131

(4) http://www.ippnw.de/


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Quelle:
© 2011 Dr. Amir Mortasawi (alias Afsane Bahar)
E-Mail: afsane.bahar@googlemail.com
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2011