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INTERVIEW/043: Rüstungswahn und Richtungswechsel - Expertensache ... Paul F. Walker im Gespräch (SB)


Global Day of Action on Military Spending (GDAMS) [1]

Pressekonferenz zu den weltweiten Rüstungsausgaben, mit Schwerpunkt auf chemischen Waffen, am 14. April 2014 im IALANA-Büro in Berlin

Paul F. Walker über das tödliche Vermächtnis des Kalten Krieges und seine Beseitigung



"From Ypres to Damascus - The Quest for Global Abolition of Chemical Weapons" (Von Ypern nach Damaskus - Die Mission für die weltweite Abschaffung chemischer Waffen) hatte Paul F. Walker seinen Vortrag überschrieben, den er auf Einladung der Internationalen Vereinigung von Rechtsanwälten gegen Nuklearwaffen, "IALANA" (International Association of Lawyers against Nuclear Arms), des Internationalen Netzwerks von Ingenieuren und Wissenschaftlern für globale Verantwortung, "ines" (International Network of Engineers and Scientists for Global Responsibility), und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, "VDW", am 14. April 2014 in Berlin hielt. [2] Die beiden Eckpunkte Ypern und Damaskus verbindet nicht nur eine Qualifizierung des Schreckens, den der praktische Gebrauch von Chemiewaffen im Verlauf der Geschichte mit sich brachte. Der Einsatz von Chlorgas in Ypern 1915 wie der von Sarin beinahe hundert Jahre danach beruhten auch auf zwei chemischen Kampfstoffen, an deren Entwicklung die gesamte deutsche chemische Industrie von BASF bis zur IG-Farbenindustrie A.G. [3] maßgeblich beteiligt war. Darüber hinaus stehen beide Vorfälle für das perfide und keineswegs unübliche Hinwegsetzen über Vereinbarungen der Völkergemeinschaft oder bestehende Konventionen, wenn es um das Durchsetzen von Machtinteressen geht.

So war es zum einen ein deutscher Chemiker, der spätere Nobelpreisträger Fritz Haber, der in dem Abfallprodukt Chlorgas, das sich aufgrund seiner hohen Dichte in Bodennähe konzentriert, in Schützengräben kriecht und zu Atemnot, über Husten, starken Schleim- und Wasserabsonderungen schließlich qualvoll zum Tode führt, ein hochpotentes Kriegsinstrument erkannte.

Angehörige der britischen 55. Division geblendet von Tränengas, 10. April 1918, warten in einer Reihe auf die Behandlung im Lazaret. - Foto: 1918 by 2nd Lt. T.L. Aitken (Public domain), via Wikimedia Commons

Das Verbot von "Gift oder vergifteten Waffen" der Haager Konvention konnte den Einsatz von Giftgas im Ersten Weltkrieg nicht verhindern.
Foto: 1918 by 2nd Lt. T.L. Aitken (Public domain), via Wikimedia Commons

Aus zahlreichen Geschossen wird ein Sprühnebel freigesetzt. Dahinter mehrere Reihen von Soldaten in Schutzkleidung. - Foto: Bundesarchiv, Bild 183-F0313-0208-007 / CC-BY-SA-3.0-de, via Wikimedia Commons

Gasangriff im Ersten Weltkrieg - Deutsche Soldaten versprühen chemischen Nebel
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-F0313-0208-007 / CC-BY-SA-3.0-de, via Wikimedia Commons

Zum anderen wurden, obwohl schon die Haager Konvention von 1907 den Einsatz von "Gift oder vergifteten Waffen" verbot - da hatte man allerdings nur an vergiftetes Trinkwasser oder Giftpfeile gedacht -, am 22. April 1915 von deutscher Seite aus erstmals 100 bis 190 Tonnen Chlorgas eingesetzt und damit 15.000 französische und englische Soldaten vergiftet und 5.000 umgebracht.

Der deutsche Vorstoß brach aber nur die Hemmschwelle für den Einsatz von Chemiewaffen, die längst an allen Fronten bereit standen. Danach wurde von überall her "bunt geschossen", mit verschiedenen Lungenkampfstoffen wie Senfgas, Lewisit oder Phosgen. Insgesamt wurden im Ersten Weltkrieg rund 124.000 Tonnen chemischer Waffen eingesetzt. Etwa 90.000 Menschen starben, eine Million Menschen erlitt teilweise schwere Gesundheitsschäden. Viele starben noch an den Folgen, nachdem der Krieg schon längst vorbei war. 1925 hielt der Völkerbund im Genfer Protokoll fest, daß der Einsatz von Chemiewaffen geächtet werden soll. Doch dessen ungeachtet kamen auch im Zweiten Weltkrieg, im Vietnamkrieg und im Ersten Golfkrieg immer heimtückischere Gifte und Kampfstoffe zum Einsatz und vernichteten Tausende von Menschenleben. Bei einem einzigen Giftgasangriff starben am 16. März 1988 in der irakischen Stadt Halabdscha fast 5.000 Kurden - vor allem Frauen und Kinder. Daß die hier eingesetzten Stoffe, Senfgas, Tabun und Sarin, ebenfalls einmal in deutschen Labors entwickelt wurden, wird allerdings gern verdrängt. [4] Liegt doch das Augenmerk heute vor allem auf jenen Staaten, die sich noch nicht der Chemiewaffenkonvention angeschlossen haben, die im April 1997 in Kraft trat. [5] Daß es sich dabei um oftmals ärmere Länder und wenig potente Akteure der Weltbühne handelt, die sich die Kampfstoffe als strategische Option "des kleinen Mannes" gegen die militärtechnische Übermacht der Industriestaaten erhalten wollen, wird oft übersehen und von letzteren vielleicht sogar als "zu übertrieben" deklariert, angesichts der eigenen, vielbeachteten Abrüstungspläne.

Doch wie seinerzeit Haager Konvention und Genfer Protokoll im wesentlichen Beschwichtigungsfunktion hatten, über die es sich um so leichter hinwegsetzen ließ, je mehr sich andere daran hielten, fragt man sich angesichts jüngster technischer Entwicklungen von gezielt einsetzbaren Tötungsinstrumenten wie Lenkwaffen und Drohnen, ob die in der Chemiewaffenkonvention verbotenen chemischen Kampfstoffe nicht ohnehin als Kriegs- wie auch als strategische Mittel längst überholt sind.

Ein Experte auf diesem politisch heiklen Terrain, der sich seit über 40 Jahren aktiv für Abrüstung engagiert und für seine Verdienste bei der Vernichtung von Chemiewaffen mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet wurde, ist Paul F. Walker, Direktor bei Global Green USA, den der Schattenblick vor der Pressekonferenz zum Weltabrüstungstag und vor seinem Vortrag am Abend in den Räumen der IALANA treffen und befragen konnte.

Im Gespräch - Foto: © 2014 by Schattenblick

Jeder einzelne von uns muß den inhumanen, unkontrollierbaren Massenvernichtungswaffen eine Absage erteilen.
Paul F. Walker
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Seit wann engagieren Sie sich aktiv für Abrüstung und für die Abschaffung von Chemiewaffen?

Paul F. Walker (PW): Eigentlich zweimal in unterschiedlichen Phasen meines Lebens. Zum ersten Mal begann ich mich nach meinem Dienst beim US-Militär aktiv für Frieden und Abrüstung einzusetzen. Ich wurde auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges eingezogen. Meinen College Abschluß machte ich 1968. Davor habe ich ein Jahr im Ausland, mein erstes Jahr übrigens, studiert und zwar an der Universität Wien. Da dachte ich überhaupt nicht an Vietnam und auch nicht an den Militärdienst. Als ich im Herbst 1967 in die Staaten zurückkam, wurde mir plötzlich klar - da war ich in meinem letzten Jahr auf der Universität -, daß mir die Einberufung bevorstand. Damals galt die Wehrpflicht für alle Männer, nicht für Frauen, aber alle Männer wurden eingezogen. Als ich also im Mai 1968 meinen Universitätsabschluß machte, hielt ich meinen Abschluß in der einen Hand und den Einberufungsbefehl in der anderen. Den konnte ich noch sechs Monate aufschieben und begann daher ein weiterführendes Studium an der Universität in Washington DC.

Im Januar 1969 begann dann mein dreijähriger Militärdienst, anderthalb Jahre davon in Deutschland, in Helmstedt an der Ost-Westgrenze. Und als ich danach wieder zurück an die Universität ging, war mir klar, worauf ich mich konzentrieren wollte. Ich war gegen den Vietnamkrieg. Ich wäre nie nach Vietnam gegangen, sondern nach Schweden, Kanada oder sonstwohin. Und ich hatte großes Glück, daß ich meinen Dienst in Deutschland ableisten konnte, so blieb ich raus aus Vietnam. Mir wurde ein Jahr lang intensiv Russisch beigebracht, damit ich anschließend, 1971, in die für Rußland zuständige Nachrichtendienstabteilung gehen konnte. 1972 bin ich da wieder raus und zurück an die Universität. An dem Punkt wußte ich, daß ich mich für Frieden und Abrüstung einsetzen wollte und für Rüstungskontrolle.

Als ich mein Studium in Washington wieder aufnahm, hatte ich das Glück, daß ich zwei Praktika bei der US-Waffenkontroll- und Abrüstungsbehörde, die wir damals ACDA [6] nannten, machen konnte. Sie gehörte zum US-Außenministerium, war noch eine relativ junge Behörde, zehn Jahre alt und führte alle Rüstungskontrollverhandlungen. John F. Kennedy hatte sie während seiner Präsidentschaft gegründet. So war ich bei SALT I [7], den ersten Verhandlungen damals mit den Sowjets über Strategische Waffen, mit dabei, einfach als Student und Praktikant. Das hat mein Interesse an bilateraler und multilateraler Rüstungskontrolle und Abrüstung geweckt.

Ein kanadischer Soldat mit deutlich sichtbaren Senfgas-Verbrennungen und schlimmen Blasen, im Bett liegend. - Foto: Library and Archives Canada / C-080027 (Public domain)

Bilder wie diese 1917/18 gemachte Aufnahme stellten den Einsatz von chemischen Kampfstoffen schon früh in Frage.
Dennoch sind sie bis heute ein Thema.
Foto: Library and Archives Canada / C-080027 (Public domain)

Und dann 1992, etwa 20 Jahre später - ich unterrichtete Friedens- und Konfliktforschung am College of the Holy Cross, einem Jesuiten-College in Worcester, Massachusetts, an dem ich auch meine Studien begonnen hatte -, rief mich der neue Vorsitzende des Militärausschusses im Repräsentantenhaus aus Washington an und fragte mich, ob ich für den Militärausschuß arbeiten würde, der den US-Militärhaushalt überwacht. Ich hatte meine Abschlußarbeiten und meine Postgraduiertenarbeit gerade fertig - von meiner Ausbildung her bin ich Politikwissenschaftler, aber mein eigentliches Gebiet sind internationale Sicherheitsstudien - und ein Buch mit dem Titel 'Der Preis der Verteidigung. Eine Neuausrichtung der Militärausgaben' geschrieben, das darlegte, wie man die Militärausgaben um etwa die Hälfte reduzieren und die nationale Sicherheit verbessern kann, indem man weniger ausgibt. Also ging ich nach Washington und begann mit der Arbeit für den Militärausschuß. Das war eine faszinierende Zeit von 1992 bis 1995, weil sie in das Ende des Kalten Krieges fiel. Ich verließ den Ausschuß 1995, weil die Republikaner die Mehrheit und damit den Vorsitz übernommen hatten. Bis dahin hatte ich für den Kongreßabgeordneten Ron Dellums, einen sehr fortschrittlichen Demokraten und Afroamerikaner aus Oakland, Kalifornien, gearbeitet. Er verlor den Vorsitz. Der Republikaner Newt Gingrich wurde neuer Sprecher des Hauses und über Nacht mußten 5.000 Angestellte des Repräsentantenhauses gehen, damit republikanische Mitarbeiter eingestellt werden konnten.

Drei Flugzeuge versprühen einen weißen Nebel. Die Operation Range Hand brachte von 1962 bis 1971 neben dem Entlaubungsmittel auch das tödliche Dioxin als nachhaltiges Beiprodukt aus. - Foto: by USAF (Public domain), via Wikimedia Commons

Vietnam - Chemische Kriegsinstrumente mit gesundheits- und umweltschädigender Langzeitwirkung wie Agent Orange fallen ebenfalls unter die Chemiewaffenkonvention.
Foto: by USAF (Public domain), via Wikimedia Commons

Anschließend begann ich, für das Grüne Kreuz [8] tätig zu werden, eine neue kleine Umweltgruppe, die Gorbatschow 1993 gegründet hatte. Mein Aufgabenbereich beim Militärausschuß war enorm gewesen und hatte hunderte verschiedene Funktionen von der Säuberung stillgelegter Militärbasen über Rüstungskontrollverträge, Beschaffung von Flugzeugträgern, bis hin zu Unterseebooten, Kampffliegern und Armeepanzern umfaßt. Was mich aber immer am meisten interessierte, war die Schließung von Militärbasen und deren Säuberung. Ende des Kalten Krieges kam man darin überein, 500 Stützpunkte allein in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus noch 200 bis 300 weltweit zu schließen, also eine recht große Zahl von Standorten. Sie konnten weder privatisiert, noch verkauft oder für die Bebauung neu erschlossen werden, weil sie zu kontaminiert waren. Ich spreche hier von sogenannten Superfund-Standorten. [9] Einige waren durch Flugzeugtreibstoff, Öl und Gas verseucht, auf vielen befanden sich auch undetonierte Geschosse, also alte Munition und Waffen, wie man sie in Europa aus dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg kennt. Und alle verfügten über militärische Depots, Waffenlager. Mir war klar, daß wir das in Ordnung bringen und uns für die Sanierung dieser Gelände einsetzen mußten, damit sie, wenn schon nicht grün, dann doch wenigstens wieder so braun würden, daß man sie gefahrlos wieder nutzen konnte. Eines der schwierigsten Probleme, das sich dabei stellte, betraf die Chemiewaffenarsenale. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir nicht bewußt gewesen, daß wir über einen derart gewaltigen Lagerbestand an Chemiewaffen verfügten. Dabei handelt es sich um das tödlichste Zeug auf Erden, vom Nervengas VX, Sarin über Soman bis hin zu den älteren Kampfstoffen wie Lewisit [10], Senfgas und Phosgen.

Hohe Paletten von 155 mm Senfgasgranaten in einem Lager der US-Streitkräfte in Colorado, USA. - Foto: 2009 by US Government (Public domain), via Wikimedia Commons

'Dabei handelt es sich um das tödlichste Zeug auf Erden.' (Paul F. Walker)
Foto: 2009 by US Government (Public domain), via Wikimedia Commons

Ich hatte in gewisser Hinsicht Glück - darüber würden manche streiten -, im Juli 1994 die amerikanische Inspektion eines russischen Chemiewaffenlagers zu leiten. Dabei begleiteten uns ein stellvertretender Außenminister und zwei Kongreßabgeordnete, ich gehörte nur zum Mitarbeiterstab. Wir besuchten das östlichste von sieben russischen Chemiewaffendepots mit Namen Schtschutsch'je. Und Schtschutsch'je liegt im Oblast Kurgan direkt an der Grenze von Kasachstan, zwischen Tscheljabinsk und Kurgan. Dabei entdeckten wir erstens, daß die Russen über ein gigantisches Arsenal verfügten und zweitens, daß dieses komplett einsatzbereit war. Man hätte es in diesem Zustand nur mit der Eisenbahn zum Schlachtfeld transportieren brauchen. Und zum dritten gab es so gut wie keine Sicherheitsvorkehrungen. Nun, das war 1994, also vor dem Aum Shinrikyo-Terroranschlag mit Sarin in Tokio 1995, und vor den meisten terroristischen Aktivitäten, in denen bisher Chemiewaffen zum Einsatz kamen. Aber das hat mich wirklich überzeugt, daß etwas gegen Chemiewaffen unternommen werden muß.

Im Militärausschuß arbeitete ich damals mit den Russen zusammen, die in einer Kooperation mit den Amerikanern die Ausmusterung auf den Weg bringen wollten. Dahin ging das meiste Geld. Wir gaben zu der Zeit Hunderte Millionen Dollar nur für die Zerstörung von Chemiewaffen aus. Zunächst war uns wichtig, daß die Russen für mehr Sicherheit an den Standorten sorgten, ehe es dann um die Vernichtung der Bestände ging.

Und als ich nun 1995/96 beim Internationalen Grünen Kreuz anfing, sagte ich zu Gorbatschow: "Es wäre wirklich gut, wenn eine internationale Umweltorganisation - es hätte durchaus auch eine Rüstungskontrollgruppe sein können, aber mir schien eine Umweltgruppe besser - die Demilitarisierung von Waffen in Angriff nehmen würde. Denn das Militär - NATO-Alliierte, Warschauer Pakt-Streitkräfte, Russen, Amerikaner - vernichtete ungeheure Mengen, genauer gesagt Hunderttausende Tonnen brisante Chemikalien pro Jahr, das heißt gigantische Lagerbestände aus dem Kalten Krieg, indem es sie im großen und ganzen einfach ins Freie mitten auf ein Feld transportierte und in die Luft jagte. Darüber hinaus wurden C-Waffenbestände auch im Meer versenkt oder nur im Boden verscharrt. Das alles hatte enorme Auswirkungen auf die Umwelt und auch für die öffentliche Gesundheit. Deshalb hielt ich es für gut, daß sich die Gorbatschow-Gruppe, das Grüne Kreuz, mit diesem Problem befaßte. Wir gründeten das sogenannte globale Legacy-Programm 'Das Erbe des Kalten Krieges', jetzt nennt es sich 'Umweltsicherheit und Nachhaltigkeit'. [11] Dieses Projekt leite ich seit 1996 für das Grüne Kreuz.

Altes Plakat, das zur Identifikation des Hautkampfstoffs beitragen sollte und eine Gasmaske mit einer Geranie unter dem Filter zeigt. - Grafik: by US Army (Public domain), via Wikimedia Commons

Der 'Tau des Todes' duftet nach Geranien
Grafik: by US Army (Public domain), via Wikimedia Commons

SB: 2013 erhielten Sie den Alternativen Nobelpreis, den Right Livelyhood Award, der von der "Stiftung für richtige Lebensführung" vergeben wird, für Ihren Beitrag an der Vernichtung von Chemiewaffen. Im selben Jahr ging der Friedensnobelpreis an die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen, OPCW [12]. Gibt es einen bestimmten Grund dafür, warum dieses Thema gerade in diesem Jahr in den Mittelpunkt gerückt wurde?

PW: Nun, erst einmal war es eine wirkliche Ehre und eine wundervolle Erfahrung, den Right Livelyhood Award, den alternativen Nobelpreis, zu bekommen. Ich habe ihn in Stockholm in der ersten Dezemberwoche erhalten. Und es war auch wunderbar, daß man der OPCW den Friedensnobelpreis verliehen hat. Ich hatte das große Glück, daß ich nach Oslo reisen konnte. Natürlich nahm ich offiziell an der Zeremonie für den Right Livelyhood Award teil, konnte aber als Zuschauer auch an der Verleihung des Friedensnobelpreises im Dezember zugegen sein.

Chemiewaffen werden seit den späten 1980er Jahren vernichtet. Das nahm Mitte der 1990er Jahre richtig Fahrt auf, als die Vereinigten Staaten und Teile Westeuropas einschließlich Deutschland anfingen, sich an der Zerstörung russischer Chemiewaffenarsenale zu beteiligen. Und natürlich trat das Abkommen selbst, die Chemiewaffenkonvention, CWC, im April 1997 in Kraft. Tausende Menschen arbeiten weltweit daran. Nur wenige sind aus der NGO-Gemeinde, nicht viele, die kann man im Grunde an einer Hand abzählen. Und dann arbeiten viele Menschen für die Chemiewaffenkonvention und die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen. Diese sehr wichtigen Bemühungen um die weltweite Sicherheit bekommen fast keine öffentliche Anerkennung, was meines Erachtens daran liegt, daß die meisten Stiftungen die Arbeit im Bereich biologische und chemische Waffen sowie chemische und biologische Sicherheit nicht unterstützen. Alle mir bekannten Stiftungen konzentrieren sich auf Atomwaffen und spaltbares Material. Wir arbeiten selbst auch in diesem Bereich, befassen uns aber mit atomaren, biologischen, chemischen sowie konventionellen Waffen. Die Würdigungen durch die Right Livelyhood Stiftung und das Nobelpreiskomitee waren meiner Meinung nach sehr verdient. Sie beziehen sich nicht nur auf die aktuelle Situation, sondern eigentlich auf 25 Jahre wirklich harte Arbeit und viel Geld, zweistellige Milliarden-Dollar-Summen, die Länder für diesen Prozeß ausgegeben haben, und auch auf die Tatsache, daß von den 72.000 Tonnen chemischer Stoffe, die in acht Ländern ermittelt wurden, heute fast 60.000 sicher zerstört und beseitigt sind. Damit hätte man im anderen Fall genügend Potential - genauer gesagt 10 Millionen Waffensysteme - gehabt, um bei entsprechendem Einsatz wahrscheinlich jedes menschliche Wesen auf der nördlichen Hemisphäre töten zu können. Das war also bei den Fortschritten, die gemacht wurden, ein enormer Durchbruch, den man nie öffentlich anerkannt hat. Sehr wenig Medienaufmerksamkeit, sehr wenig Presse.

Was schließlich zu den beiden Preisverleihungen im letzten Jahr geführt hat, waren meines Erachtens Präsident Bashar Al Assad und der Syrienkonflikt. Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien, der Ende 2012 seinen Anfang nahm bis zum Angriff am 21. August 2013, der 1.400 Menschen umbrachte, hat wirklich sehr viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt.

Weltkarte, auf der die noch nicht in die Konvention beigetretenen sechs Länder rot gekennzeichnet sind. - Grafik: by N.N. (CC-BY-SA-3.0), via Wikimedia Commons

Dem Ziel einer chemiewaffenfreien Welt ist man zumindest auf dem Papier schon näher gekommen.
Hellgrün: unterzeichnet und ratifiziert, dunkelgrün: beitretend, gelb: unterzeichnet, aber nicht ratifiziert, rot: nicht unterzeichnet.
Grafik: by N.N. (CC-BY-SA-3.0), via Wikimedia Commons

Diese plötzliche Sorge um Syrien und dann natürlich die Tatsache, daß Syrien im Herbst 2013 der Konvention beigetreten ist, aber vermutlich hauptsächlich der konkrete Einsatz von Chemiewaffen und die Erkenntnis, mit welchen inhumanen, unkontrollierbaren und schrecklichen Instrumenten man es hier zu tun hat, brachten es wohl mit sich, daß die Entscheidung der Jury auf mich und das OPCW fiel.

SB: Im Jahr 1997 haben sich die USA verpflichtet, im Zeitraum von zehn Jahren 30.000 Tonnen Chemiewaffen zu zerstören. 2007 wurde die Frist um fünf Jahre verlängert. Warum dauert das so lange?

PW: Ja, das ist wirklich ein sehr wichtiger Punkt. Als die Vereinigten Staaten erstmals, in den 1980er Jahren beschlossen, ihre Chemiewaffen zu zerstören - und sie taten das einstimmig -, liefen auch Gespräche mit der Sowjetunion. Beide Länder befanden, daß dieses Zeug keinen militärischen Nutzen mehr hatte und wollten es einfach loswerden. Aber die große Frage war, wie sollte das sicher und ohne große Kosten geschehen? Der Plan der Vereinigten Staaten sah vor, alles bis zum Jahr 1994 zu vernichten. Die erste Entsorgungsanlage ging 1990 auf dem Johnson Atoll im Pazifik in Betrieb. Sie war der Prototyp für eine Verbrennungsanlage, die das Militär nutzen wollte. Wir hatten neun Lager, acht in den Vereinigten Staaten und eines im Pazifik. Die ursprüngliche Idee war, drei Einrichtungen zu bauen, eine auf dem Johnson Atoll und zwei in den USA, also drei große Verbrennungsanlagen. Damit wollte man die ganzen Chemiewaffen entsorgen. Aber dann verbot der Kongreß 1991 oder 1992 den Transport dieser Waffensysteme: Sie sind zu gefährlich, zu alt und können auslaufen. Wenn das Zeug mit der Bahn oder mit Lastern transportiert wird, müssen wir zweistellige Millionenzahlen von Amerikanern entlang den Transportstrecken evakuieren, nur um es zu bewegen.

Es war klar, daß es Klagen vor Gericht geben würde. Umweltschützer wie ich würden möglicherweise versuchen, die Transporte zu stoppen. So beschloß man Anfang der neunziger, neun Vernichtungsanlagen zu bauen, an jedem Standort eine, damit die Waffen nicht mehr als ein paar hundert Meter oder schlimmstenfalls einen Kilometer weit bewegt werden mußten, um die Militärbasis zu durchqueren. Das war das erste Problem, das den Zeitplan störte. Die selbstgewählte Frist bis 1994 verschob sich auf 1997. Dann erkannte man, daß auch diese nicht eingehalten werden konnte und verlängerte sie bis 2000, dann bis 2004. Schließlich wurde es 2007, was dem letzten Zeitpunkt unter der Chemiewaffenkonvention entsprach. Anfang der 2000er wußten wir, daß wir auch diese Frist nicht würden einhalten können, und 2006 hat der damalige Verteidigungsminister unter George W. Bush, Donald Rumsfeld, ein offizielles Schreiben an die OPCW gerichtet: 'Wir können die Frist bis 2007 nicht einhalten, wir brauchen die Verlängerung um fünf Jahre. Aber, nebenbei bemerkt, werden wir wohl auch die Frist bis 2012 nicht einhalten können.'

SB: In Kentucky soll es bis 2023 und in Colorado bis 2018 dauern ...

PW: ... vielleicht sogar bis 2019. Der Zeitrahmen wurde immer weiter ausgedehnt. Grund dafür war zum einen, daß die Ausgaben durch die Entscheidung, neun statt drei Einrichtungen zu bauen, immens hochschnellten. Zum anderen hatte man beschlossen, daß Verbrennen nicht die einzige technische Lösung bleiben durfte, wofür es jede Menge Gründe gab. Fast alle Bundesstaaten außer zwei oder drei waren gegen das Verbrennen. Sie können sich vorstellen, daß die Leute auf die Ankündigung hin, einen oder zwei Kilometer in Windrichtung der Schule ihrer Kinder entfernt soll das Nervengas VX verbrannt werden, sagen: Entweder wird das gestoppt, oder ich ziehe um und bringe meine Kinder da raus. Also, alle waren darüber sehr verärgert. Und das US-Militär hatte zuerst naiverweise gedacht, es könnte einfach in jedem Bundesstaat Verbrennungsanlagen errichten. Als ich im Militärausschuß war und die Aufsicht über das Programm hatte, riet ich den Verantwortlichen, sich nach Alternativen zur Verbrennung umzusehen und den Menschen Perspektiven aufzuzeigen. Wir alle wollen die Arsenale vernichten und das auf sichere Art und Weise, auch die Armee will das. Ich machte ihnen klar, daß sie nicht in allen Staaten Verbrennungsanlagen bauen könnten und in mindestens drei bis fünf Staaten Alternativen brauchen würden. Die Antwort des Militärs zu der Zeit war: "Wir erklären eben den nationalen Sicherheitsnotstand und ziehen es einfach durch." Ich meinte dazu: "Nein, nein, ihr versteht die amerikanische Demokratie nicht. Ihr werdet einfach nur die Grundlage für Eingaben vor Gericht schaffen, für Demonstrationen und für Familien, die ihre Kinder an den Eingangstoren der Entsorgungsanlagen festketten und so weiter und so fort. Das wird zu einer riesigen Schande und zu einem politischen Kampf führen, und es wird sich ewig hinziehen. Wir wollen die Depots loswerden. Wir haben eine Verpflichtung unter der Chemiewaffenkonvention."

Um die Geschichte abzukürzen: Die Wahl des technischen Verfahrens war ein Problem. Darüber hinaus gab es ein finanzielles Problem, weil man, während der Prozeß voranschritt, erkennen mußte, daß die ursprünglich veranschlagten zwei Milliarden Dollar für das ganze Programm nicht reichten. Augenblicklich sind wir bei 36,37 Milliarden und werden wohl mit dem ganzen Programm noch über 40 Milliarden kommen. Diese Summe stieg jedes Jahr weiter an, das war also auch ein Problem. Dann gab es politischen Widerstand im Kongreß, weil wir auch noch anfingen, Rußland bei der Entsorgung seiner Bestände zu helfen. Mit dem gemeinsamen Abrüstungsprogramm, dem "Nunn-Lugar"-Programm [13] der beiden Senatoren Sam Nunn und Dick Lugar, sind wir einen sehr guten Schritt vorangekommen. Der Kongreß hat allerdings seit 1998 fast jedes Jahr neue Bedingungen für das Geld festgelegt: Die Russen müßten dies tun, die Russen müßten jenes tun ... So wurde regelrecht eine Zwangslage konstruiert, genug Geld zusammenzubekommen, um die Anlagen überhaupt zu bauen und fristgerecht zu betreiben.

Abgebildet sind neun Standorte, Umatilla, Tooele, Johnston Atoll, Pueblo, Pine Bluff, Anniston, Blue Grass, Aberdeen und Newport - Grafik: von Science Applications International Corporation for U.S. Army CMA PAO (Public domain), via Wikimedia Commons

1991/92 verbot der Kongreß den Transport von Kampfstoffen.
So beschloß man neun Vernichtungsanlagen zu bauen, an jedem Standort eine.
Grafik: by Science Applications International Corporation for U.S. Army CMA PAO (Public domain), via Wikimedia Commons

Und dann gab es auch Komplikationen technischer Art. Wir verbrannten beispielsweise Senfgas auf dem Johnston Atoll im Pazifik, und man stellte plötzlich fest, daß Quecksilber entwich. Alle wunderten sich: Wo kommt plötzlich dieses Quecksilber her? Wir hatten nicht eingeplant, daß es Quecksilber geben würde, normalerweise kommt das in Senfgas gar nicht vor. Entsprechend waren auch die Verbrennungsfilter nicht dafür konzipiert und entließen also jeden Tag Quecksilber, ein hochtoxisches Schwermetall, aus dem Schornstein. Also hieß es: alles stoppen und den gesamten Herstellungsprozeß zurückverfolgen. Senfgas ist eine ölige Flüssigkeit, doch es erstarrt und wird bei Temperaturen, die weit über dem Gefrierpunkt liegen, fest. [14] In den Abfüllanlagen war es oft wesentlich kühler. Dort herrschten Temperaturen um sieben Grad Celsius, 45 Grad Fahrenheit. Während des Abfüllens der Geschosse in den 1950er oder 1940er Jahren mußte also ständig die Temperatur gemessen werden und die Thermometer, die sie dafür benutzen, warf man anschließend einfach hinterher. So waren in jedem Artilleriegeschoß einige Gramm Quecksilber. Solchen Fragen stellen sich also auch.

Auf der russischen Seite sah es ähnlich aus: Ich bin 1994 nach Rußland gefahren. Wir wußten, daß die Russen sehr interessiert daran waren, ihre Bestände loszuwerden, aber kein Geld dafür hatten. Also fingen die Vereinigten Staaten an, 200 bis 300 Millionen Dollar im Jahr für das russische Programm zur Verfügung zu stellen. Und wir knüpften daran besonders hohe Sicherheitsvorkehrungen vor allem für zwei Depots - Schtschutsch'je und Kisner -, in denen Kleinkaliberwaffen lagerten, die man in eine Aktentasche oder einen Rucksack stecken und einfach mitnehmen konnte. Deshalb brauchten die Russen ziemlich lange, um überhaupt in Fahrt zu kommen.

Ihre erste Anlage, die nebenbei bemerkt von Deutschland gebaut wurde, was für sie spricht, ging erst 2002 in Betrieb. Sie lagen also zwölf Jahre hinter den Amerikanern zurück. Aber weil ihre Waffen einfacher sind und leichter zu zerstören waren, konnten sie tatsächlich in kürzerer Zeit sehr viel mehr schaffen. Von 1990 bis heute haben die Amerikaner im Schnitt etwas über 1.000 Tonnen pro Jahr und zusammengenommen rund 26.000 Tonnen zerstört. Die Russen haben 30.000 Tonnen in nur zehn Jahren entsorgt, elf Jahre sind es jetzt. Sie haben also mehr als die doppelte Menge pro Jahr unschädlich gemacht. Beide Länder werden ihre Programme fortsetzen, die Russen wahrscheinlich noch mindestens fünf Jahre und die Amerikaner wohl weitere acht oder neun Jahre. Allgemein geht man davon aus, daß unabhängig davon, was geplant ist, und unabhängig davon, welche Frist die Konvention verlangt, beide, das russische wie das amerikanische Programm, übereinstimmend etwa zur gleichen Zeit ihre gesamten Depots zerstört haben werden. Und ich vermute, das wird etwa 2019, 2020 sein.

Überblick über die Pueblo Chemical Agent-Destruction Pilotanlage, PCAPP. Vorne sieht man Erdhaufen, unter denen vermutlich Munition mit Senfgas lagert. - Foto: by US Army (Public domain), via Wikimedia Commons

'Es wird seine Zeit brauchen.'
Bis 2018/19 sollen hier alle Kampfstoffe, darunter 2.600 Tonnen an Senfgas neutralisiert und biologisch nachbehandelt worden sein.
Foto: by US Army (Public domain), via Wikimedia Commons

SB: Ist angesichts dieser Erfahrungen die Frist, auf die man sich in der UNO-Resolution 2118 geeinigt hat, innerhalb derer die Zerstörung der syrischen Chemiewaffenbestände von "nur" 1.300 Tonnen stattgefunden haben soll, nämlich Mitte 2014, sowie die vollständige Zerstörung aller Chemiewaffen in zehn Jahren, überhaupt realistisch?

PW: Ich denke, daß es ein hochgestecktes Ziel ist, aber durchaus erreicht werden könnte. Das zeigt sich bereits. Als der Zeitplan verkündet wurde, haben alle, die wir in dem Bereich tätig sind, behauptet: Das ist ziemlich unmöglich. Und wir haben auf alle Programme hingewiesen, das indische, das südkoreanische, das albanische, das libysche, das amerikanische, das russische und gesagt: Es hat ständig unvorhersagbare Aufschübe und Verzögerungen gegeben. Ich merkte sogar an, daß mittlerweile wohl eigentlich jeder wissen sollte, daß es immer länger dauern wird als erwartet. Darauf wurde mir von einigen Regierungsvertretern zu verstehen gegeben, daß das kontraproduktiv sei: "Paul, bitte erwähne nicht die Verzögerungen in den anderen Programmen, wir haben es hier mit Syrien zu tun. Wir wollen, daß die syrischen Chemiewaffen bis 2014 vernichtet sind." Das will ich natürlich auch. Aber ich hätte die Zerstörung der amerikanischen Bestände sogar schon vor 15 Jahren abgeschlossen sehen wollen. Deshalb glaube ich, daß dieses komplizierte und gefährliche Verfahren seine Zeit brauchen wird.

Dennoch war es gut, im Falle Syriens ein ehrgeiziges Ziel festzulegen, um Druck auf die Syrer zu machen, um Druck auf alle auszuüben, sich zu beeilen, die Waffen aus Syrien herauszuholen. Das wichtigste für die syrischen Bürger ist, daß niemand mehr mit chemischen Kampfstoffen umgebracht wird. Also war die Entscheidung gut. Aber acht Monate nach dem syrischen Übereinkommen müssen wir erkennen, daß die Syrer die meisten Fristen nicht einhalten werden. Bis zum 5. Februar sollten alle Chemiewaffen aus Syrien rausgeschafft worden sein. Das ist nicht geschehen. Bis dahin hatte man gerade mal fünf Prozent weggebracht. Inzwischen sind es 53 Prozent, die mehr oder weniger entfernt worden sind. Das heißt wir haben 600, vielleicht 700 Tonnen, bewegt. Das ist immerhin ein guter Schritt voran. Die Russen haben erklärt, daß alle chemischen Kampfstoffe bis zum 13. April aus Syrien raus sein würden. Natürlich haben sie das nicht geschafft und das wußten wir schon vorher. Die Syrer behaupten, daß sie alles bis zum 27. April fortgeschafft haben werden. Ich halte auch das für unwahrscheinlich. [15] Meiner Meinung nach werden die Chemiewaffen irgendwann im Mai aus Syrien raus sein.

Wenn aber alle C-Waffen aus Syrien raus sind, stellt sich ein neues Problem. Dann befinden sich die brisanten Ladungen auf einem norwegischen und einem dänischen Schiff und müssen weiter nach Italien. Ein Teil davon wird auf die amerikanische Cape Ray, ein früheres Handelsschiff, gebracht. Und wenn der Transfer gut verläuft, was anzunehmen ist, dann fängt die Bearbeitung an. Und das Hydrolyseverfahren auf der Cape Ray, mit dem alle Chemikalien neutralisiert werden, wird etwa drei Monate in Anspruch nehmen. Die nächste wichtige Frist ist der 30. Juni 2014. Bis dahin sollen alle chemischen Stoffe an Bord der Cape Ray unschädlich gemacht worden sein. Wenn die Cape Ray nach diesem Plan mehr oder weniger drei Monate brauchen wird, aber alles erst Mitte Mai bekommt, dann wird sich auch diese Frist bis in den August ausdehnen.

Anschließend sollen die toxischen Abwässer, die bei dem chemischen Verfahren der ersten Stufe entstehen, nach Finnland, Deutschland, Britannien und in die USA verschifft und in einer zweiten Stufe weiterbehandelt werden. Dafür hatte man den 31. Dezember als Stichtag vorgesehen. Bis dahin sollte die Stufe eins und zwei vollständig abgeschlossen und die toxischen Stoffe verarbeitet und entsorgt sein. Damit hätte man die Chemikalien komplett eliminiert. Das ist meines Erachtens noch möglich, aber ich halte es für denkbar, daß sich das Ganze noch bis 2015 hinzieht.

Zwei Menschen in aufwendiger Schutzkleidung vor einem Labortisch, die an einem Geschoß arbeiten - Foto: 1990 by U.S. Army Chemical Materials Agency (Public domain), via Wikimedia Commons

Sichere Zerstörung hat oberste Priorität, ungeahnte Risiken nicht ausgeschlossen.
'Wenn das Zeug mit der Bahn oder mit Lastern transportiert wird, müssen wir zweistellige Millionenzahlen von Amerikanern evakuieren.' (Paul F. Walker)
Foto: 1990 by U.S. Army Chemical Materials Agency (Public domain), via Wikimedia Commons

Für mich und ich glaube für viele andere, die in diesem Bereich arbeiten, ist das wichtigste Ziel wohl, daß die chemischen Kampfstoffe auf sichere und gründliche Weise zerstört werden. Wenn man also eine Frist um einen oder zwei Monate oder sogar sechs oder neun Monate verlängern muß, ist das nicht so entscheidend. Es bedeutet allerdings auch, daß es mehr kostet, mehr Geld und mehr Zeit. Aber wenn das alles erst einmal aus Syrien raus ist, und das ist das Wichtigste, kann es von der syrischen Regierung nicht mehr eingesetzt werden. Eine weitere, damit in Zusammenhang stehende Frage ist: Wird man zusätzliche Depots mit C-Waffen in Syrien finden, die möglicherweise nicht deklariert wurden? Das ist eine Frage, auf die wir noch keine Antwort haben, die man aber angeht, wenn erst einmal alle deklarierten Chemiewaffen aus Syrien raus sind.

SB: Welche Aussichten bestehen, daß Syriens Nachbarn Ägypten und Israel den Chemiewaffensperrvertrag ratifizieren werden?

PW: Ich bin da sehr optimistisch, aber vielleicht bin ich auch ein unverbesserlicher Optimist, wenn ich wirklich gute Aussichten dafür sehe, daß ihn beide ratifizieren werden. Wir führen schon seit Jahren, Gespräche mit den Syrern, Ägyptern und Israelis. Und sie sind in der Tat alle daran interessiert, der Konvention beizutreten. Sie wissen wahrscheinlich besser als ich, daß sich die Israelis immer alle Optionen zur Selbstverteidigung offen halten wollten. Solange die Syrer und die Ägypter über Chemiewaffen oder Möglichkeiten verfügen, diese zu produzieren, würde sich - das wußten wir - Israel diese Option vorbehalten. Aber die Israelis haben den Vertrag unterschrieben, sowohl sie als auch Myanmar sind Unterzeichner des Abkommens. [16] Und die israelischen Vertreter des Außenministeriums haben mir immer wieder versichert, daß sie den Vertrag einhalten werden. Ich habe also keinen Grund, davon auszugehen, daß die Israelis Chemiewaffen haben. Aber vielleicht haben sie doch welche, wir wissen es nicht.

Die Ägypter erklären mir wiederum seit Jahren, daß sie, solange Israel Atomwaffen besitzt, ihre Chemiewaffen als eine Art Abschreckungsmittel des armen Mannes behalten wollen. Und natürlich beschuldigen sie die Israelis, ihr Versprechen nicht eingehalten zu haben, den Nichtverbreitungsvertrag zu unterzeichnen und keine Atomwaffen zu bauen. Es gibt noch immer diese politische Strategie, die Ägyptens Chemiewaffen von Israels Atomwaffen abhängig macht. Ob Ägypten tatsächlich Chemiewaffen hat, wissen wir nicht, und ich habe auch keine Beweise dafür gesehen, daß sie welche besitzen, aber sie haben in der Vergangenheit durchaus Chemiewaffen eingesetzt. Sie haben chemische Waffen gebaut und 1963 im Jemen-Krieg gegen die Jemeniten benutzt, sind also durchaus dazu in der Lage.

Daß Syrien das Chemiewaffenabkommen aus gutem Grund ratifiziert hat, setzt sowohl Israel als auch Ägypten unter Druck, das gleiche zu tun. Weiterer Nachdruck entsteht durch die Tatsache, daß nur sechs Länder der Konvention bislang noch nicht beigetreten sind. Wir wissen aus den Gesprächen in Den Haag, daß Angola sich in Kürze anschließen wird, ebenfalls Myanmar. Und auch Myanmar könnte über Chemiewaffenbestände verfügen, wir wissen das noch nicht. Auch der Südsudan ist am Beitritt interessiert. Doch bei diesen drei Ländern besteht im Moment keine Dringlichkeit. Wenn nun aber Ägypten und Israel nicht beitreten, mit wem befinden sie sich dann auf demselben Level? Mit Nordkorea! Wir haben unsere israelischen und ägyptischen Kollegen gefragt: Wollt ihr wirklich auf eine Stufe mit Nordkorea gesetzt werden? Nein, wirklich nicht... Also, ich glaube, der Druck wächst ständig.

Wir als NGOs werden mit unserer Kampagne weitermachen, um diese beiden letzten auch noch zu überzeugen. Wir haben eine vernünftige politische Strategie, sie verzichtet in keinem der beiden Länder auf Sicherheit. Selbst wenn die Länder Chemiewaffen besäßen, könnten sie diese ohnehin nie einsetzen, ohne zu riskieren, von der ganzen Welt geächtet und aus der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden, so wie es mit Syrien geschehen ist. Es wird also Zeit, der Konvention beizutreten. Meiner Meinung nach werden wir das in den nächsten zwei Jahren erleben: Alle treten bei, außer Nordkorea. Denn Nordkorea zu überzeugen, bedarf dann noch eines sehr langen Prozesses.

SB: Im Mai 2013 wurden syrische Rebellen in der Türkei verhaftet, in deren Besitz sich zwei Kilogramm Sarin befanden. Vor kurzem hat Seymour Hersh eine Reihe von Artikeln in der 'London Review of Books' veröffentlicht, die Belege für die Annahme liefern, daß die Rebellen und nicht die Regierungstruppen hinter den Sarin-Angriffen vom August 2013 in Damaskus und in einigen weiteren Orten wenige Monate zuvor, stecken. Der Nahost-Korrespondent Robert Fisk hat kürzlich in der britischen Zeitung 'The Independent' nahegelegt, daß die syrischen Rebellen das Sarin möglicherweise aus Libyen bekommen haben, da wohlbekannt sei, daß seit dem Fall Muammar Gaddhafis im Jahr 2011 Waffen und Kämpfer von dort über die Türkei nach Syrien geschmuggelt werden. Was halten Sie von Fisks Überlegung? Wurden die libyschen Chemiewaffenbestände vollständig zerstört, wie die libysche Regierung im Februar diesen Jahres angegeben hat, oder wäre es denkbar, daß gewisse Akteure einen Teil davon gestohlen haben?

PW: Also zu Ihrer ersten Frage: Ich denke schon, daß die Rebellen Chemiewaffen eingesetzt oder in ihrem Besitz haben. Es ist aber auch relativ unkompliziert, diese chemischen Stoffe zu produzieren. Die Ausgangsstoffe sind alle über das Internet erhältlich, es sind Dual-Use-Stoffe [17] für die Industrie. Wir wissen, daß die Aum Shinrikyo in Japan Sarin ganz einfach selbst hergestellt haben, es dann bei dem Anschlag in der Untergrundbahn 1995 einzusetzen und Menschen damit zu töten, war weitaus schwieriger. Also, Sarin zu besitzen liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Jede der Rebellengruppen hätte es produzieren können oder auch jemand anderes. Ich halte es nicht für unmöglich, daß die Rebellengruppen auch versucht haben, Chemiewaffen herzustellen. Überall auf der Welt sind terroristische Gruppen schon an nuklearen, chemischen, biologischen und radiologischen - CBRN - Waffen [18] interessiert gewesen. Aber abgesehen davon sehe ich keine Beweise, auch nicht in den Artikeln von Seymour Hearsh, daß die Rebellengruppen an dem Angriff vom 21. August beteiligt waren und dort Chemiewaffen eingesetzt haben. Für mich weisen die meisten Indizien auf die syrische Regierung hin. Die abgefeuerten und benutzten Waffen stammen anscheinend aus einer syrischen Militärbasis. Andererseits gibt es keinen letztgültigen Beweis. Wir versuchen also alle, sehr vorsichtig zu sein und nicht Bashar al Assad all der Angriffe mit Chemiewaffen zu bezichtigen. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bevor wir genau sagen können, wer diese Chemiewaffen wirklich benutzt hat. Ich persönlich bin der Auffassung, daß der Angriff vom 21. August aus Richtung der syrischen Regierungstruppen kam. Aber, wie ich bereits sagte, müssen wir uns das Urteil vorbehalten, bis es konkrete Beweise gibt.

Ich glaube allerdings nicht, daß irgend etwas davon aus Libyen stammte. Die beide libyschen Chemiewaffendepots sind von den OPCW-Inspektoren vollständig überprüft worden. Das war alles Senfgas, es gab kein Sarin, überhaupt kein Nervengift. Nun kann man bei keinem Land, das Chemiewaffenbestände deklariert hat, wirklich ganz sicher sein, ob alles deklariert wurde. Im Fall Libyens schien es, nachdem Gaddhafi tot war, keinen Grund zu geben, einen Teil des Bestandes zu verheimlichen. Und aus meiner Sicht macht die neue Regierung das auch nicht. Das Land Gaddhafis war das allererste, von dem wir wissen, daß es absichtlich Chemiewaffen versteckt hielt. Gaddhafi deklarierte große Senfgasbestände, und die wurden auch unschädlich gemacht. Nachdem er getötet worden war und die neue Regierung an die Macht kam, wurde ein weiteres, kleines Depot mit zwei Tonnen Senfgas in 500 Artilleriegeschossen entdeckt, aber kein Sarin. Wenn also die Rebellen auf irgend einem Weg an Sarin herangekommen sind, dann ist es wahrscheinlich entweder selbstgemacht oder könnte möglicherweise aus Beständen der syrischen Regierung stammen. Wir wissen nicht, ob es abtrünnige Kräfte beim syrischen Militär gibt, aber auch das wäre möglich. Der Angriff vom 21. August kann also auch ein Angriff des syrischen Militärs gewesen sein, aber dann vielleicht durch eine abtrünnige Einheit oder einen skrupellosen Kommandanten, der beschlossen hatte, daß das vielleicht eine "gute Lektion" für die Vororte von Damaskus wäre.

Was das syrische Programm selbst angeht, so denke ich, daß uns noch viele Informationen fehlen. Wir wissen nicht, woher Assads Chemiewaffen stammen. Wir erinnern uns, daß vor etwa 21 Jahren der Leiter des russischen Programms, Anatolij Kunzewitsch [19], in Syrien verhaftet wurde, weil er illegal mit der syrischen Regierung Geschäfte gemacht hatte. Deshalb scheint mir, daß ein Teil des syrischen Programms wahrscheinlich aus Rußland stammt, zumindest die Technologie, wenn auch nicht die Waffen selbst. Aber es könnte wohl auch von den Ägyptern kommen, vielleicht sogar von den Iranern oder sogar von den Indern, wenn man noch weiter zurückgeht.

Die Wege zurückzuverfolgen, ist insgesamt schwierig: Der albanische Bestand, den wir Anfang der 2000er gefunden haben, kam aus China. Es gab überall chinesische Kennzeichen. Das südkoreanische Arsenal, das mittlerweile restlos vernichtet wurde, bestand aus den neuesten binären Waffen und kam höchstwahrscheinlich aus den Vereinigten Staaten. Es ist noch schwer, an diesem Punkt zu sagen, woher die syrischen Waffen stammen. Eine Verbindung zu Libyen scheint mir wenig plausibel. Wahrscheinlich kamen das iranische, irakische und syrische Programm - und vielleicht sogar das ägyptische und israelische Programm - jeweils mit westeuropäischer Unterstützung zustande. Aber es wird noch eine Weile dauern, bis das genau untersucht ist und man sagen kann, wer mit welchen chemischen Stoffen gehandelt hat und wo das alles herkommt.

Auf längere Sicht arbeiten wir natürlich daran, Länder dazu zu bringen, ihren Verpflichtungen aus dem Chemiewaffensperrvertrag nachzukommen. Das bedeutet, alle Im- und Exporte von chemischen Stoffen, die potentiell zu chemischen Waffen führen könnten, die Dual-Use-Chemikalien, die in Übersicht 1, 2 und 3 der Konvention aufgeführt sind, müssen deklariert werden. Nur wenn das für den globalen Handel mit chemischen Stoffen überall durchgesetzt werden kann und wenn die chemische Industrie weltweit auf unbestimmte Zeit regelmäßigen Inspektionen unterzogen wird, werden wir auch die Neubildung von Chemiewaffenarsenalen langfristig verhindern können.

SB: Einem Bericht der BBC zufolge hat die irakische Polizei im Juni 2013 erklärt, man habe eine Reihe von Chemiewaffenfabriken in Bagdad gefunden, die von sunnitischen Extremisten mit Verbindungen zu den Rebellen in Syrien betrieben wurden. Haben die OPCW und andere Rüstungskontrollgruppen wie das Grüne Kreuz daraufhin etwas unternommen und wenn ja, was?

PW: Mir sind selbst keine aktuellen Berichte über einen solchen Fall aus dem Irak bekannt und ich wäre überrascht, wenn sich das als wahr herausstellen sollte. Allerdings weiß man im Nahen Osten und insbesondere in diesen Tagen nie, was wahr ist und was nicht.

Die Iraker sind in der OPCW eigentlich sehr engagiert. Ihr Beauftragter führt den Vorsitz bei der derzeitigen Konferenz der Staatenpartner. Der Irak hatte zwei Bunker mit chemischen Kampfstoffen deklariert. Wenn ein Land beschuldigt wird, illegal Chemiewaffen zu produzieren, reisen normalerweise sofort OPCW-Inspektoren dorthin und stellen Nachforschungen an. Meines Erachtens müssen Anschuldigungen wie diese überprüft werden und wenn etwas wahres daran ist, muß man sicherstellen, daß die fraglichen Anlagen zerstört werden und die Verantwortlichen vor Gericht kommen. Es könnte sich aber ebensogut als nicht zutreffend erweisen.

SB: In Zusammenhang mit den derzeitigen Abrüstungsbemühungen im Bereich der atomaren Bewaffnung ist der Vorwurf laut geworden, daß die führenden Militärmächte wie die USA und Rußland nicht etwa erkannt haben, welche Bedrohung eine solche Technologie für die Menschheit darstellt, sondern daß sie, da sie sich nun im Besitz weitaus überlegener Cyber- und kinetischer Waffen befinden, potentiellen Gegnern unter den Entwicklungsländern das "ausgleichende Moment", welches eine solche Massenvernichtungswaffe wie die Atombombe gegenüber ihren Hightech-Armeen darstellen würde, nehmen wollen. Was ist Ihre Meinung dazu? Und könnte das auch auf die chemischen Waffen zutreffen?

PW: Ich bin überzeugter Abolitionist [20], ebenso wie Gorbatschow, der das Internationale Grüne Kreuz gegründet hat. Deshalb glaube ich wirklich an die Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen und ebenso ungebrochen an die friedliche Lösung von Konflikten, wie wir sie derzeit in der Ukraine sehen, aber nicht an militärische Gewalt. Meiner Meinung nach hat kein Krieg, den wir im vergangenen Jahrhundert geführt haben - geschweige denn die davor -, Probleme gelöst. Das geht nur auf diplomatischem Weg und durch Konsensfindung in Verhandlungen. Das vorausgeschickt halte ich die Chemiewaffenkonvention für eine wirklich erstklassige Vorlage für die Regulierung der atomaren und biologischen Abrüstung und auch für die Abschaffung anderer Waffen, seien es Cyberwaffen oder Landminen oder Streubomben. Die Chemiewaffenkonvention ist sehr interessant, wenn man sich die rechtliche Seite genauer ansieht, denn es handelt sich um ein Regelwerk, das keine Unterschiede macht. Jeder Staat, jedes Land, das Mitglied ist, unterliegt genau denselben Regeln. Es gibt aber immer 'einen Elefanten im Zimmer' [21], wie wir sagen würden, weil die USA eine Supermacht ist und bis zu 25 Prozent der Rechnungen bezahlt. Und wie es so ist: Wer die Rechnung bezahlt, hat möglicherweise auch ein bißchen mehr Einfluß. Das gleiche gilt auch für die Westeuropäer und die Japaner. Aber bei den Vereinigten Staaten wird es oft recht deutlich. Davon abgesehen gehen die USA meines Erachtens in ihrem Programm zur Zerstörung der Chemiewaffen am transparentesten vor, und sie arbeiten am nachdrücklichsten darauf hin, daß die Welt ganz und gar von Chemiewaffen gereinigt wird. So werden sie nicht müde, jeden davon zu überzeugen, der Konvention beizutreten und auf C-Waffen zu verzichten.

Unglücklicherweise ist das in Bezug auf Atomwaffen nicht unbedingt der Fall. Der Nichtverbreitungsvertrag, der NVV, ist ein Kontrollinstrument, das Unterschiede macht, denn es gibt die Besitzenden und die Nichtbesitzenden. Und die P5, die fünf ständigen Mitglieder, die Atomwaffen besitzen, verfügen alle im NVV über Sonderrechte. Die Anstrengungen, die in der letzten Konferenz zur Überprüfung des NVV unternommen wurden, waren sehr gut, die Atomstaaten sind unter Artikel 6 verpflichtet, ihren Atomwaffenbestand in angemessener Zeit zu beseitigen. Aber alle Atommächte, nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch die Russen, die Franzosen, die Briten, die Chinesen geben hier ein ausgesprochen schlechtes Beispiel ab. Atomwaffen sind politisch noch immer legitim und wir geben für sie ungeheuer viel Geld aus, was meiner Meinung nach eine absolute Verschwendung ist. Aber an der politischen Bedeutung, die wir dem Besitz von Atomwaffen geben, dem zweifelhaften Ruhm, Atommacht zu sein, wollen auch andere Länder teilhaben. Auf diese Weise kamen die Pakistaner, die Inder, die Israelis und jetzt die Nordkoreaner an Bord. Und wenn wir diese Haltung nicht bald korrigieren, am besten auf der nächsten Überprüfungskonferenz 2015, werden wohl noch mehr Länder Atomwaffen bauen oder zumindest Brennstoffkreisläufe, wie es teilweise schon der Iran, Japan und Südkorea machen. Das verschafft ihnen die nötige Technologie, um gegebenenfalls einmal Atomwaffen zu bauen.

Deshalb sollten meines Erachtens insbesondere die Vereinigten Staaten und die Russen die nukleare Abrüstung schneller vorantreiben. Der "New START"-Vertrag [22] von 2010 war ein wichtiger Schritt und wir haben das absolut unterstützt. Dennoch sind weitere Kürzungen erforderlich. Die Vereinigten Staaten unterhalten immer noch über 7.000 Atomwaffen, die meisten davon in Reserve. Dafür gibt es keinen Grund. Alle Waffen sind immer noch im Zustand höchster Alarmbereitschaft, und auch dafür gibt es keinerlei Anlaß. Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich die Russen und Amerikaner an dieser Stelle, ungeachtet der Ukraine-Krise, weiter vorwagten und tiefere Einschnitte machten. Obama hat 1.100 gefechtsbereite Atomsprengköpfe vorgeschlagen, auch das sind noch zu viele. Aber es gilt, weitere Schritte in diese Richtung zu gehen. Für die Vereinigten Staaten steht auch noch die Ratifizierung des "Teststopvertrags" [23] aus. Wie Sie wissen, befürwortet die Obama-Regierung das, hat sich aber bislang zurückgehalten, dies im US-Senat auch durchzubringen. Es wird höchste Zeit, daß sie der Sache politischen Nachdruck verleiht, damit wir 67 Stimmen im Senat dafür bekommen. Wir haben auch eine Reihe von Verträgen gegen Atomterrorismus nicht ratifiziert wie CPPNM und ICSANT. [24] Auch die müssen ratifiziert werden. Es gibt also noch eine Menge zu tun.

Paul F. Walker - Foto: © 2014 by Schattenblick

'Es gibt aber immer einen Elefanten im Zimmer.
Weil die USA bis zu 25 Prozent der Rechnungen bezahlt, hat sie auch ein bißchen mehr Einfluß.'
Foto: © 2014 by Schattenblick

Wenn man die Chemiewaffenkonvention gewissermaßen als Modell auf eine Konvention über atomare und biologische Waffen übertragen würde, müßte man allerdings auch nach der restlosen Abrüstung aller Bestände mit den Inspektionen und Überprüfungen fortfahren, damit diese Waffen nie wieder irgendwo auftauchen. Doch die Konvention über biologische Waffen, das BWC, hat keine Leute und damit auch kein Überprüfungssystem. In ihrem Genfer Büro sitzen genau drei Personen, während die Chemiewaffenkonvention über 500 Mitarbeiter verfügt, allein 125 davon sind Inspektoren.

SB: Sie hatten bereits die Spaltung der Welt in Atomwaffen besitzende Staaten, und solche, die in dieser Hinsicht besitzlos sind, angesprochen. Was könnte man Ihrer Meinung nach noch tun, um diese Trennung, die ja auch einer Aufteilung von unterschiedlichen Machtverhältnissen gleichkommt, aufzulösen?

PW: Jeder einzelne von uns oder auch die Zivilgesellschaft im allgemeinen, muß den inhumanen, unkontrollierbaren Massenvernichtungswaffen eine Absage erteilen. Wir alle sollten eigentlich dem Krieg insgesamt abschwören. Aber das ist vielleicht noch zu ambitioniert und zu idealistisch gedacht. Also zurück zu den Massenvernichtungswaffen: Niemand will diese Waffen. Ihre Herstellung ist teuer, ihre Unterhaltung ist teuer, sie sind sehr gefährlich. Sogar in den Vereinigten Staaten haben wir erlebt, daß Leute in Atomwaffenlager einbrechen oder daß eine ganze Reihe Militärangehöriger wegen Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Mangel an Führungsqualitäten und Disziplin entlassen wurden. Wir balancieren auf einem sehr gefährlichen Grat, und bevor wir alle die Klippe herunterstürzen und die Menschheit zerstören, müssen wir diese Waffen abschaffen. Fragen wir einfach mal: Welchen Nutzen haben die Atomwaffen in der Ukraine? Null, überhaupt keinen Nutzen. Welchen Sinn machen Atomwaffen heute in Syrien? Null. Die Konflikte, die wir erleben, die Bürgerkriege und regionalen Konflikte, die kürzlich erfolgte Invasion der Russen auf der Krim werden mit Atomwaffen einfach nicht gelöst.

Wir dürfen also nicht nachlassen, den Druck aufrechtzuerhalten. Auf der anderen Seite gibt es natürlich in den Vereinigten Staaten und in Rußland, den heutigen Supermächten, eine große Unterstützungskultur für Atomwaffen und alle anderen Waffensysteme - ähnliches gilt für Westeuropa. In diesem Konfliktfeld brauchen wir mehr Führungsstärke. Einiges kommt da von Obama, aber nicht soviel von der russischen Seite und auch nicht gerade viel von den anderen Atommächten. Die beiden Länder aus dem Zweiten Weltkrieg, die wirklich willentlich auf Atomwaffen verzichtet haben, sind Deutschland und Japan, inzwischen haben das auch andere Atommächte wie die Ukraine, Kasachstan, Südafrika und Brasilien getan. Vielleicht brauchen wir mehr Ansporn von diesen Ländern, daß sie deutlich sagen: Hört mal zu, wir haben diese Waffen vollständig aufgegeben und das war in Ordnung so. Die Ukraine, die die Atomwaffen nach dem Ende des Kalten Krieges aufgegeben hat, ist ein gutes Beispiel. Darüber hinaus haben sie vor kurzem ihr hochangereichertes Uran, HEU, aufgegeben, was gerade angesichts der augenblicklich unsicheren Zustände eine gute Sache ist. Das heißt, wir müssen uns keine Sorgen darum machen, daß dort terroristische oder rivalisierende Gruppen waffenfähiges Uran in die Hände bekommen und es an Terrorgruppen sonstwo in der Welt verkaufen. Das zeigt meines Erachtens, daß die Aufgabe dieser Arsenale einen größeren Schritt in Richtung Frieden und weltweiter Sicherheit bedeuten. Ich bin fest überzeugt, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir dahin kommen.

SB: Vielen Dank, Paul Walker, für dieses aufschlußreiche Gespräch.


Fußnoten:

[1] GDAMS - Global Day of Action on Military Spending (Welttag der Aktionen gegen Militärausgaben)
http://demilitarize.org/

und
http://demilitarize.org/uk

[2] Siehe auch:
INTERVIEW/042: Rüstungswahn und Richtungswechsel - Regeln gut und Zeugnis falsch ... Jan van Aken im Gespräch (SB)
Jan van Aken für die Senkung von Militärausgaben und ein Exportverbot von Chemikalien an Staaten, die die UN-Chemiewaffenkonvention nicht ratifiziert haben
http://www.schattenblick.de/infopool/buerger/report/brri0042.html

[3] Am 21. November 1925 schloß die gesamte deutsche Chemieindustrie einen Vertrag zur konkurrenzlosen Zusammenarbeit in einer Interessensgemeinschaft, der IG-Farben (I.G. Farbenindustrie AG). Im Einzelnen beteiligt waren die seinerzeit großen Chemiefirmen: Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation (Berlin), Badische Anilin-und Sodafabrik AG (Ludwigshafen), zu BASF: Ammoniakwerk Merseburg GmbH, Leuna Werke (Merseburg, Leuna), Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. (Leverkusen), Chemische Fabrik Griesheim-Elektron (Griesheim), Chemische Fabrik Kalle & Co. AG (Biebrich), Chemische Fabriken Weilerter Meer (Uerdingen), Farbwerke Leopold Cassella & Co. (Fechenheim) und Farbwerke vorm. Meister Lucius und Brüning AG (Höchst).

[4] Die Nervengase Tabun und Sarin wurden 1937 von dem deutschen Chemiker Gerhard Schrader entdeckt, der für IG Farben Phosphorverbindungen auf ihre insektiziden Eigenschaften untersuchte. Die Substanzen gab es schon seit 1902, aber Schrader entdeckte ihr tödliches Potential. 1944 war Sarin produktionsreif, kam jedoch aus Sorge vor entsprechenden Gegenschlägen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg nicht mehr zum Einsatz.

[5] Chemiewaffenkonvention CWC - 190 Vertragsstaaten unterschrieben bisher das Abkommen, mit dem sie sich zur vollständigen Zerstörung sämtlicher Chemikalien, deren toxische Eigenschaften Menschen und Tieren zeitweiligen oder permanenten Schaden zufügen können, verpflichten. Neben den klassischen Kampfstoffen gehören im erweiterten Sinne auch Brand- (Napalm), Nebel- oder Rauchstoffe sowie Entlaubungsmittel (Agent Orange) und Nesselstoffe (lungen- und hautschädigende Substanzen) dazu. Angola, Burma (Myanmar), Ägypten, Israel, Nordkorea und der Südsudan haben den Vertrag entweder noch nicht unterzeichnet oder noch nicht ratifiziert.

[6] ACDA: Arms Control and Disarmament Agency

[7] SALT I - Die SALT-Verträge (Verträge zur nuklearen Rüstungsbegrenzung) erhielten ihren Namen durch die Gespräche zur Begrenzung strategischer Rüstung (Strategic Arms Limitation Talks, SALT) von 1969 bis 1979. Diese Verträge wurden zwischen den USA und der UdSSR geschlossen. Wichtigstes Ergebnis der Verhandlungen ist der im Mai 1972 unterzeichnete ABM-Vertrag. Die Verhandlungen zu den SALT I-Verträgen begannen am 17. November 1969 in Helsinki. Die weiteren Sitzungen fanden abwechselnd in Wien und Helsinki statt.

[8] Grünes Kreuz - hier ist das Internationale Grüne Kreuz (Green Cross International, Abk. GCI) gemeint, das am 18. April 1993 in Kyoto von Michael Gorbatschow gegründet wurde. Die Umweltschutzorganisation setzt sich für Nachhaltigkeit und eine sichere Zukunft ein, indem sie einen Wertewandel zu gemeinsamer, globaler Verantwortung und gegenseitiger Abhängigkeit fördert. Sie hat das Ziel, Konflikte zu lösen und zu verhindern, die durch Umweltzerstörung herbeigeführt wurden, und Hilfe zu leisten, wo Umweltzerstörung als Folge von Krieg oder Konflikten auftritt.

[9] Der Comprehensive Environmental Response Compensation and Liability Act (CERCLA) wird umgangssprachlich und in den Medien oft als Superfund bezeichnet. CERCLA ist ein Gesetz, das die US-Umweltbehörde EPA verpflichtet, kontaminierte, sanierungsbedürftige Standorte zu ermitteln und dann deren Sanierung in die Wege zu leiten sowie die Kosten der Sanierung in einem Haftungsverfahren den Verursachern anzulasten.

Superfund-Sites oder -Standorte sind mit chemischen Altlasten oder Giftmüll kontaminierte Gelände, die unter das Superfund-Programm der US-Umweltbehörde fallen.

[10] Von den vier in Deutschland entwickelten Nervenkampfstoffen, Sarin, Soman, Cyclosarin und Tabun ist Soman die giftigste und persistenteste Verbindung. Je nach Stärke der Vergiftung kommt es bei diesem Organophosphorsäureester zu folgenden Symptomen: Kopfschmerzen, Übelkeit mit Erbrechen und Durchfällen, Augenschmerzen, Müdigkeit, Krampfanfälle, Zittern, Zucken der Muskulatur, unkontrollierter Harn- und Stuhlabgang, Atemnot, Appetitlosigkeit, Angstzustände, Spannungen, Verwirrtheit, Bewußtlosigkeit. Der Tod tritt schließlich durch Atemlähmung ein.

Noch giftiger und persistenter als diese ist der Nervenkampfstoff VX (O-Ethyl-S-2-diisopropylaminoethylmethylphosphonothiolat): Dabei handelt es sich um eine farb- und geruchlose, durch Verunreinigungen oft leicht gelbliche, ölige Flüssigkeit. Das Gift dringt über die Haut, die Augen und die Atemwege in den Körper ein und verursacht zuerst Husten und Übelkeit. Dann lähmt es die Atemmuskulatur und führt innerhalb weniger Minuten unter starken Krämpfen und Schmerzen zum Tod.

Senfgas ist ein Trivialname für die Chemikalie Bis(2-chlorethyl)sulfid, einem hautschädigenden chemischen Kampfstoff aus der Gruppe der Loste. Weitere Bezeichnungen sind Lost, Schwefellost, S-Lost, Gelbkreuzgas, Yperit oder Schwefelyperit, im englischen Sprachgebrauch Mustard. Der NATO-Code lautet HD. Der Name "Senfgas" stammt vom typischen Geruch des nicht hochgereinigten Produktes nach Senf oder Knoblauch. Alle Loste sind starke Hautgifte und krebserregend. Die Wirkung auf die Haut ist mit starken Verbrennungen und Verätzungen vergleichbar. Es bilden sich große, stark schmerzende Blasen. Die Verletzungen heilen schlecht. Das Gewebe wird nachhaltig zerstört und die Zellteilung gehemmt. Großflächig betroffene Gliedmaßen müssen meistens amputiert werden. Werden die Dämpfe eingeatmet, so werden die Bronchien zerstört.

Lewisit ist eine chlorhaltige, organische Arsenverbindung, deren Wirkung beim Einsatz als chemische Waffe den Losten ähnelt. Die Substanz bewirkt ein starkes Brennen der Haut mit Blasenbildung. Lewisit wurde nach dem amerikanischen Chemiker Winford Lee Lewis (1879 bis 1943) benannt. Unter Soldaten trug es den Beinamen Tau des Todes.

Phosgen ist der Trivialname für Kohlenoxiddichlorid oder Carbonylchlorid, COCl2, das Dichlorid der Kohlensäure. Es gelangt in die Lungenbläschen, wo es sich in Salzsäure und Kohlenstoffdioxid zersetzt. Die Salzsäure verätzt das Lungengewebe und die Alveolen. Dies führt nach zwei bis drei Stunden zu quälendem Husten, Zyanose und Lungenödemen und endet meist tödlich. Der Tod tritt in der Regel bei vollem Bewußtsein ein. Hohe Dosen können auch binnen Sekunden oder Minuten zum Tod führen.

[11] Legacy, zu deutsch "das Erbe, das Vermächtnis", befaßt sich mit der Bewältigung von Folgeschäden aus Industrie- und Militärkatastrophen in Osteuropa, USA und Vietnam, insbesondere mit den Altlasten des Kalten Krieges.
http://www.greencross.ch/de/projekte.html

[12] OPCW - Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (Organisation für das Verbot von Chemiewaffen)

[13] Mit dem Cooperative Threat Reduction (CTR) Programm (Nunn-Lugar) soll über das Pentagon die Sicherung und Beseitigung von Massenvernichtungswaffen unterstützt werden.

[14] Senfgas hat einen Schmelzpunkt von 14 Grad Celsius. Darunter wird es fest.

[15] Das Gespräch mit Paul F. Walker fand am 14. April statt. Laut einer aktuellen Meldung auf der OPCW-Webseite wurden bis zum 24. April 2014 durch die OPCW-UN-Aktion 92,5 Prozent der von Syrien deklarierten Chemiewaffen außer Landes geschafft. Hiernach geht man allgemein davon aus, daß der für die vollständige Vernichtung angestrebte Stichtag am 30. Juni 2014 zumindest annähernd eingehalten werden kann. Nicht gesagt wird, daß der Stichtag für die komplette Zerstörung unter der Voraussetzung festgelegt wurde, daß man den Abtransport bereits im Februar abgeschlossen haben wollte.
http://www.opcw.org/news/article/opcw-un-joint-mission-total-chemical-material-removed-and-destroyed-raised-to-925/

[16] 1993 haben Israel und Myanmar die Chemiewaffenkonvention unterzeichnet, aber bis heute noch nicht ratifiziert. Als jüngstes Ratifizierungsland ist Syrien der Konvention am 14. September 2013 beigetreten.

[17] Dual Use Güter - Güter die in doppelter Weise als Wirtschaftsgut (z.B. eine Maschine, aber auch Software oder Technologie) zu zivilen als auch militärischen Zwecken verwendet werden können. Chemikalien wie Natriumflourid (NaF), Fluorwasserstoff (HF) oder Ammoniumhydrogenfluorid (NH4F) sind sowohl Komponenten für die Zahnpastaproduktion als auch einer der Ausgangsstoffe für die Herstellung von Sarin (Methylfluorphosphonsäureisopropylester).

[18] CBRN-Waffen (Chemisch, Biologisch, Radiologisch und Nuklear) entsprechen den ABC-Waffen, nur daß hier die atomare Gefahr "A" noch weiter in radiologische (R) und nukleare (N) Bedrohungen unterschieden wird. "Nuklear" bezeichnet dabei Kernwaffenexplosionen und deren Folgewirkungen sowie radioaktive Stoffe des nuklearen Kreislaufs; "radiologisch" bezeichnet andere Arten der Kontamination mit radioaktiven Nukliden, vorrangig in Form einer radioaktiven Dispersionsvorrichtung (z.B. Streubomben bzw. schmutzige Bomben).

[19] "1993 schmuggelte der General Anatolij Kunzewitsch, ein Berater des damaligen Präsidenten Boris Jelzin, 800 Kilogramm Chemikalien zur Herstellung von VX nach Syrien." (Spiegel Online, 16.10. 2013)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/syriens-chemiewaffen-noch-nicht-alle-substanzen-offen-gelegt-a-926290.html

[20] Abolitionismus (von englisch abolition 'Abschaffung', 'Aufhebung') bezeichnet eigentlich eine Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei. Inzwischen wird darunter auch die Abschaffung von Massenvernichtungswaffen verstanden.

[21] Mit der englischen Wendung "The Elephant In The Room" ist auf Deutsch nicht, "der Elefant im Raum", gemeint, sondern ein gigantisches Problem, welches im Raum steht, völlig zu ignorieren. Hier ist sie also nicht auf die Größe der USA gemünzt, sondern darauf, daß man ihren zusätzlichen Einfluß stillschweigend duldet.

[22] START: Strategic Arms Reduction Treaty (Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen) ist ein Abrüstungsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion bzw. Rußland zur gemeinsamen allmählichen Reduzierung strategischer Trägersysteme für Nuklearwaffen. Am 26. März 2010 erklärten Barack Obama und der russische Präsident Dmitri Medwedew, daß die Anzahl der Atomwaffen weiter begrenzt werden soll. Am 8. April 2010 unterzeichneten beide Präsidenten in Prag den bis 2020 gültigen New-START-Vertrag über Maßnahmen zur weiteren Reduzierung und Begrenzung der strategischen Angriffswaffen.

[23] Nicht zu verwechseln mit dem Atomteststopabkommen von 1963 soll ein weiterer Schritt im System der nuklearen Abrüstung in dem umfassenden 'Teststopvertrag' (Comprehensive Test-Ban Treaty, CTBT) aus dem Jahr 1996 bestehen, der sämtliche Kernwaffentests verbietet. 159 Staaten haben ihn bislang ratifiziert. Allerdings konnte er noch nicht in Kraft treten, da eine Reihe der 44 Staaten, die über Atomtechnologie verfügen und damit den Vertrag zwingend ratifizieren müssen, dem Vertragswerk noch nicht beigetreten sind: China, die USA, Ägypten, Iran, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea.

[24] CPPNM: Convention for the Physical Protection of Nuclear Material - Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial.

ICSANT: International Convention for the Suppression of Acts of Nuclear Terrorism - Internationales Übereinkommen zur Verhinderung von nuklearem Terrorismus

6. Mai 2014