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BERICHT/110: Naturbegriffe - rechen-, teil- und handelbar ... (SB)


In practice, REDD+ projects tend to follow a divide-and-rule strategy. Indigenous and forest-dependent communities are convinced by slick project organizers that they will receive compensation for not using their forests, or even for just continuing to follow their customary practices unhindered. In fact, however, communities often find themselves subject to new re- strictions on their livelihood activities, new accounting burdens, and even overt land grabs and criminalization, while the promised money is often not forthcoming and internal community tensions increase.1 Very few communities are even informed that the objective of the contract they are being offered is to manufacture pollution rights for faraway industries and business sectors.
Carbon Pricing: A Critical Perspective for Community Resistance [1]


Ein Budget an klimaschädlichen Emissionen zu postulieren, das bis zum Eintreten des Ernstfalls noch bedenkenlos zu verbrauchen wäre, ist das Ergebnis des politischen Kalküls, darüber bestimmen zu können, auf wessen Kosten die Erwärmung der Erdatmosphäre durch Treibhausgase geht. Über die Jahre sukzessive gesteigerte Grenzwerte sollen Auskunft darüber geben, wieviel durchschnittliche Erwärmung im Verhältnis zum vorindustriellen Niveau zu tolerieren wäre. Wer genau dieses Niveau definiert, kann in Anbetracht der Möglichkeit, das pazifische Inseln bereits im Meer untergehen, während man im europäischen Norden wärmere Sommer genießt, einen Unterschied ums Ganze machen.

Bei der Begrenzung der Temperaturzunahme auf 1,5 oder 2 Grad werden bereits schwerwiegende Schäden an den biologischen Grundlagen aller Lebewesen in Kauf genommen. Sie treffen meist diejenigen Menschen in den Ländern des globalen Südens am härtesten, die zum einen am wenigsten für den anthropogenen Klimawandel verantwortlich zu machen sind und zum andern auch deshalb, weil sie den industriellen Brand niemals in die Höhen der kapitalistischen Metropolengesellschaften treiben konnten, am wenigsten globaladministrativen Einfluß besitzen. Das sogenannte 2-Grad-Ziel kann nur insofern als perspektivische Norm gesetzt werden, als die auf der Strecke ihrer Verwirklichung liegenden Schäden in Kauf genommen und bestenfalls finanziell kompensiert werden. Letzteres wird zwar seit langem gefordert, findet aber in der Konsequenz des in den klassischen Industriestaaten erreichten Wohlstandes auch deshalb kaum statt, weil dies den dadurch konstituierten Abstand zwischen hochproduktiven und davon abgehängten Gesellschaften und Regionen tendenziell wieder einebnete.

Faktisch wollen die Menschen in den wohlhabenderen Ländern des Nordens so wenig Einbußen an Konsum und Komfort hinnehmen wie nur irgendwie vertretbar. In Anbetracht der bereits erfolgten und zu bezeugenden Veränderungen des Klimas kann das Ziel nur lauten, so schnell wie möglich alles nur Denkbare zu tun, um die weiterhin ungebremste Emission klimaschädlicher Gase zu mindern. Die Forderung, die noch nicht der Erde entrissenen fossilen Brennstoffe dort zu lassen, könnte angesichts der durch sie noch anzurichtenden Schäden nicht vernünftiger sein. Auch drastische Einschränkungen in allen besonders klimaschädlichen Formen der Mobilität, der Konsumgüterproduktion, des Wohnens und der Nahrungsmittelproduktion könnten in Anbetracht der in den Fensterreden der Staats- und Regierungschefs unterstrichenen Dringlichkeit des Ergreifens wirksamer klimapolitischer Maßnahmen nicht naheliegender sein.

Allein es fehlt der politische Wille, am Status quo so viel zu ändern, daß es auch denjenigen wehtut, die aufgrund ihres finanziellen und sozialen Kapitals bislang am wenigsten von konkreten Maßnahmen des Klimaschutzes zu befürchten haben. Man bedient sich wissenschaftlich erwirtschafteter Prognosen über noch mögliche Verbrauchshorizonte, die den konkreten Handlungsnotstand in desto weitere Ferne rücken, je dringlicher die objektive Lage nach effizienten Eingriffen in Produktion und Konsum verlangt. Statt dessen hat man, um angesichts ungebrochener Orientierung an Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit den Eindruck zu erwecken, nicht gänzlich untätig zu sein, bereits angerichtete wie noch zu erwartende Schäden negativ in Wert gesetzt.

Dem Erwerben sogenannter Verschmutzungsrechte in Form von Emissionszertifikaten oder Biodiversitäts-Offsets liegt die Quantifizierung der zu vermeidenden Treibhausgasemssionen in Form von CO2 und seinen zu dieser Grundeinheit ins Verhältnis ihrer Klimawirksamkeit gesetzten Äquivalente zugrunde. Analog zum Tauschwertäquivalent des Geldes werden Emissionen zähl- und damit handelbar gemacht. Das ermöglicht den großen Emittenten klimawirksamer Gase nicht nur, über die gesetzlich definierten Grenzwerte hinaus CO2-Äquivalente freizusetzen, indem diese durch vermeintliche Ausgleichsmaßnahmen in anderen Teilen der Welt oder den Erwerb von Emissionszertifikaten kompensiert werden, sondern eröffnet dem nach Anlagemöglichkeiten suchenden Kapital auch ein weites Feld an neuen Verwertungsmöglichkeiten.

Der im Anstieg des Meeresspiegels, der Zerstörung jahrtausendealter biologischer Strukturen wie Wälder, Korallenriffs, Pflanzen- und Tiergemeinschaften, der Zunahme gefährlicher Extremwetter und hungererzeugender Dürrekatastrophen konkret manifest werdenden Schaden wird auf den Nenner einer in jede Richtung verrechen- und tauschbaren Maßeinheit gebracht. Nur qua dieser Abstraktion lassen sich konkrete Schadensfälle mit vermeintlichen Guthaben wie der nicht vollzogenen Zerstörung eines Waldes oder der Schaffung von CO2-Senken in Form von Baumplantagen gegenrechnen. In der luftigen Sphäre bloßer Mutmaßungen und Unterstellungen über die Vergleichbarkeit eines Bioorganismus mit einem anderen, über die Verrechenbarkeit eines Quantums an Kohlenstoffdioxid mit anderen Quanta klimawirksamer Gase, über die Behauptung, einen Wald auch in fünfzig Jahren nicht abzuholzen, um mit seinem Aufnahmepotential an Treibhausgasen eine woanders entstehende Emission zu kompensieren, läßt sich nicht minder erfolgreich wirtschaften wie mit der Komplexität sogenannter Finanzprodukte, in denen gebündelte Schulden als finanzielle Guthaben ausgewiesen oder Wetten auf Gewinnerwartungen geschlossen werden.

Die Suggestion, über Verbrauchsperspektiven und -horizonte zu verfügen, obwohl das Haus bereits in Flammen steht, kann mit diesem Instrument des in Wert gesetzten Verbrauchs der Lebensgrundlagen bioorganischer Entwicklung - man könnte auch vom Umschlag materieller Gebrauchswerte in ihren negativen Tauschwert sprechen -, auf zudem hoch profitable Weise plausibel gemacht werden. Am positiven Ertrag dieses paradoxen Aktes kapitalistischer Wertbildung, der Überakkumulation durch die fortwährende Ausweitung ungedeckten Kredits durch die Zentralbanken nicht unähnlich, teilhaben können allerdings nur Investoren und Kapitaleigner. Diejenigen Menschen, die auf unmittelbare und alternativlose Weise von den natürlichen Lebenswelten abhängig sind, deren Erhalt die Zerstörung der Natur und Atmosphäre andernorts rechtfertigen soll, werden auf diese Weise doppelt bestraft. Unmittelbar durch den Klimawandel, den sie nicht verursacht haben, von dessen destruktiven Auswirkungen sie jedoch in erster Linie betroffen sind, mittelbar im Namen seiner Begrenzung, mit der ihre nurmehr eingeschränkt oder gar nicht mehr nutzbaren Lebensgrundlagen in den Dienst von Akkumulationsprozessen gestellt werden, die auf anderen Kontinenten geldwert zu Buche schlagen. So greift die Akkumulation, verstanden als räumliche wie soziale Ausweitung der Warenbeziehungen und der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse in der globalen Enteignungsökonomie (Christian Zeller), auf Gemeinschaften und Lebensformen über, die ganz andere Wünsche und Ziele haben, als daß ihre Lebenswelt als Naturkapital dem Diktat des Weltmarktes unterworfen wird.


Jutta Kill am Rednerpult vor RichterInnen - Foto: © 2017 by Schattenblick

Ein zentrales Mittel kompensatorischer Problemlösung vor dem Rights of Nature Tribunal
Foto: © 2017 by Schattenblick


Was kostet die Welt diejenigen, denen sie nicht gehört?

"Financialisation of Nature and REDD+" war der Fall überschrieben, der am 7. November 2017 vor dem International Right of Nature Tribunal in Bonn verhandelt wurde. Grundlegendes zu dem zentralen Instrument der Green Economy, die Natur rechen-, teil- und handelbar zu machen, war von Jutta Kill zu vernehmen. Sie setzt sich seit 17 Jahren mit den neuen Formen der Kommerzialisierung der Natur auseinander und reiste häufig an Orte in den tropischen Regenwäldern, wo REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) als marktbasierte Maßnahme zum Waldschutz eingesetzt wird. Bei der Untersuchung zahlreicher dieser Projekte gelangte sie zu dem Schluß, daß die Finanzialisierung der Natur gegen das Recht von Mutter Erde auf Integrität verstößt, so ihre einleitend vor dem Tribunal präsentierte Bewertung.

Alles beginnt mit der Unterstellung, man könne die Natur mit Hilfe sogenannter Ökosystemleistungen einer ökonomischen Leistungsbemessung unterwerfen, um ihre Nutzung und Zerstörung mit einem Preisschild zu versehen, und sie durch Emissionszertifikate oder Biodiversität-Offsets konzeptionell marktgängig und tauschbar zu machen. REDD, das seit 2005 im Rahmen des UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change)-Prozesses diskutiert und weiterentwickelt wird, soll zwar den Schutz der Wälder und Kampf gegen Klimawandel miteinander kombinieren, richtet in Wirklichkeit, so Kill, jedoch mehr Zerstörung an, als ohnehin schon durch Klimawandel und menschlichen Raubbau verursacht wird. Dabei ist REDD, das für das Tribunal aufgrund der Insistenz, mit der es als Klima- und Waldschutzmaßnahme propagiert wird, wie der großen Zahl der davon negativ betroffenen Gemeinschaften zum Fall gemacht wurde, nur ein exemplarisches Beispiel von mehreren für die negativen Folgen der Finanzialisierung der Natur.


Am Rednerpult - Foto: © 2017 by Schattenblick

Jutta Kill
Foto: © 2017 by Schattenblick

Ebensogut hätte man den Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Protokolls oder den Handel mit Biodiversität-Offsets durch Bergbauunternehmen aussuchen können, um die kontraproduktive Wirkung marktförmiger Methoden des Klimaschutzes zu präsentieren. So unterschiedlich die Namen dieser Mechanismen sein mögen, so sehr werden im Kern stets die Einzigartigkeit, Unteilbarkeit und relationale Komplexität von Mutter Erde negiert. Wann immer behauptet werde, man könne Mutter Erde als eine Sammlung bemeßbarer und miteinander tauschbarer Einheiten beschreiben, wodurch an einem Ort zerstörte Einheiten mit an anderem Ort wiederhergestelle Einheiten austauschbar sein sollen, werde ihre Ganzheit gebrochen. Entscheidend für den destruktiven Charakter dieser Konzepte sei die Annahme, man könne abstrakte Einheiten käuflich erwerben, mit Hilfe derer die weitere Zerstörung von Mutter Erde legitimiert werde.

Davon besonders betroffen sind die VerteidigerInnen von Mutter Erde, also meist indigene Gemeinschaften, die die Integrität der Natur respektieren und schützen. Wer als Staat oder Unternehmen sogenannte Verschmutzungsrechte ersteht, meint zum einen damit das Recht zu erwerben, über bereits festgelegte Begrenzungen der Zerstörung von Mutter Erde, die ihrerseits bereits eine Verletzung ihrer Rechte darstellen, hinaus Natur zerstören zu können. Zum andern wird Kontrolle über das Territorium ausgeübt, auf das sich das jeweilige Emissionszertifikat oder Biodiversität-Offset bezieht. Für die Durchsetzung des Anspruches, seine Unversehrtheit langfristig zu garantieren, werden auch diejenigen Menschen haftbar gemacht, die es seit jeher nutzen. Obwohl allgemein anerkannt ist, daß indigene Gemeinschaften weltweit am effizientesten für den Schutz der von ihnen bewohnten Wälder sorgen, werden ihnen Auflagen zur Bewirtschaftung der sie ernährenden Natur gemacht, ihnen kann bei Strafe hoher Geldzahlungen oder polizeilicher Gewaltanwendung das Sammeln von Holz oder die Nutzung von Bäumen zum Bau ihrer Wohnstätten untersagt werden, ihnen werden aufwendige bürokratische Pflichten abverlangt, und mitunter werden sie ganz und gar aus dem als Schutzzone ausgewiesenen Gebiet vertrieben.

Vollständig ignoriert werden ihre kulturellen und spirituellen Verbindungen, die sie zum Wald unterhalten, der unversehens in einen Aktivposten globaler Klimaregulation verwandelt wurde. Dazu allerdings muß er als gefährdet gelten. Nur wenn der Wald tatsächlich Gefahr läuft, zerstört zu werden, kann die Garantie, daß dies verhindert werde, als geldwerte Kompensation angerechnet werden. Schon die konventionelle Kritik an dem dieser Kalkulation zugrundeliegenden Clean Development Mechanism (CDM) besagt, daß fast drei Viertel der in diesem Rahmen entstandenen Verschmutzungsrechte fiktiv seien, weil ihnen gar keine zusätzlichen meßbaren Emissionsreduktionen zugrundeliegen.

Nach der Präsentation einiger Fallbeispiele, die Jutta Kill persönlich untersucht hat und mit denen sie ihre Ausführungen belegte, appellierte sie an das Tribunal, die Institutionen, Unternehmen und Organisationen, die diese Mechanismen propagieren und nutzen, beim Namen zu nennen und anzuklagen. Insbesondere gelte es diejenigen unter ihnen zur Rechenschaft zu ziehen, die Instrumente im Namen des Klimaschutzes entwickeln, die ganz anderen Zielen dienen als dem unterstellten Zweck.


Am Mikro - Foto: © 2017 by Schattenblick

Richterin Osprey Orielle Lake
Foto: © 2017 by Schattenblick

Auf Nachfrage der Richterin Osprey Orielle Lake, ob Unternehmen die größten Verursacher dieser Entwicklung seien, erklärte die Expertin, daß es sich aus ihrer Sicht um die Fortsetzung bisheriger Akkumulationspraktiken in all ihren möglichen Formen handle. So versuchten Minenkonzerne, über die Illusion eines grünen Bergbaus hinaus zu anderen Mitteln zu greifen, um noch einige Jahre weiter wie bisher operieren zu können. Auch die Öl- und Kohleindustrie versuche angesichts wachsender öffentlicher Kritik, ihr schmutziges Geschäft trotz aller berechtigten Einwände fortzusetzen. In Zukunft sei auch die kommerzielle Luftfahrt ein wichtiger Akteur auf diesem Gebiet, könne sie ihre Wachstumsziele doch nur verwirklichen, wenn sie mit Hilfe des Erwerbs von Verschmutzungsrechten den Eindruck erwecke, dies erfolge klimaneutral. Dagegen helfe nur Bloßstellung, so wie es gerade mit Hilfe dieses Tribunals erfolge.


Am Mikro - Foto: © 2017 by Schattenblick

Richterin Ruth Nyambura
Foto: © 2017 by Schattenblick

Die für den Fall zuständige Richterin Ruth Nyambura fragte danach, wie die Finanzialisierung und Kommodifizierung der Natur als auch die Grundlagen systemischer, struktureller und intersektionaler Unterdrückung insbesondere für diejenigen Menschen, die an vorderster Front vom Klimawandel betroffen sind und in basisaktivistischen Organisationen dagegen kämpfen, besser greifbar und kritisierbar gemacht werden könnten. Dazu gab Jutta Kill zu bedenken, sie halte es für eine der gefährlichsten Auswirkungen der Einführung von Verschmutzungsrechten, daß damit nicht nur große Unternehmen als mögliche Kunden angesprochen werden sollten, sondern Menschen wie du und ich. Leuten, die mit schlechtem Gewissen Flugreisen buchen oder klimaschädliche Produkte konsumieren, werde auf diese Weise Absolution erteilt, und dies werde auch in Anspruch genommen. Dadurch, daß der einzelne Menschen sich nicht mehr schlecht fühlen müsse, wenn er seine Ablaßzahlung geleistet habe, komme es zu einer gefährlichen Normalisierung von Zerstörung. Dabei seien die Ursachen natürlich systemischer Art und nicht in der individuellen Konsumption begründet.

Während von REDD+ betroffenen Menschen im Globalen Süden lediglich erklärt werde, es handle sich um eine neue Form des Waldschutzes, und sie von dem dadurch bewirkten Kompensationsmechanismus nichts erführen, wüßten viele Menschen hierzulande nichts davon, daß der Kauf eines Emissionsausgleichs in entlegenen Orten, die schwer zu erreichen, aber leicht zu kontrollieren seien, dazu führe, daß dort Menschen von der Nutzung des Waldes abgehalten werden. Von Interesse sei daher ein Mechanismus, der beide Enden der Diskussion zusammenbringt. Die UrheberInnen von REDD+ täten viel dafür, um genau diesen Kontakt und die daraus entstehende Auseinandersetzung zu unterbinden, weiß die Aktivistin aus eigener Erfahrung. Ein solcher Mechanismus werde auch den öffentlichen Diskurs verändern. Tatsächlich wachse der öffentliche Widerstand, angeregt durch die Aufklärungsarbeit der REDD+-KritikerInnen in aller Welt, bereits. Um so mehr gehe es darum, Akteure wie Minenkonzerne und die Luftfahrtindustrie, die sich dieser Mittel bedienen und die dabei angerichteten Menschenrechtsverletzungen billigend in Kauf nehmen, bloßzustellen.


Projektion mit den Forderungen Jutta Kills - Foto: © 2017 by Schattenblick

Appell an das Tribunal
Foto: © 2017 by Schattenblick


Naturkapital als Lösung? Der Streit ist unausweichlich ...

Aufklärung tut not, denn der Abstraktionsgrad, mit dem Natur in Wert gesetzt und auf neue Möglichkeiten kapitalistischer Verwertung zugerichtet wird, ist hoch. So haben das Climate Justice Alliance (CJA) und das Indigenous Environmental Network (IEN) mit der Broschüre "Carbon Pricing: A Critical Perspective for Community Resistance", aus der eingangs zitiert wurde, eine nicht nur für AktivistInnen und LeserInnen in den USA, sondern weltweit interessante Arbeit zur Entschlüsselung der Untiefen und Abgründe der Finanzialisierung von Natur vorgelegt [2]. Jutta Kill hat mit der auf deutsch, englisch und französisch abrufbaren Studie "Ökonomische Bewertung von Natur" [3] einen wichtigen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema geleistet, Magdalena Heuwieser hat mit "Geld wächst nicht auf Bäumen - oder doch?" [4] eine sehr gut verständliche Einführung in den Problemkreis vorgelegt. Weitere Hinweise zu dem angesichts der geringen Bereitschaft, grundlegende Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen, immer bedeutsamer werdenden Diskurs über Green Economy und Naturkapital finden sich ebenfalls in den genannten Broschüren.


Fußnoten:


[1] aus der Broschüre Carbon Pricing: A Critical Perspective for Community Resistance
2017 herausgegeben von Indigenous Environmental Network und Climate Justice Alliance
http://www.ienearth.org/wp-content/uploads/2017/11/Carbon-Pricing-A-Critical-Perspective-for-Community-Resistance-Online-Version.pdf

in eigener Übersetzung:

REDD+ Projekte folgen in ihrer Anwendung tendenziell einer Strategie des Teilens und Herrschens. Indigene und vom Wald abhängige Gemeinschaften werden von cleveren Projektorganisatoren überzeugt, daß sie Zahlungen für die Nichtnutzung ihrer Wälder erhalten, oder daß sie sogar mit ihren üblichen Praktiken ungehindert weitermachen können. Tatsächlich jedoch müssen diese Gemeinschaften häufig feststellen, daß die zu ihrem Lebenserhalt erforderlichen Aktivitäten eingeschränkt, sie mit neuen Nachweispflichten überzogen und sogar offenem Landraub und Kriminalisierung ausgesetzt werden, während das zugesagte Geld auf sich warten läßt und die Spannungen unter ihnen anwachsen. Sehr wenige Gemeinschaften werden auch nur darüber informiert, daß der Zweck des ihnen angebotenen Vertrages darin besteht, Verschmutzungsrechte für weit entfernte Industrien und Geschäftsbereiche zu erzeugen.

[2] http://www.ienearth.org

[3] Ökonomische Bewertung von Natur. Der Preis für Naturschutz?
https://www.rosalux.de/publikation/id/8338/oekonomische-bewertung-von-natur-der-preis-fuer-naturschutz/

[4] Geld wächst nicht auf Bäumen - oder doch? Wie die Natur und deren 'Leistungen zu Waren gemacht werden
http://www.ftwatch.at/geld-waechst-nicht-auf-baeumen-oder-doch-broschuere/


Bisher im Schattenblick unter BÜRGER/GESELLSCHAFT → REPORT zum International Rights of Nature Tribunal in Bonn erschienen:

BERICHT/109: Naturbegriffe - Lebensrecht und eine neue Welt ... (SB)
BERICHT/108: Naturbegriffe - blutige Verschiebespiele ... (SB)
BERICHT/107: Naturbegriffe - die immer gleichen Absichten ... (SB)
BERICHT/106: Naturbegriffe - unzureichend im Blick ... (SB)
BERICHT/105: Naturbegriffe - im Kreisverkehr ... (SB)

INTERVIEW/169: Naturbegriffe - Fluchten ...     Ute Koczy im Gespräch (SB)
INTERVIEW/168: Naturbegriffe - Fundamentaler Widerstand ...     Kandi Mossett im Gespräch (SB)
INTERVIEW/167: Naturbegriffe - Universalitätsargumente ...     Linda Sheehan im Gespräch (SB)


1. Februar 2018


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