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HINTERGRUND/151: Arbeitsmigranten - Zwischen Hoffen und Bangen


die zeitung - terre des hommes, 3. Quartal 2009

Arbeitsmigranten: Zwischen Hoffen und Bangen
Schutz grundlegender Rechte und Alternativen in den Herkunftsländern sind gefragt

Von Peter Strack


Ob Italien, Spanien oder Deutschland... Auch wenn die Einwanderungsgesetze weltweit verschärft wurden: Arbeitsmigranten waren lange Zeit gefragt. Mit oder - billiger noch - ohne Papiere. Und angesichts düsterer Perspektiven in den Heimatländern war die Aussicht auf einen Job in allen reichen Ländern attraktiv. Zwischen 2003 und 2008 hatten sich die Rücküberweisungen der weltweit etwa 200 Millionen Arbeitsmigranten an ihre Familien auf 307 Milliarden US-Dollar pro Jahr mehr als verdoppelt. 20 Milliarden US-Dollar flossen 2008 noch nach Afrika südlich der Sahara, in manchen Staaten das Siebenfache der offiziellen Entwicklungshilfe. Der Rückgang von fünf Prozent, den die Weltbank für 2009 erstmals prognostiziert, scheint angesichts dessen harmlos auszufallen. Dabei rechnen Experten damit, dass allein in den Golfstaaten sechseinhalb Millionen Wanderarbeiter, viele aus den Philippinen, in diesem Jahr ihren Job verlieren.


Weniger Geld in die Heimat

Auch 4,5 Millionen Zentralamerikaner, die im Ausland ihr Glück gesucht haben, fürchten die Folgen der Wirtschaftskrise: Zwölf Milliarden Dollar hatten sie 2007 noch an ihre Familien in der Heimat überwiesen, etwa zehn Prozent der Wirtschaftsleistung der Region, in El Salvador sogar das Doppelte. Seit Oktober 2008 aber gingen die Überweisungen zurück. Im April dieses Jahres waren es 46 Millionen Dollar, knapp 14 Prozent weniger als im Vorjahr.

Gerade die von den Migranten abhängigsten Ökonomien sind aber am schlechtesten auf ihre Rückkehr vorbereitet. So wie im Fall von Maricruz, die nun das Heer der Straßenverkäuferinnen in Bolivien vergrößert. Das Beispiel zeigt aber auch, dass die Krise Chancen bietet, die durch die Migration geschaffenen sozialen Probleme besser zu bewältigen. An Geld mangelte es den zurückgelassenen Kindern und Jugendlichen in Cochabamba häufig nicht. Ihrer Erziehung waren viele der damit betrauten Verwandten oder älteren Geschwister aber nicht gewachsen. Städtische Banden rekrutierten ihre Mitglieder zunehmend aus zurückgelassenen Kindern. Eine von terre des hommes in Mittelamerika in Auftrag gegebene Studie hatte ähnliche Folgen der Trennung von Familien erbracht: Autoritätskonflikte, Mehrbelastung der Frauen und Spannungen auch im Gemeindeleben: Die traditionellen Kulturen und ihre Werte wurden durch westliche Lebensstile, aber auch durch unerfüllbare Konsumversprechen in Frage gestellt.

Die Schaffung von Alternativen in den Heimatländern, betonten jüngst Vertreter sozialer Bewegungen Lateinamerikas auf einer Tagung in Paraguay, dürfe aber nicht als Ausrede dafür dienen, den fünf Prozent der Lateinamerikaner, die heute in Europa leben, ihre Rechte und eine Lebensperspektive zu verweigern. "Europa scheint keine Erinnerung zu haben", hieß es in Bezug auf all die Italiener, Spanier oder Deutschen, die aus Armut oder wegen politischer Verfolgung einst in Lateinamerika Zuflucht gefunden haben.


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Quelle:
die zeitung, 3. Quartal 2009, S. 5
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2009