Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → REDAKTION

SERIE/052: Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L. - 25.09.2007 bis 06.10.2007


Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L.

14. Teil - 25.09.2007 bis 06.10.2007


25.9.07

Heute kam das Erwartete: Die Benachrichtigung vom Landgericht, dass meine Haftbeschwerde abgelehnt wurde: "Die Haftgründe bestehen weiter fort. Es gibt keinen Anlaß, die Entscheidung abzuändern." Naja, vielleicht ist es für alle das Beste, daß jetzt endlich Schluß ist.


27.9.07

Morgen werde ich es wieder probieren. Freitag ist ein guter Tag. Heute haben wir wieder Bastelstunde gemacht. Es waren nur wenige Leute da und es war ungewöhnlich ruhig und konzentriert. Sehr angenehm. Ich habe einen Bären (in aufgerichteter Haltung) aus Ton gemacht. Die Vorderpranken waren gefesselt mit Handschellen. Natürlich!

Foto: Gefesselter Bär - von H.L. am 27.9.07 in Neudeck hergestellt

Foto: Gefesselter Bär - von H.L. am 27.9.07 in Neudeck hergestellt


30.9.07

Gestern habe ich es wieder die halbe Nacht lang probiert. Nur zum allerletzten unwiderruflichen Schritt hat mein Mut wieder nicht gereicht. Heute ein neuer Versuch, hoffentlich klappt es diesmal. Jeder Tag hier wird unerträglicher. Ich kann auch all die Gesichter nicht mehr sehen, nur C. mit ihrer ruhigen Art ist mir angenehm. M. ist wahnsinnig aggressiv, total auf sich fixiert und nervt mich zur Zeit tierisch mit ihrem Gequatsche, A. und S. sind nett, aber Kinder. Gestern kam ein Brief von Mutti, sehr traurig, sie fragt sich, was sie bei mir falsch gemacht hat. Was soll das alles jetzt noch? Habe ihr gleich zurückgeschrieben und versucht, sie zu beruhigen. Wie sagte der Gutachter Dr. S. vor Gericht, "Es ist eklatant auffällig, daß 90% der Frauen, die ich begutachte - egal wegen welcher Straftat - keine Vaterbindung haben". Dieser Satz geht mir nicht aus dem Kopf. Auch ich fühlte mich immer durch den Tod meines geliebten Vaters, der starb als ich 4 Jahre alt war, vom Leben betrogen.

Trotz allem - gäbe es nicht die neue deutsche Kriegspolitik mit allem, was dazugehört und Arschkriecherei gegenüber USA und Israel, niemals wäre all das passiert, was passiert ist.


2.10.07

Die "junge Welt" kommt nicht mehr, mag sein, dass jetzt - nach 6 Monaten - das Geschenkabo abgelaufen ist. Mir ist alles egal. Ich habe vorhin im Büro nachgefragt, ich bin immer noch in U-Haft, die Verteidigung hat Revision eingelegt, die nach Meinung der Beamtinnen hier etwas anderes ist als die - mittlerweile abgelehnte - Haftbeschwerde. Ich habe keine Ahnung, was läuft. Egal.


6.10.07

Gestern war die Vertretung von Hrn. F. da, eine Anwältin. Er ist angeblich schon die ganze Woche krank und kann nicht reden, aber ich weiß, daß Fr. S. vorgestern sehr lange mit ihm telefoniert hat. Naja, mir solls recht sein. Er hat vorsorglich Revision eingelegt, nächste Woche wird die Haftbeschwerde, die Richter R. abgeschmettert hatte, vom OLG geprüft. Aber selbst wenn ich rauskommen würde, ich habe keine Ahnung, was mit der Wohnung ist. Ich denke mit Schrecken an mein Girokonto, von dem ja seit März ungefähr 2500 Euro für Mietzahlungen abgebucht wurden und keine Geldeingänge erfolgten. Schätze, das monatlich allein um die 200 Euro Überziehungszinsen anfallen. Dank an Hrn. B., das Beamtenschwein vom Sozialamt, das meinen Antrag seit März unbearbeitet liegen ließ. Fr. S. und Hr. F. haben wohl mit ihm gesprochen, aber trotzdem ist mein Konto total überschuldet. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll, außer dem Einen.

Eben hat sich neben mir eine Frau beschwert, dass ihre Zimmergenossin sie geschlagen hat. Beamtin: "Schreiben Sie halt eine Anzeige, aber seien sie ruhig. Wir wollen Ruhe hier". Das war alles. Ich denke an den Häftlingsmord in Siegburg. Auch hier wollen die Beamtinnen nur eines: ihre Ruhe, sprich Rauchen, Fernsehen, Kaffeetrinken und nicht von den Häftlingen, die wie Tiere zusammengepfercht werden, belästigt werden. Siegburg ist auch in Neudeck, sie haben bisher nur Glück gehabt.

Ich hoffe, ich finde morgen die Kraft zu dem einen Schritt.

Übrigens habe ich heute das schriftliche Urteil bekommen, im Großen Ganzen klingt es ganz gut für mich, obwohl die Strafhöhe natürlich verheerend ist.


Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Bei diesem Gefängnistagebuch handelt es sich um die persönlichen Aufzeichnungen der Heide L., die deren subjektive Erlebnisse und Einschätzungen widerspiegeln. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter wurde gleichwohl durch Anonymisierung auf sämtliche Namensnennungen verzichtet. Der Text wurde in Hinsicht auf Orthographie und Interpunktion originalgetreu übertragen.


*


Quelle:
Gefängnistagebuch von Heide Luthardt
© 2010 Irmgard Luthardt und Dr. Hans Luthardt


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2010