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INTERVIEW/014: La ZAD - Rückbesinnung vorwärts (SB)


Interview mit dem Bauernaktivisten Cyril Bouligand am 13. April 2013 in La ZAD



Der Hof Bellevue wurde am 28. Januar 2013 besetzt, um ihn nach der Aufgabe des ursprünglichen Besitzers vor dem drohenden Abriß zu bewahren. Er liegt in der bretonischen Region Pays de la Loire in der zum Bau eines Großflughafens ausgewiesenen "Zone d'Aménagement Différé" (ZAD), die von den Gegnern des Projekts in La ZAD, die "Zone A Défendre", verwandelt wurde. Cyril Bouligand gehört zu den derzeitigen Bewohnern des Hofes und ist Mitglied der Vereinigung COPAIN (Collectif des Organisations Professionnelles Agricoles), in der sich im Laufe des Widerstandes gegen den Flughafen Notre-Dame-des-Landes neben der traditionellen Bauerngewerkschaft - der Conféderation Paysanne -, sechs weitere landwirtschaftliche Organisationen zusammengefunden haben. Ihr Engagement liegt nicht nur im Bereich solidarischer und biologischer Landwirtschaft sowie der Regionalisierung von Produktion und Verbrauch, sondern auch im Kampf für Natur- und Umweltschutz, gegen fortschreitende Urbanisierung und Benachteiligung ländlicher Regionen sowie gegen die Zweckentfremdung öffentlicher Gelder auf Kosten zukunftsfähiger und sozialer Projekte. Am Rande der Frühlingsaktion "Sème ta ZAD" (Säe deine ZAD) hatte der Schattenblick die Gelegenheit, Cyril Bouligand einige Fragen zu stellen.

Wiesen- und Heckenlandschaft in La ZAD - Foto: © 2013 by Schattenblick

Die Bocage
Foto: © 2013 by Schattenblick

Schattenblick: Könnten Sie sich unseren Lesern bitte vorstellen und erklären, warum Sie gegen den Flughafen kämpfen?

Cyril Bouligand: Mein Name ist Cyril Bouligand, ich bin Mitglied der Bauerngewerkschaft, die sich mit einigen anderen Organisationen zur Vereinigung COPAIN zusammengeschlossen hat. Uns verbinden gemeinsame Ziele, was die Umwelt und soziale Fragen betrifft. Wir stehen für eine andere Landwirtschaft als die Intensivlandwirtschaft, die vom konventionellen System vorgegeben wird. Wir sind hier, um gegen die Artifizierung der Böden und gegen die Vernichtung der Knicks, der Hecken und einer schönen Landschaft zu kämpfen, deren Potential für den Anbau von Interesse ist. Schätzungsweise 1650 Hektar davon sollen für ein nutzloses Projekt zerstört werden. Wir sehen unsere Aufgabe in der Verteidigung dieses Bodens.

SB: Wie ist Ihr Verhältnis zu dem Widerstand hier vor Ort, der von den radikalökologisch und sozialökologisch orientierten Gruppen ausgeht?

CB: Unsere Beziehungen zueinander sind gut. Deshalb haben wir auch gemeinsam mit ihnen die Organisation übernommen und uns an diesem Aktionstag "Sème ta ZAD" beteiligt. Wir haben ähnliche Ideen, in welche Richtung sich die Nutzung der Erde entwickeln sollte: zu einer Produktionsweise nach menschlichem Maßstab mit vielen Arbeitskräften, die die Umwelt respektiert. Wir kämpfen darüber hinaus gegen die für die Landwirtschaft vorgezeichnete Struktur und Entwicklung und gegen die heute übliche Art des Konsums von viel tierischem Eiweiß. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Intensivnutzung des Landes erlebt, die so nicht weitergehen kann. Für unsere Höfe fassen wir eine andere Entwicklung ins Auge mit einer ökologischeren Produktionsweise, die nach Möglichkeit weniger auf tierisches Eiweiß setzt und mehr auf pflanzliche Proteine. Das sind Bemühungen, die sich hier entwickelt haben.

SB: Die Landwirtschaft wird weltweit in großem Maße von Agrokonzernen wie Monsanto, ADM oder Cargill kontrolliert, die damit auch über die Ernährung der Menschheit verfügen. Haben Sie auch ein politisches Anliegen, was die Demokratisierung der Ernährung betrifft?

CB: Ich glaube, daß wir uns in allen Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, darüber einig sind, daß das nicht sein darf. Auf unseren Höfen arbeiten wir überhaupt nicht mit solchen Unternehmen zusammen. Wir arbeiten autonom. Und wir sind sicher, das man in der Lage ist, die Welt zu ernähren, wenn man dafür sorgt daß die Produktion mit dem Konsum auf lokaler Ebene übereinstimmt. Heute wird beispielsweise sehr viel Soja aus Amerika importiert. Wenn man das hinter sich läßt und Autonomie auf der Ebene des Kontinents anstrebt sowie eine folgerichtigere Verteilung auf dem Planeten, so daß der Süden auf der Ebene des Verbrauchs sozio-autonom werden kann, schafft man kein Ungleichgewicht mehr. Denn es gibt ein Ungleichgewicht der Märkte zwischen dem Norden und dem Süden, wo man produziert und dabei die Bauern des Südens in die Armut zwingt.

SB: In Deutschland sind nur noch etwa zwei Prozent der Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt. Wie ist die Lage in Frankreich und wie sehen Sie die Zukunft der Landwirte hierzulande auch in bezug auf ihre Möglichkeiten, politisch Einfluß zu nehmen?

CB: Im Moment sind es in Frankreich 3 Prozent. Aber zur Zeit sieht man immer mehr Menschen, die zurück aufs Land kommen, und zwar Menschen, die sich für einen Wandel in der Landwirtschaft einsetzen und sich beruflich auf sie festlegen. Sie wählen sich Projekte, die ein wenig anders sind als die Intensivlandwirtschaft, die man gewohnt ist. Und wir hoffen, daß sich durch diese Leute eine Dynamik in der Landwirtschaft entwickeln kann, die auch in größerem Maßstab Auswirkungen hat. Es ist wichtig, die ursprüngliche Bocage (für die Region typische Landschaft, in der die Felder durch Wallhecken begrenzt sind, was die biologische Artenvielfalt sichert - Anm. d. Red.) hier zu bewahren.

SB: Wie sehen Sie die Zukunft des Widerstandes gegen den Flughafen?

CB: Wir sind optimistisch. Es kann lange dauern, aber wir werden siegen. Das ist sicher. Heute haben wir ein sichtbares Zeichen für den Widerstand gegen die Zerstörung der Erde für ein sinnloses Projekt gesetzt. Für heute bleibt uns, was die Mobilisierung und die unterschiedlichen Ansätze Widerstand zu leisten betrifft, nichts zu wünschen übrig. Der Platz von uns Bauern ist genau hier, und man kann sich uns noch anschließen.

SB: Vielen Dank für das Gespräch.

Umwaldete Weide in La ZAD - Foto: © 2013 by Schattenblick

Was es zu verteidigen gilt ...
Foto: © 2013 by Schattenblick


Fußnoten:


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6. Mai 2013