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SERIE/064: Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L. - 21.01.2008 bis 25.01.2008


Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L.

26. Teil - 21.01.2008 bis 25.01.2008


21.8.08 [*]

[*] Anmerkung der Redaktion Schattenblick:
gemeint ist der 21. Januar 2008

Die Luft im Bunker ist zum Schneiden dick, die dicke Tür fast hermetisch verschlossen, das Fenster ist auch total dicht. Mir ist speiübel.

Um 11.15 kam eine Beamtin an die Zelle und sagte, sie würde mich schon in einer halben Stunde rauslassen, damit ich auf der D I Hofgang machen kann. Ich sollte alle Sachen zusammenlegen und sie müssten mich auch noch einmal körperlich untersuchen. Sie war nett. Ich sagte, aber perverse Verrenkungen mache ich nicht. "Brauchen Sie auch nicht". Vom Mittagessen, dass sie mir da ließ, habe ich nur den Salat gegessen, sonst nichts.

Sie kamen zu zweit, waren nett, kontrollierten alle Sachen, dann zog ich mich aus, ich fragte noch, ob jetzt die Erniedrigungszeremonie kommt "Das wollen wir vermeiden". Sie behandelten mich wie ein rohes Ei, starrten mich auch nicht an. "Können Sie kurz die Füße heben" sagte die nette Beamtin in freundlichem Ton, "Bitte die Hände innen und außen zeigen" und "wenn es geht, bitte einmal kurz die Arme heben, damit wir die Achselhöhlen sehen können." Das In-die-Knie gehen ersparten sie mir. Dann sagte die Beamtin noch "Vielen Dank". Das erste Mal, dass jemand diese Kontrolle diskret, freundlich und einfühlsam und mit Sensibilität durchführte. Ich hatte vorher totale Panik und war unheimlich erleichtert, daß es nicht wieder Kämpfe gab.

Auf der D I war mein Fernseher schon aus meiner Zelle geräumt: Freizeitsperre bis zum 10.2. drei Wochen!, Einkaufssperre bis 29.2.! Schöne Aussichten. Beim Hofgang lange mit A. gequatscht und Tischtennis gespielt, argwöhnisch von Fr. J. & S. beobachtet. Dann hieß es, ich müsse meine Medikamente jeden Morgen auf der KA abholen. Nachmittags ging ich zu Dr. W. Er war freundlich und sanft, ein völlig anderer Mensch als am Donnerstag. Die Zeit in der Monitorzelle und dem Bunker kommt mir vor wie ein Alptraum. Noch ein Alptraum. Dr. W. trug mich noch einmal zum Zahnarzt ein, auf die 1. Eintragung von Mitte Nov. ist garnichts passiert. - Mal sehen ob's diesmal klappt. Blutdruck 130/80 - super. Außerdem veranlasste er, daß ich meine Blutdrucktabletten morgens im Büro nehmen kann. Gott sei Dank. Ich bin erschöpft und schlapp, die Vorkommnisse seit Mittwoch haben mich ziemlich mitgenommen.


22.1.

Früh war ich im Büro, meine Medikamente waren natürlich nicht da. "Die Schlampen" sagte ich, hinterher kam die Angst vor erneuter Repression. Die Beamtin telefonierte mit der Schwester, die sagte, ich müsse in die KA kommen. Dort erzählte ich der Schwester, dass ich gestern mit Dr. W. gesprochen hätte und er auch in meine Akte eingetragen hat, dass ich die Medikamente im Büro bekomme "Das werde ich nachher mit dem Doktor klären". "Sie brauchen nur in meine Krankenakte schauen, da steht es dick und fett drin". "Ich werde das nachher mit dem Doktor klären" usw. usw. Zwecklos. Schickane pur. Man weiß, daß man am "längeren Hebel sitzt". Vormittags ging ich zum Büchertausch, obwohl garnichts zu tauschen war, einfach nur so, zum Smalltalk. Habe mich auch nett unterhalten.

Nachmittags war Schuheinkauf, total überteuert. Ich habe mir trotzdem ein paar Sandalen mit Fußbett gekauft (für ca. 17 Euro), leider ohne Riemen hinten. Vielleicht kann ich ja irgendwie improvisieren. A. war auch beim Schuheinkauf. Wir haben hinterher noch eine Weile gequatscht und das zurückgehen auf die D I solange wie möglich hinausgezögert.


23.1.

Heute war ich wieder zur Einnahme meiner Blutdrucktabletten in der KA. Die Schwester sagte, es wäre von Herrn Z. so angeordnet. Aha, sie wollen sich wohl absichern, falls etwas passiert. Verständlich. Habe trotzdem einen Antrag an Hrn. Z. geschrieben, damit er die Anordnung zurücknimmt. Versuchen kann ich's ja. Herrliches Wetter heute, wir haben beim Federballspielen viel gelacht.


25.1.

Gestern war ich endlich - nachdem ich Mitte November den Antrag gestellt habe - beim Zahnarzt. Es war ein junger, sehr netter Arzt, der mir meine lockere Krone wieder angeklebt und auch mein Gebiss kontrolliert hat. Alles top i.o. - zum Glück. Im Wartezimmer war neben netten Frauen auch eine aus der Kathegorie, die ich hasse - Typ Mädchengang = dreist, überheblich, große Klappe, aggressiv.

Heute wurde im Bundestag wieder einmal der Opfer des Nationalsozialismus gedacht, wobei wieder einmal größte Betroffenheit und Einsicht zu Schau gestellt wird, während gleichzeitig die Kriegspolitik und die Weltmacht-Ambitionen der Nazies wieder zu voller Blüte erwacht sind, der Afghanistan Feldzug der Bundeswehr als Vasall des Bush-Regimes jetzt gern offen als Kampfeinsatz bezeichnet wird. Zuerst wurde das Volk mit humanitärer Hilfe und Logistikleistungen eingelullt und hat sich wieder einlullen lassen, dann kamen die Tornado "Aufklärungsflüge" dazu, jetzt kennt man gar keine Hemmungen mehr, und wieder schweigt die absolute Mehrheit - wie damals. Sie lügen, dass sich die Balken biegen, bezeichnen schwarz als weiß, Massenmord und Besatzung als "Friedensmission", Folter als "intensive Befragung" und ihren eigenen Terror als "Krieg gegen Terror". Verlogener, perfider und schizophrener geht es nicht mehr. Deutsche Nato-Generale plädieren für nukleare Erstschläge als neues Nato-Konzept, massive Kriegstreiberei gegen Iran, ein CDU-Politiker fordert, Beleidigung des Deutschtums zu bestrafen ... Neulich las ich auf einem Protestplakat: "Was juckt mich, wenn ein Araber verreckt, wenn in ihm eine deutsche Kugel steckt". Heute nacht habe ich fürchterliches Zeug zusammengeträumt, von einem sprechenden Hund, davon, daß mir fast alle Zähne ausfallen und anderes. Ich war froh, als ich aufgewacht bin. War ich froh?



Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Bei diesem Gefängnistagebuch handelt es sich um die persönlichen Aufzeichnungen der Heide L., die deren subjektive Erlebnisse und Einschätzungen widerspiegeln. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter wurde gleichwohl durch Anonymisierung auf sämtliche Namensnennungen verzichtet. Der Text wurde in Hinsicht auf Orthographie und Interpunktion originalgetreu übertragen.


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Quelle:
Gefängnistagebuch von Heide Luthardt
© 2010 Irmgard Luthardt und Dr. Hans Luthardt


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2010